Corona Soforthilfe des Bundes
Mit einer Befragung soll herausgefunden werden, ob Corona-Soforthilfen zu recht an Unternehmen ausgezahlt worden sind. Bildrechte: IMAGO / Eibner

Pandemie-Hilfe Corona-Soforthilfen auf dem Prüfstand - Aufbaubank verschickt 17.500 Briefe

22. Juni 2022, 05:00 Uhr

Haben Gewerbetreibende im Freistaat die Corona-Soforthilfen des Bundes zu Recht erhalten? Das prüft aktuell die Thüringer Aufbaubank. Viele Unternehmer sind verunsichert, es drohen Rückzahlungen.

17.500 Corona-Soforthilfe-Empfänger im Freistaat haben Post von der Thüringer Aufbaubank bekommen. Abgefragt wird, ob die Gewerbetreibenden die Bundeshilfen eins und zwei ab April 2020 in Höhe von bis zu 9.000 Euro zu Recht bekommen haben. Die Thüringer Aufbaubank handelt dabei nach eigenen Angaben als Bewilligungsstelle im Auftrag des Bundes.

Viele Unternehmer sind verunsichert

Der erste Schwung Briefe wurde im November 2021 verschickt, der Rest folgte seit Mai dieses Jahres - nach Branchen sortiert. "Ist ihr Unternehmen durch die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 tatsächlich in eine wirtschaftliche Schieflage geraten?" Das ist die zu klärende Frage - mehr als zwei Jahre nach der Antragsbewilligung. Eine solche Liquiditätsnachschau war ursprünglich nicht kommuniziert worden, heißt es von den Industrie- und Handelskammern in Erfurt und Gera.

Viele Unternehmer seien verunsichert, einige frustriert. So gehen bei der Thüringer Aufbaubank nach deren Angaben täglich bis zu 600 Anrufe ein. Von einem "kommunikativen Spagat" ist da die Rede. Schwarze Schafe suchen - ja. Gewerbetreibende pauschal verurteilen - nein. Die Thüringer Aufbaubank ist verpflichtet, die erhobenen Daten an die Finanzämter weiterzuleiten. Was dort mit den Daten geschehe, wisse man nicht, hieß es weiter.

Wegen Corona zum Nichtstun aufgefordert

Liquiditätsengpässe, Überkompensation - Wörter, die so manche Emotionen hochkochen lassen bei Friseuren, Gastronomen oder Schaustellern. Wegen der Corona-Pandemie mussten sie schließen, wurden zum Nichtstun aufgefordert - vom Staat. Manche sechs Wochen, manche sieben - einige noch länger.

Schausteller klagen über Reparaturkosten für ihre lange Zeit ungenutzten Fahrgeschäfte, auf denen sie womöglich sitzen bleiben, weil diese doch nicht von der Corona-Sofort-Hilfe beglichen werden durften. Kleine Backshops, die weder Feiern noch Gaststätten mit Kuchenplatten beliefern konnten, haben zum Teil Privatvermögen in ihre Geschäfte gesteckt, damit sie nicht schließen müssen. Ein Fehler, der nun mit Rückzahlung "bestraft" wird? Es sind viele Fragen offen.

Corona-Hilfezahlungen auf dem Prüfstand

Geschlossene Türen hieß im Frühjahr 2020 oft auch keine Einnahmen. Manchen half die Kreativität. Bei allen ging das aber nicht. Gastronomen boten Speisen "to go" an. Doch was macht der Wirt einer Bierkneipe? Schales Bier zum Mitnehmen? Keine Alternative für Ulf Bechstein aus Arnstadt.

Wir wissen am Ende gar nicht, wofür wir bestraft werden. Wir haben eine Hilfe bekommen und jetzt fordert man Geld zurück.

Ulf Bechstein Gastronom aus Arnstadt

Auch er hatte die Corona-Hilfe im April 2020 beantragt und bewilligt bekommen. Nun - mehr als zwei Jahre später - bekam auch er Post von der Thüringer Aufbaubank. Die ihm ausgezahlten 4.000 Euro stehen auf dem Prüfstand. Doch was genau er da abrechnen soll, ist ihm noch immer unklar.

"Man lässt uns hängen. Wir wissen am Ende gar nicht, wofür wir bestraft werden. Wir haben eine Hilfe bekommen und jetzt fordert man Geld zurück. Aber keiner weiß so richtig, auf welcher Berechnungsgrundlage das erfolgt." Hilfe holt er sich nun bei der Industrie- und Handelkammer Südthüringen. Dort gingen bisher 30 Anfragen ein. In Erfurt und Gera waren es etwa 25. Überall werden es täglich mehr, heißt es.

Friseure und Kosmetiker müssen Hilfen zurückzahlen

Besonders betroffen von Rückzahlungen sind laut Thüringer Aufbaubank Friseure und Kosmetiker. Als sie wieder öffnen durften, haben sie zum Teil von früh am Morgen bis Mitternacht gearbeitet, um alle Kunden glücklich zu machen. Endlich keine Corona-Frisur mehr und keine schief gezupften Augenbrauen oder Pickel von der Corona-Maske. Doch dieses Engagement für die Kunden fällt ihnen nun auf die Füße.

Denn dadurch haben sie am Ende des Berechnungszeitraumes, der jetzt überprüft wird, so viel Umsatz gemacht, dass sie die Hilfen fast immer komplett zurückzahlen müssen. Weniger persönlicher Einsatz und Leidenschaft würden jetzt weniger Stress bedeuten. Erst Existenzängste und nun die nächsten Sorgen. Schlimmstenfalls droht eine Anzeige wegen Subventionsbetruges. Aber, so die Thüringer Aufbaubank, bevor es zu diesem Schritt käme, würde man immer erst noch einmal miteinander sprechen.

Unternehmer müssen von Rücklagen leben

Der eigene Unternehmerlohn oder die Krankenkassenbeiträge durften übrigens laut Schreiben der Thüringer Aufbaubank an die Gewerbetreibenden nicht mit den Corona-Soforthilfen bezahlt werden. Viele Unternehmer sprechen offen darüber, dass sie von ihren Rücklagen leben mussten, die eigentlich fürs Alter gedacht waren.

Auch Ulf Bechstein kennt solche Fälle. "Es ist auf eine gewisse Art und Weise eine stille Enteignung. Es ist das, was wir fürs Alter zurückgelegt haben. Damit muss man momentan leben. Jeder kann nur versuchen, dass sein Geschäft wieder läuft und dass er ein kleines bisschen von dem, was man in sein Geschäft aus dem privaten Vermögen reingesteckt hat, wieder rausbekommt." Dabei geht es derzeit nur um die Hilfen aus dem Frühjahr 2020.

Es ist auf eine gewisse Art und Weise eine stille Enteignung.

Ulf Bechstein Gastronom aus Arnstadt

Er musste, wie viele andere auch, ja noch einmal schließen. Ganze sieben Monate. Werden diese Hilfen dann auch nochmal geprüft? Bechstein kann seine Sorgenfalten nicht verbergen. Und er gibt zu bedenken, dass schon jetzt bei Freiberuflern wie Künstlern oder Einzelunternehmern nicht viel zu holen ist:  "Das sind Leute die ihren Job gerne machen, die nun aber auch nicht wissen, wie sollen sie das, was sie ja wahrscheinlich ausgegeben haben, jetzt wieder zurückzahlen. Wie wollen sie das machen? Es ist ja nicht so, dass jeder der ein Geschäft hat, am Monatsende was übrig hat."

Elf Verfahren gegen Soforthilfeempfänger in Thüringen

Während die Steuerberater bei den Anträgen für die Corona-Soforthilfe noch geholfen haben, lehnen sie jetzt die Hilfe immer häufiger ab. Recherchen von MDR THÜRINGEN haben ergeben, dass das an der Angst vor Klagen liegt, deren Kosten von der eigenen Haftpflichtversicherung womöglich nicht übernommen werden. Im Raum stünde schlimmstenfalls der Verdacht der Hilfe zur Steuerhinterziehung, ist zu hören. 

Laut Thüringer Aufbaubank sind derzeitig in Thüringen elf Verfahren gegen Soforthilfeempfänger anhängig, wegen unrechtmäßig ausgezahlter Corona-Soforthilfen. Das sei weniger als im Bundesvergleich. Ein Grund dafür könnte sein, dass in Thüringen gründlicher geprüft wurde bei der Antragsbewilligung. Es habe auch freiwillige Rückzahlungen der Hilfen gegeben, heißt es. Das zeige die hohe Moral der Thüringer Unternehmer.

Hinter vorgehaltener Hand hört man aber auch, dass es eher die Kleinen treffe als die Großen, wenn es um Rückzahlungen geht. Den Unternehmern wurden Fristen gesetzt. Diese sind laut IHK Südthüringen oft nicht einzuhalten. Die IHK Südthüringen empfiehlt deshalb rechtzeitig, eine Fristverlängerung bei der Thüringer Aufbaubank zu beantragen.

Dies könne unter Angabe der sogenannten Vorhabensnummer unter den angegebenen Kontaktdaten erfolgen. Auch noch mal gut zu wissen, so die Thüringer Aufbaubank: Die angeschriebenen Soforthilfeempfänger müssen nach Überprüfung des Liquiditätsengpasses lediglich das Ergebnis im Online-Formular angeben. Also liegt eine Überkompensation vor - ja oder nein. Bei nein muss der Rückzahlungsbetrag benannt werden. Eine Zusendung von Unterlagen sei nicht erforderlich.

Mehr zu Folgen der Corona-Pandemie

MDR (jn,cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 22. Juni 2022 | 07:00 Uhr

9 Kommentare

Anni22 am 22.06.2022

@ Logik Bis heute verstehe ich einfach nicht, warum die Hilfen nicht über das Finanzamt gelaufen sind, jeder Selbständige muss ja da gemeldet sein. Es wäre zumindest mal möglich gewesen zu prüfen ob die "Firma und Antragsteller" überhaupt bekannt sind und schon jemals Steuern gezahlt hat. So dürften viel Gelder (bundesweit, das ist kein thüringer Problem) zu unrecht kassiert und auf nimmerwiedersehen verschwunden sein. Leider. Es geht ja nicht darum, die berechtigten Ansprüche zurück zu holen.

martin am 22.06.2022

Falsche Adressen zu Kontonummern? Dann hätte wohl auch die Bank geschlafen. Bei Konteneröffnung wird doch ein entsprechendes Ausweisdokument gefordert - oder nicht mehr?

Zu Ihrer "Pro-Putin-Propaganda", die sich ja nicht nur hier widerspiegelt, schreibe ich lieber nicht mehr als diesen Satz.

Freies Moria am 22.06.2022

Und dieses Land wirft Putin vor, vertragsbrüchig zu sein...
... während es seinen eigenen Unternehmen eine Hilfe auf Basis der aktuellen Einschätzung zahlt und dann im Nachhinein zurückfordert weil die Umstände - wohlgemerkt durch Entscheidungen der Regierung - dann doch anders waren.
Ich frage mich angesichts dieser Sachlage, wie schlimm die Lage tatsächlich ist, damit unsere Regierung zu solch verzweifelten Maßnahmen des Geldeintreibens greift.
Denn: Die Hilfen sind voll versteuerbar. Wenn der Unternehmer überraschend Plus gemacht hat, gehen 50% direkt wieder zurück an den Staat.
Und: Die kriminellen Anträge, die von vornherein falsche Angaben gemacht haben, oder falsche Adressen zu ihren Kontonummern angaben, die müssen nichts zurückzahlen, da man diese Leute jetzt gar nicht prüfen kann.

Mehr aus Thüringen

Drei Menschen rollen in der Innenstadt von Suhl einen großen grünen Teppich aus 1 min
Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk
1 min 26.04.2024 | 20:37 Uhr

In der Fußgängerzone in Suhl wurde dazu ein grüner Teppich ausgerollt. Das Stadtmarketing will damit Einwohner und Gäste auffordern, häufiger in die Innenstadt zu kommen.

Fr 26.04.2024 19:21Uhr 00:26 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/sued-thueringen/suhl/video-teppich-innenstadt-gruen-aktion-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video