Gegen Landgrabbing Nach jahrelangem Streit: Thüringen will Spekulation mit Agrarland erschweren

28. November 2023, 19:00 Uhr

Die Thüringer Landesregierung will den Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen stärker regulieren. Die Pläne sind seit Langem umstritten, doch nun soll sich der Landtag damit befassen. Das Hauptziel: Investoren von außerhalb der Landwirtschaft soll der Kauf von Agrarbetrieben erschwert werden.

Die Landesregierung will den Verkauf landwirtschaftlicher Flächen stärker regulieren. Das Kabinett hat dazu am Dienstag den Entwurf eines Agrarstrukturgesetzes beschlossen. Ziel sei es, damit den extremen Preisanstieg bei landwirtschaftlichen Flächen einzudämmen, sagte Agrarministerin Susanna Karawanskij (Linke).

Rot-Rot-Grün wolle mit dem Gesetz die regional verankerte Agrarstruktur in den Händen heimischer Betriebe bewahren und Landwirte vom Kostendruck entlasten, sagte die Ministerin. "Landwirtschaft ist systemrelevant. Insofern wollen wir hier mit dem Gesetz einen klaren Pfeiler dafür setzen, dass Ackerland auch in Bauernhand gehört", sagte Karawanskij. Die Preise für Agrarflächen hätten sich in Thüringen in den vergangenen Jahren zum Teil verdreifacht. Für heimische Agrarbetriebe und insbesondere Junglandwirte werde es immer schwerer, Agrarflächen zu kaufen.

Zentraler Baustein: "Share-Deal"-Regelung

Ihren Angaben nach ist deshalb im Entwurf vorgesehen, dass Kauf- und Pachtverträge auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt ab einer Fläche von einem Hektar angezeigt beziehungsweise genehmigt werden müssen. Diese Anzeigepflicht soll auch für sogenannte "Share-Deals" gelten, also wenn lediglich Betriebsanteile und nicht der ganze Betrieb an sich gekauft werden. Und zwar dann, wenn Unternehmen mehr als 50 Prozent der Betriebsanteile eines in Thüringen ansässigen Betriebes kaufen. Wenn sie mehr als 90 Prozent erwerben, sollen diese Käufe zudem vom Land genehmigt werden müssen. Laut Karawanskij drohen bei Verstößen gegen die Meldepflicht Bußgelder zwischen 10.000 und einer Million Euro.

Nach Angaben der Ministerin werden landwirtschaftliche Flächen in Thüringen immer häufiger von agrarfremden Investoren als Kapitalanlage aufgekauft. Das treibe die Preise nach oben. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Betriebsverkäufe an große Konzerne gegeben, die Aufsehen erregt hatten: So hatte beispielsweise der ehemalige Bauernverbandspräsident Klaus Kliem seinen Betrieb für 40 Millionen Euro an eine Aldi-Stiftung verkauft.

Der Gesetzentwurf schlägt zudem eine Preismissbrauchskontrolle vor: Demnach soll der Kaufpreis für Flächen in Regionen mit hohem Preisniveau nicht mehr als 20 Prozent über dem in der Region durchschnittlichen Marktpreis liegen - bisher waren es 50 Prozent. Außerdem soll das Vorkaufsrecht der Thüringer Landgesellschaft erweitert werden. Das Land könnte damit eine Fläche erwerben, bevor ein außerlandwirtschaftlicher Investor das tut, und diese Fläche zehn Jahre lang halten, bis sie ein Landwirt erwerben kann.

Jahrelanger Streit um Gesetz

Seit Jahren ist das Gesetz umstritten: Der Thüringer Bauernverband sträubt sich beispielsweise gegen das Gesetz. Er drohte im Herbst mit einer Klage, sollte das Gesetz wirklich verabschiedet werden. Laut einem Gutachten, das der Verband in Auftrag gegeben hatte, besitze das Land Thüringen gar nicht die Gesetzgebungskompetenz - diese liege vielmehr beim Bund. Das Gutachten hält den Gesetzentwurf in weiten Teilen für verfassungswidrig.

Andere Verbände, allen voran die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) drängen hingegen seit Jahren darauf, den Verkauf von Flächen an außerlandwirtschaftliche Investoren zu verhindern. Weil sich das Gesetz immer wieder verzögerte, hatte sich die AbL jedoch pessimistisch geäußert, dass das Gesetzentwurf noch rechtzeitig vor der kommenden Landtagswahl am 1. September 2024 vom Landtag umgesetzt werden kann.

Denn der Gesetzentwurf wird als nächstes von den Landtagsabgeordneten beraten. Im Parlament werden auch noch einmal die Verbände wie der Bauernverband und die AbL angehört. Für die Verabschiedung des Gesetzes braucht die rot-rot-grüne Minderheitsregierung aber definitiv Stimmen von CDU oder FDP.

Kritik von der Opposition

Die Opposition reagierte mit Kritik auf die geplante Reform des land- und forstwirtschaftlichen Grundstücksrechts. "Staatliche Eingriffe oder gar die Verhängung von Bußgeldern bergen immer die Gefahr, rechtlich auf tönernen Füßen zu stehen", erklärte der agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Marcus Malsch. Die AfD-Fraktion sieht ebenfalls noch viele Fragezeichen. Beide Fraktionen verwiesen auch auf das Gutachten des Bauernverbandes.

Sachsen ebenfalls mit Gesetzentwurf

Auch in anderen ostdeutschen Bundesländern laufen momentan politische Bemühungen, um in die Agrarstruktur einzugreifen. In Sachsen liegt beispielsweise bereits ein Agrarstrukturgesetz-Entwurf beim Landtag, um weiter beraten zu werden.

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MDR (whe/dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 28. November 2023 | 17:00 Uhr

6 Kommentare

martin vor 21 Wochen

Bei eigenem Grund haben Sie Recht. Allerdings geht es i.d.R. um Privatland. Und sicher darf der Staat im Rahmen des Grundgesetzes Regelungen erlassen. Es könnte aber sein, dass die Befugnis dafür in D beim Bund und nicht beim Land liegt.

steka vor 21 Wochen

Davon ist Sachsen Anhalt weit entfernt, da wird fructbares Ackerland in Bauland für Industrieparls oder ausländische Großinvestoren umgewandelt, noch dazu Steuergelder verschenkt, die woanders drigend gebrauch würden.

pepe79 vor 21 Wochen

Stimmt aber auch in Neuseeland dürfen Privateigentümer nicht ohne weiteres große Flächen (ab einer bestimmten Größe) an audländische Investoren verkaufen. Da sagt der Staat dann dort Stop bzw prüft ob es im Interesse des Staates Neuseeland ist.

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