
FAQ Die Kirche im Radio - von externen Sendeplätzen und kontroversen Meinungen
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24. Januar 2025, 18:29 Uhr
Die Sendetermine sind wie in Stein gemeißelt bei MDR THÜRINGEN - Das Radio. Um 6:20 und 9:20 Uhr gibt es das "Augenblick mal" zum Start in den Tag und als "Betthupferl" abends kurz vor dem Schlafengehen. Den Eindruck einer "Andacht" oder "Predigt" wollen die Autoren eigentlich vermeiden. Ein kritischer Umgang mit den geäußerten Meinungen hingegen ist ausdrücklich erwünscht. Aber warum findet eigentlich Kirche im Radio statt? Diese und andere Fragen klärt unser MDR-Redakteur Thomas Becker.
Inhalt des Artikels:
- Warum sendet MDR THÜRINGEN täglich christliche Worte im Radio?
- Gibt es diese kirchlichen Sendeplätze überall in Deutschland und seit wann?
- Gab es solche Sendungen auch in der DDR?
- Wer legt die Inhalte von "Augenblick mal" fest?
- Welche Ausbildung haben die Autoren?
- Welche Vergütung erhalten die Autoren?
- Warum ist der Sendeplatz weiterhin relevant?
- Wie wird mit Kritik umgegangen?
Warum sendet MDR THÜRINGEN täglich christliche Worte im Radio?
"Augenblick mal" ist ein besonderer Sendeplatz im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, der den Kirchen auf Grundlage des Medienstaatsvertrags zur Verfügung gestellt werden muss. Die Beiträge sind keine journalistischen Formate, sondern Inhalte, die von den Kirchen eigenverantwortlich gestaltet werden. Vergleichbar ist dies mit der Regelung für Wahlwerbung der Parteien, die für Wahlwerbespots verantwortlich sind. Bei "Augenblick mal" und den "Gedanken zur Nacht" bestimmen die Kirchen den Inhalt, die Sender bieten den Rahmen.
Gibt es diese kirchlichen Sendeplätze überall in Deutschland und seit wann?
Die Ursprünge solcher kirchlichen Sendungen gehen weit zurück. Bereits mit der Entstehung des Radios in den 1920er-Jahren waren kirchliche Stimmen ein fester Bestandteil der Programme. Damals gehörte der Großteil der Bevölkerung der Kirche an und die Existenz religiöser Beiträge wurden kaum hinterfragt. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg etablierten die Alliierten erneut solche Sendeplätze, um den gesellschaftlichen Dialog zu fördern.
Bis heute sind sie fester Bestandteil in allen ARD-Sendern, regional oft unterschiedlich gestaltet - mal im Dialekt, mal mit Originaltönen und Musik. Ulrike Greim ist seit 1. Oktober 2024 neue Senderbeauftragte der vier evangelischen Landeskirchen im Gebiet des Mitteldeutschen Rundfunks. Sie sagt: "Das ist ein Fenster zum Himmel - ein kleiner Raum, um christliche Themen in die Lebenswelt der Menschen zu bringen."
Gab es solche Sendungen auch in der DDR?
Es gab sie, den Auftrag dafür bekam Professor Heinz Wagner von der Russischen Kommandantur 1947 und so gab es jeden Sonntag um 7:30 Uhr evangelische Morgenfeiern über die Lebenszeit der DDR. Nun könnte man erwarten, dass Zentralkomitee und Stasi quasi in Stereo den Stift geführt haben. Doch dem sei nicht so gewesen, erzählt der Sohn von Heinz Wagner, Christhard Wagner. Er ist Theologe, Oberkirchenrat und Vorsitzender der Landesgruppe Thüringen im Rundfunkrat des MDR. "Ich habe ihn einmal gefragt, wie oft sein Manuskript kassiert worden ist. Da hat er mir gesagt, dass das nie der Fall gewesen ist. Er hat es auch nicht einreichen müssen."
Trotzdem dürfte die Schere im Kopf eine Rolle gespielt haben, so Christhard Wagner. Weil die Predigten aber größtenteils erhalten geblieben sind, ist eine Bewertung heute noch möglich. Christhard Wagner betont: Sein Vater hat deutlich gesprochen und das Gewicht auf das Seelsorgerische gelegt, also die Menschen angesprochen, die dafür empfänglich waren. "Insofern gibt es eine gewisse Verbindung zu dem, was heute läuft."
Wer legt die Inhalte von "Augenblick mal" fest?
Die Verantwortlichkeit für den Sendeplatz rotiert zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche sowie den Freikirchen in Thüringen. Die Beiträge sind so vielfältig wie ihre Autorinnen und Autoren. Ziel ist es, christliche Werte in einer zugänglichen und lebensnahen Weise zu vermitteln.
Jeder Beitrag hat eine persönliche Handschrift, die auf individuellen Erfahrungen, Lebensbeobachtungen und Reflexionen basiert. Die Pressereferentin des Bistums Erfurt, Andrea Wilke, sagt: "Ich möchte aus Alltagsgeschichten, die jeder von uns erlebt, etwas herausgreifen, um den Himmel ein Stück weit zu öffnen. Es geht mir nicht darum zu belehren, sondern an die Erfahrungen der Menschen anzuknüpfen."
Auch Anne-Christin Martz, Vertreterin der Freikirchen, sieht die Stärke in der Verbindung des Alltags der Menschen zu ihrem Glauben. Sie möchte den Zuhörern einen positiven Anreiz geben für den Start in den Tag. Gerade morgens, wenn viele den Tag beginnen, kann ein positiver Impuls helfen. "Ich schöpfe aus meinem christlichen Glauben Liebe, Hoffnung und Geduld. Und ich möchte ein wenig davon weitergeben", so Martz.
Am Ende kommt über die Sendewochen eines Jahres eine Themenvielfalt heraus, die das Leben in Thüringen reflektiert. Dazu gehören auch die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit wie Rassismus, Klimawandel oder soziale Gerechtigkeit. Ralf-Uwe Beck von der evangelischen Kirche hat es sich zur Aufgabe gemacht, Probleme zu benennen und zu mahnen, wenn eine Debatte aus seiner Sicht zu oberflächlich geführt wird.
Zum Beispiel kennt er Flüchtlingslager wie die in Jordanien aus eigenem Engagement und auch die Flüchtlingsursachen, die in unserer Debatte aus seiner Sicht zu kurz kommt. Beck sagt: "Wenn wir christliche Werte vermitteln wollen, dann bedeutet das, uns auf die Seite der Schwächsten zu stellen. Es geht darum, das Evangelium in den Kontext der aktuellen Welt zu bringen - auch wenn das manchmal unbequem ist."
Welche Ausbildung haben die Autoren?
In der Regel haben die Autoren keine spezielle Ausbildung für das Radio. Einige darunter sind Theologen, aber in der Summe bilden sie die Vielfalt der oft auch ehrenamtlichen Mitarbeiter der christlichen Einrichtungen ab, die es in Thüringen gibt. Damit die Qualität der Beiträge den Ansprüchen des Rundfunks gerecht wird, würden die Autoren umfassend geschult, weiß die Senderbeauftragte Ulrike Greim: "Neben Sprechtraining und Dramaturgie legen wir besonderen Wert darauf, dass die Autoren ihre Zielgruppe verstehen. Sie sollen wissen, für wen sie antreten und welche Themen die Menschen bewegen."
Besonders wichtig ist es den Kirchen, einen direkten Bezug zur Lebenswelt der Hörer herzustellen. Dieses Konzept sorgt dafür, dass neue Sprecher gut vorbereitet in ihre Rolle hineinwachsen und sich kontinuierlich weiterentwickeln können.
Welche Vergütung erhalten die Autoren?
Es gibt kein Honorar, nur eine Aufwandsentschädigung, denn die Autoren müssen für die Aufzeichnungen in eines der MDR-Studios fahren und das oft mehrfach in der Woche und mitunter auch wiederholt, wenn es die Aktualität erfordert. Die Entschädigung liegt pro Tag im mittleren zweistelligen Bereich.
Warum ist der Sendeplatz weiterhin relevant?
Kirchliche Beiträge bieten eine Perspektive, die über rein journalistische Berichterstattung hinausgeht. "Augenblick mal" und auch die abendlichen die "Gedanken zur Nacht" sind meinungsbasiert, sollen Orientierung geben, gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und auch unbequeme Wahrheiten ansprechen.
In einer Zeit, in der soziale Fragen oft in den Hintergrund geraten, sind diese Stimmen wichtiger denn je. Ein zentrales Anliegen ist es, die Vielfalt christlicher Perspektiven aufzuzeigen. Ulrike Greim meint: "Es ist ein Dienstleistungscharakter: Wir sollen Orientierung geben und einen Satz aussprechen, der heute gesagt gehört."
Wie wird mit Kritik umgegangen?
Die Kirchen verstehen "Augenblick mal" nicht als Einbahnstraße. Sie suchen den Dialog und schätzen Rückmeldungen, auch wenn diese kritisch sind. Voraussetzung dafür ist jedoch eine respektvolle Gesprächskultur. Persönliche Angriffe oder Beleidigungen, so erschütternd sie sein mögen, halten Autoren wie Ralf-Uwe Beck nicht davon ab, unbequeme Wahrheiten auszusprechen: "Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der wir den Mund nicht mehr aufmachen können. Auch wenn es manchmal wehtut, ist der Dialog essenziell."
MDR (thk)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 24. Januar 2025 | 16:40 Uhr
MDR-Team vor 5 Wochen
@MAENNLEiN-VON-DiESER-WELT, die nächste öffentliche Sitzung des MDR-Rundfunkrates findet voraussichtlich am Montag, den 10. Februar 2025 statt. Allerdings befindet sich der Tagungsort nicht in Thüringen. Die Sitzungen werden in Leipzig abgehalten. Es sind weitere Sitzungstermine geplant, welche Sie in folgendem Artikel nachlesen können: https://www.mdr.de/mdr-rundfunkrat/sitzungen/information-termine-oeffentliche-tagung-einladung-102.html. Wir freuen uns sehr, von Ihren Erfahrungen zu hören.
MAENNLEiN-VON-DiESER-WELT vor 5 Wochen
… und dann ist da noch dieses unbegreifliche Wort: „Medienstaatsvertrag“ !
Ja, klar, Medien und Staat
gehören „irgendwie“ dazu in einer freien Gesellschaft, die sich einen gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einer Drei-
Länder-Medien-Anstalt „leistet“, die zunehmend in die Kritik und
unter Druck gerät und im Wettbewerb mit den privaten Anbietern
um die Gunst der zahlungskräftigen Nutzer steht, das aber
aushalten und bestens mithalten kann.
Eine „Staatskirche“
gibt es auch im Rundfunk und im mdr-
Fernsehen nicht …. ! ( vgl . Artikel 140,
Grundgesetz )
… und wer nun laut nach der Kündigung dieser Staatsverträge und nach
der Abschaffung der Gebühren schreit, der möge es mal besser machen
und Vorschläge einbringen, wie in Zukunft auch Menschen ohne Geld-
beutell teilnehmen können an diesem Medien-Staats-Vertrag,
der für alle Bürger gilt — egal, ob mit oder ob ohne
„Zugangsberechtigung“ oder mobiles zum Rundfunk-
und Fernseh-Empfang taugliches
„Endgerät“ .
MAENNLEiN-VON-DiESER-WELT vor 5 Wochen
Kirche und Radio und Fernsehen und die „neuen“ Medien ???
Zugegeben : es gab Zeiten, in denen hörte ich ständig diese Botschaften und begriff den Sende-Auftrag eben auch als Verbreitung des Evangeliums und gar
nicht mal so sehr des missionarischen Eifers wegen, den Kirche längst verloren
hat…
Ich schätze ihn im Übrigen sehr, den Herrn OKR, der der Landesgruppe Thüringen im MDR-Rundfunkrat vorsitzt, auch, wenn ich bislang noch
nie die Chance hatte, in eine der Thüringer Sitzungen ( wann und
wo finden die eigentlich öffentlich statt ? ) eingeladen zu werden …
Ja, die Kirche(n) und die Medien
sind schon ne coole Sache — und Radio Vatikan
sendet ja schließlich auch: täglich. Rund um die Uhr.
Warum also nicht auch die Kirchen Mittel-Deutschlands im Heimatsender, jetzt,
wo die christ-demokratische „Heimat“partei wieder den „König von Thüringen“
stellt und immer noch Menschen ausgegrenzt werden — von der christlichen
Gemeinschaft im 7.Thüringer Landtag und von der Ökumene dort…?!