Landwirtschaft Investoren kaufen Ackerflächen vor allem in Ostdeutschland

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
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Seit einigen Jahren kaufen Großinvestoren Landwirtschaftsbetriebe, denen viel Ackerland gehört – und stellen dort zum Beispiel Solaranlagen drauf. Gerade in Ostdeutschland nimmt diese "Landübernahme durch die Hintertür" durch Investoren zu. Die Politik ist alarmiert. Agrarwissenschaftler Andreas Tietz vom Thünen-Institut plädiert für eine Reglementierung der Großinvestoren.

Mehrere Solarfelder stehen auf einer hügeligen Wiese, dahinter stehen Häuser.
Immer mehr Großinvestoren kaufen Ackerflächen, zum Beispiel für Solaranlagen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Für Tobias Lemm war es ein Traum. Der Landwirt wollte einen Agrarbetrieb kaufen: die Röderland in Brandenburg – 2.500 Hektar, Kühe, Biogasanlage. Lemm wollte mit Frau und Kind hinziehen, einen Hofladen betreiben. Doch keine Woche nach seinem finalen Angebot erfuhr er: Ein Immobilienkonzern würde wohl rund zwei Millionen Euro mehr bezahlen als er – die Leipziger Quarterback AG.

Für Tobias Lemm ein herber Schlag: "Man ist da sehr, sehr enttäuscht. Weil: Wenn Sie gegen einen anderen Landwirt im Bieterverfahren verlieren, dann ist das so. Aber gegen einen Projektentwickler? Ich bitte Sie! Ich musste mich ja vorstellen und musste die Hosen runterlassen, wer ich bin. Warum waren die nicht schon vorher mal da und haben sich gezeigt? Na ja, wahrscheinlich damit man den Behörden nicht zeitlich Vorlauf gibt, hier einen Riegel vorzuschieben, denke ich mal."

Durch Anteilskäufe wird Ackerland immer teurer

Tatsächlich kaufen agrarfremde Investoren vermehrt ostdeutsche Landwirtschaftsbetriebe. Zu den Käufern gehören etwa die Lukas-Stiftung von Aldi und die Rückversicherung Munich Re. Auch wenn detaillierte Zahlen fehlen, bereite ihm der anhaltende Trend Sorgen, sagt Reiko Wöllert, Thüringer Milchbauer und Vize der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.

Ein großes Problem bei den Anteilskäufen sei, dass die Bodenpreise enorm steigen, sagt er. "Innerhalb von zehn Jahren um das Vierfache. Für uns als Bauern und Bäuerinnen ist Boden ein Produktionsmittel. Also sollte es möglich sein, den zu kaufen und innerhalb von wenigen Jahrzehnten abzubezahlen. Das ist vielerorts gar nicht mehr möglich, weil man so viel Geld mit Landwirtschaft gar nicht verdienen kann." Aktiengesellschaften hätten hingegen ausreichend Geld, sagt Wöllert.

Deren Agrarkäufe schadeten auch den Gemeinden. Denn Steuern fielen dann nicht mehr vor Ort an sondern am Konzernsitz. Thüringens Landwirtschaftsministerin Susanna Karawanskij will deshalb strengere Regeln. Sie hat ein Agrarstrukturgesetz vorgelegt. Demnach müssen Käufe künftig angezeigt werden – und könnten auch untersagt werden. "Es ist tatsächlich unsere Aufgabe als Politik, dass wir unseren lokalen Agrarbetrieben den Zugang zu ihren wichtigsten Produktionsgut ermöglichen."

Die Thüringische Landwirtschaft sei überwiegend von regional verankerten Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben geprägt. Genauso natürlich auch von Agrargenossenschaften. Und diese vor allem historisch gewachsene Landwirtschaftsstruktur, die wolle man bewahren, erklärt die Landwirtschaftsministerin.

Agrarwissenschaftler: Käufe sollten reglementiert werden

Ob das Gesetz eine Mehrheit findet, ist offen. In Sachsen und Sachsen-Anhalt sind vergleichbare Vorstöße gescheitert. Einige Landwirte befürchten, dass sie ihren Betrieb im Alter nicht mehr an den Meistbietenden verkaufen dürfen. Und manche Großinvestoren zeigen sich durchaus bauernnah – auch die Leipziger Quarterback. Der Immobilienkonzern schreibt, man wolle nach dem Röderland-Kauf keineswegs nur Solaranlagen aufstellen.

Die Rolle der Landwirtschaft auf dem Gelände wird sogar steigen und vor allem langfristig gesichert – ebenso wie der Fortbestand der regionalen Wirtschaftsstrukturen. Das Thema sei vielschichtig, resümiert Andreas Tietz. Der Wissenschaftler berät am Thünen-Institut die Bundesregierung.

Unterm Strich würde auch er die Käufe von Agrarbetrieben reglementieren: "Es gibt so die Befürchtung, wenn das erstmal so eine große Aktiengesellschaft hat, dann ist das schnell in internationalen Händen." Landwirtschaftsfläche sei auch immer noch Grundlage der Ernährungssicherung der Bevölkerung. Dass Landwirtschaftsfläche in Deutschland erhalten bleibe, um Nahrungsmittel zu erzeugen, das sei natürlich extrem wichtig.

Tietz plädiert dafür, die Übernahmen statistisch zu erfassen. Im Zweifel solle ein Landwirt das Vorkaufsrecht erhalten. Dann wäre, bei der Röderland, Tobias Lemm zum Zuge gekommen. So aber sucht der Brandenburger nach einer neuen Chance.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde aufgrund einer juristischen Auseinandersetzung verändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 22. März 2023 | 06:00 Uhr

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