Arafats Thüringer "General" - Wo ist Udo Albrecht? Im Visier von Interpol

31. März 2019, 05:00 Uhr

Seit 1967 wird Albrecht von Interpol gesucht. Ihm wird vorgeworfen, ein internationales Netz von Autodieben und Schiebern aufgezogen zu haben. Die Bande soll sich auf schwere Luxuswagen spezialisiert haben. Nach späteren Angaben Albrechts hat das Autoschieber-Netzwerk einen politischen Hintergrund. Es sei darum gegangen, Geld für seine "Organisation" zu beschaffen. Seit 1968 sei er der Leiter eines antizionistischen "Freikorps". Der "Organisation" würden zehn bis 20 Personen angehören. Hauptsitz sei ein gestohlener Wohnwagen in Larochette (Luxemburg). Am 15. März 1968 wird er als "Jochen Fromm" am Nordrand der Eifel, in Düren, festgenommen. Die Ermittler haben laut Lokalzeitung "einen 'Tip' von nicht genannter Seite" erhalten. Später erklärt Albrecht, er sei "durch Verrat eines Geheimpolizei-Spitzels" bei einem "politischen Geheimtreffen" verhaftet worden. Bei seiner Festnahme zieht Albrecht eine Pistole, kann aber von drei Beamten überwältigt werden.

Nach seiner Festnahme wird Albrecht erkennungsdienstlich behandelt: Er wird fotografiert und seine Fingerabdrücke werden genommen. Später sind die Bilder Teil der Interpol-Fahndung. Bei den weiteren Ermittlungen entdecken die Beamten auf einem Campingplatz in Luxemburg in einem Wohnwagen eine komplett eingerichtete Fälscherwerkstatt. Neben falschen Fahrzeugpapieren und Führerscheinen stellen sie auch falsche Reisepässe, Personalausweise, Blanko-Formulare und Behördenvordrucke sicher. Außerdem entdecken sie 70 Siegel und 100 Schlüssel, die offenbar von Behörden stammen. Unter den Unterlagen sind auch zahlreiche Pässe mit Passbildern von Albrecht, der unter 30 verschiedenen Namen aufgetreten ist. Dann stoßen die Ermittler in einer Luxemburger Tiefgarage auf zwei in Deutschland gestohlene Mercedes, die mit gefälschten Papieren zum Abtransport bereitstanden.

Ein Foto von Udo Albrecht
Udo Albrecht nach seiner Festnahme Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Nach seiner Festnahme versucht Albrecht erneut, aus der Haft auszubrechen. Laut Lokalzeitung hat er mehrere Gitterstäbe seines Zellenfensters herausgerissen. Der Fluchtversuch wird allerdings vereitelt. Er kommt in die Untersuchungshaftanstalt Düsseldorf-Derendorf.

Im April 1968 schicken die Schweizer Ermittler ihre Unterlagen nach Deutschland. Sie bitten die deutschen Behörden, "wegen der von dem Genannten in der Schweiz verübten strafbaren Handlungen ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und ihn durch die zuständigen deutschen Gerichtsbehörden ins Recht fassen zu lassen." Die Schweizer Taten fließen tatsächlich in das Urteil mit ein.

Ist Albrecht ein Landesverräter?

Nach eigenen Angaben wird Albrecht von Juni bis August 1968 täglich vernommen. Er habe sich aber "zu keiner Belastung von Kameraden bringen lassen". Ihm sei gedroht worden, die ihm vorgeworfenen Straftaten in politische und kriminelle Taten zu teilen. Nach einer "hohen" Verurteilung wegen der Diebstähle "würde man schon sehen, ob ich nicht klein beigeben (d.h. Kameraden belasten) würde." Dem Gericht seien schließlich nur Taten wie Diebstahl, Betrug und Fälschung vorgelegt worden, "um einen reinen Kriminalprozess mit hoher Verurteilung zu erreichen.“ Trotz mehrfacher Bemühungen von Verteidigung und Gericht hätte die Bundesanwaltschaft ihre Ermittlungsergebnisse - 15 Bände - "in den beiden abgetrennten Verfahren wegen Geheimbündelei und Landesverrat vorenthalten“. Die ihm vorgeworfenen kriminellen Taten seien "nur ein Bruchteil jahrelanger politischer Aktivität“. Für Albrecht sind sie "verschwindende uneigennützige Einzeltaten in einer gezielten politischen Arbeit“. Die vorgeworfenen Taten seien aus dem Zusammenhang gerissen und würden wie "das Wirken einer Autoschieberbande“ aussehen. Über "Art, Umfang der politischen Arbeit, der Organisation, der Verwendung der erbeuteten Gelder“ sei das Gericht im Unklaren gelassen worden.

Während des Prozesses in Krefeld versucht Albrecht erneut zu fliehen. Am 25. September versucht er es während der Hauptverhandlung. Er scheitert. Für das Gericht ist klar: Die Beharrlichkeit und die "zähe" Energie machen Albrecht "zu einem bösartigen und gefährlichen Verbrecher".

Urteil zu Udo Albrecht von 1968 in Krefeld
Im Namen des Volkes: Das Urteil aus Krefeld Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Vor dem Landgericht Krefeld rechtfertigt Albrecht seine Taten damit, dass er sie für die Erhaltung der "Organisation" verübt habe. "Hätte er seine Taten“, so sagt er dem Gericht, "die er zum Wohle aller national gesinnten Deutschen ausgeführt habe, in der DDR begangen, würde man ihm in der Bundesrepublik jetzt sogar Beifall zollen." Die Richter zweifeln daran, dass es die "Organisation" tatsächlich gibt. Sie halten sie für eine "einsame Erfindung" des Angeklagten. Allerdings, so schränken die Richter ein, könnten sie dies nicht abschließend beurteilen, da ihnen die Ermittlungsakten der Bundesanwaltschaft nicht vorgelegt worden seien. Der medizinische Sachverständige hält Albrecht für einen "politischen Fanatiker", es sei ziemlich sicher, dass Albrecht politische Ziele verfolge und es ihm - im Gegensatz zu früheren Straftaten - nicht darum gehe, zu eigenem Nutzen sich Geld zu verschaffen. Er hält Albrecht für einen "etwas sensiblen, aber auch überheblichen, undurchsichtigen, haltschwachen und politisch überspannten Menschen“. Das Gericht kann bei Albrecht keine mildernden Umstände erkennen. Albrecht habe keine Reue gezeigt. "Seine politische Denkungsart war bei der Frage nach der Strafzumessung völlig nebensächlich." Am 2. Oktober 1968 wird er vom Landgericht Krefeld wegen schweren Diebstahls, Betrugs, Hehlerei und Urkundenfälschung zu acht Jahren Zuchthaus sowie zu einer Geldstrafe von 6.000 D-Mark verurteilt.

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 31. März 2019 | 06:00 Uhr