Agrarstruktur Was ist ein Flurbereinigungsverfahren?
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30. November 2023, 18:49 Uhr
Mit bunten Bildchen versucht das Thüringer Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation das Thema Flurbereinigung verständlich zu machen. Doch es bleiben offenbar viele Fragezeichen.
Die Angelegenheit ist komplex. Landwirte strahlen bei dem Thema eine wissende Entspanntheit aus, Grundstückseigentümer in betroffenen Gemeinden, vor allem erst vor wenigen Jahren zugezogene Häuslebauer, sitzen mitunter ratlos vor mehrseitigen Schreiben. Darin wird zur Informationsveranstaltung eingeladen, der Flurbereinigungsplan werde offengelegt, gemäß Paragraf 59 Absatz 1 des Flurbereinigungsgesetzes. Einspruch ist beim Anhörungstermin möglich und man kann im Verfahren verschiedene Rollen einnehmen, wie zum Beispiel Eigentümer, Inhaber von Rechten an Grundstücken oder "Landempfänger im neuen Bestand". Wozu das alles?
Flurbereinigung in Ortschaften
Über die Jahre ist in vielen Dörfern so einiges eingerissen. Hier rutschte mal der Zaun ein wenig in Richtung Straße, dort stehen Häuser im hinteren Bereich, erreichbar über einen Privatweg mit Wegerechten. Auch viele Vorgärten sind häufig auf Flächen entstanden, die eigentlich gar nicht zum Grundstück gehören. Und die DDR-Altlast, die Trennung von Hauseigentum und Grundstückseigentum, ist auch noch längst nicht überall beseitigt. Schlimmer noch, unsere Katastersysteme sind nicht immer auf dem neuesten Stand oder gar unzureichend.
Wir haben in Thüringen verschiedene Katastersysteme und vor allem das preußische Kataster ist in vielen Ortslagen schlicht unzureichend.
Meistens entsteht in den Gemeinden selbst der Wunsch, hier einmal so eine Art Inventur durchzuführen. Zum Beispiel dann, wenn die Streitigkeiten zunehmen. Aufgrund der Vielzahl der Betroffenen ist es hilfreich, dass es vom Gesetzgeber festgelegte Regeln gibt. Die Flurbereinigungsbehörde leitet das Verfahren, das zu Befriedung führen soll.
Sie lädt also ein, klärt die Ziele und letztlich auch finanzielle Folgen und die Bereitschaft der Grundstückseigentümer. Die werden zur "Teilnehmergemeinschaft", wählen einen Vorstand und dieser einen Vorsitzenden. Am Ende werden im Rahmen der sogenannten Bodenordnung Grundstücksgrenzen angepasst, Flächen getauscht und Werte ausgeglichen. Der Flurbereinigungsplan inklusive Listen, alten und neuen Karten und schriftlich verfassten Regeln ist dann letztlich das Ergebnis des meistens Jahre dauernden Prozesses.
23 Jahre Flurbereinigung in Sickerode im Kreis Eichsfeld
Die Gemeinde Sickerode hat rund 150 Einwohner und eine Tallage. 1965 und 1981 trat das Flüsschen Rode über die Ufer. Zum Hochwasserschutz wurde die Rode teilweise verbreitert, teilweise verlegt und das betraf natürlich diverse Grundstücke und ihre Eigentümer. Auch innerorts gab es Nutzungskonflikte und es wurde Zeit für den großen Wurf.
Dass die Sickeröder Flurbereinigung zu einer Generationenaufgabe wurde, lag auch daran, dass nicht nur auf dem Papier neue Linien gezogen wurden, sondern auch mit Hilfe von Fördermitteln Straßen und Plätze neu gestaltet und Fassaden und Einfriedungen saniert wurden. 238 Parteien waren an dem Verfahren beteiligt, aus 396 Flurstücken wurden am Ende 256 und alles lief überraschend friedlich und gesittet ab, obwohl das Konfliktpotential groß ist. Denn bei Besitz geht es auch immer um Geld.
Ein junger Feuerwehrmann überreichte am Ende den Verfahrensbeteiligten eine kleine Erinnerung mit einem Dank, und sagte, dass wir den "Zores" [= Ärger], den ihr früher gehabt hattet, nicht mehr miteinander austragen müssen.
Denn machen wir uns nichts vor, Grundstücksstreitigkeiten sind oft der Ausgangspunkt für Zerwürfnisse, die Generationen überdauern können.
Von Feldern, Fluren und Autobahntrassen
Den meisten Landwirten dürfte ein Flurbereinigungsverfahren schon einmal begegnet sein. Mitunter mehrfach. Sie besitzen große Flächen, ganze Landschaften, die von Gewässern durchzogen sind, und von Wegen und Straßen zerschnitten. Natürlich gehört die Straße in der Regel der öffentlichen Hand, bei Flüssen wird es schon komplexer und den Hochwasserschutzanlagen am Ufer auch. Erben, bauen, umverlegen, begradigen - das alles sind Dinge, die die Nutzung, aber auch die Eigentumsfragen berühren. Und eine neue Umgehungsstraße, Autobahn oder Schnellbahntrasse sowieso.
Auch Hochwasserschutzanlagen wie Dämme oder Wasserspeicher brauchen viel Platz. Und der war zuvor oft Ackerfläche, die zum Beispiel die Geschäftsbasis von Agrargenossenschaften ist. Übertrieben gesagt kann eine Genossenschaft durch ein geplantes Vorhaben einen großen Teil ihrer Ackerflächen verlieren. Um das zu verhindern, wird der Landverlust schon vor dem Bau durch ein Flurbereinigungsverfahren ausgeglichen.
Nach dem Motto: "Alle geben ein bisschen" werden die Flure letztlich neu aufgeteilt und die Beteiligten auch entschädigt. Dass das nicht immer reibungslos verläuft, ist logisch. Aber die Alternativen zu einem geordneten Verfahren wirken auch nicht überzeugend: Das Recht des Stärkeren haben wir hinter uns gelassen. Nichts mehr zu bauen, wäre eine auch nicht so erbauliche Möglichkeit und einfach alles die Gerichte entscheiden zu lassen, würde auch nicht viel bringen. Denn die drängen gewöhnlich auch auf Vergleiche und genau das steckt ja im Kern eines Flurbereinigungsverfahrens.
MDR (dvs/thk)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 30. November 2023 | 16:40 Uhr