Hochwasser Deichöffnung verhindert Überschwemmung im Kyffhäuserkreis - Lage wohl noch länger angespannt

29. Dezember 2023, 16:21 Uhr

Die Hochwasserlage in Nordthüringen hat sich stabilisiert. Die Öffnung des Deiches rettete Mönchpfiffel-Nikolausrieth und weitere Orte im Kyffhäuserkreis vor einer Überschwemmung. Das Wasser, das aus dem übervollen Stausee Kelbra abfließen muss, strömt auf Felder. Die Lage in der Gemeinde bleibt aber wohl noch über Wochen angespannt. An Teilen der Unstrut gibt es zudem Hochwasser, weil aus einem Rückhaltebecken Wasser abgelassen werden muss.

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Die Hochwasserlage im Kyffhäuserkreis hat sich nach Ansicht des Thüringer Umweltministeriums stabilisiert. Staatssekretär Burkhard Vogel sagte MDR THÜRINGEN, die Pegelstände der Helme seien zwar weiterhin hoch. Der Deich des Flusses sei aber nicht überspült worden. Am Donnerstagabend war der Deich nördlich von Mönchpfiffel-Nikolausrieth geöffnet worden, um den Wasserstand zu senken. Das Wasser floss auf angrenzende Felder. Die Hochwasserlage in Mönchpfiffel-Nikolausrieth wird jedoch nach Angaben des Krisenstabs vermutlich noch über Wochen hinweg angespannt bleiben.

Bagger reißt Loch in Deich - Lage bleibt angespannt

Die zuständigen Behörden hatten am Donnerstagabend die Deichöffnung beschlossen, um die Gefahr einer Überschwemmung des Ortes Mönchpfiffel-Nikolausrieth sowie der weiter südlich gelegenen Gemeinde Heygendorf zu bannen, wie es in einer Gefahrenmitteilung am Donnerstag hieß. Demnach hatten die Landräte Antje Hochwind-Schneider (Kyffhäuserkreis) und André Schröder (Kreis Mansfeld-Südharz) dies entschieden.

Das Wasser muss dringend aus der Talsperre Kelbra abgelassen werden.

Burkhard Vogel Thüringer Umweltstaatssekretär

Die Deichöffnung erfolgte etwa einen Kilometer nördlich von Mönchpfiffel-Nikolausrieth. Ein Bagger riss ein mehrere Meter breites Loch in den Deich. Das Wasser floss dann auf landwirtschaftliche Nutzflächen westlich und südwestlich von Mönchpfiffel-Nikolausrieth ab.

Obwohl eine Überflutung in den Orten in Nordthüringen verhindert wurde, bleibt die Lage angespannt. Zum einen drückt Grundwasser in die Keller von Mönchpfiffel-Nikolausrieth. Zum anderen sind die Deiche durchgeweicht. "Das ist noch keine Entwarnung", sagte daher auch Bürgermeister André Schlegel MDR THÜRINGEN. Die Helme hatte am Freitag einen Pegel von drei statt sonst einem Meter. Laut Schlegel ist das "ein Stand, den wir seit 30 Jahren nicht mehr hatten".

Durch die Öffnung des Dammes sei der Pegel um etwa einen Zentimeter gesunken. Vorhergesagt worden sei zuvor eine weitere Steigerung, die nun zunächst verhindert wurde. Zudem sorgte das sonnige, trockene und windige Wetter am Freitag für Entspannung, die Deiche konnten etwas abtrocknen.

Trotzdem bleibt die Lage angespannt, weil laut Schlegel die aktuelle Wasserhöhe noch mehrere Wochen andauern kann. Vor allem könnten bei einem erneuten stärkeren und längeren Regen die Dämme beschädigt werden.

Hochwasser bei Mönchpfiffel-Nikolausrieth
Hochwasser bei Mönchpfiffel-Nikolausrieth Bildrechte: MDR/Martin Wichmann

Über das Wochenende und Jahreswechsel hinaus werde es daher weiter tägliche Lagebesprechungen, Deichwachen und ein regelmäßiges Messen der Pegelstände geben, sagte Landrätin Antje Hochwind-Schneider MDR THÜRINGEN. Im Fokus stehen dabei weiter Mönchpfiffel-Nikolausrieth, aber auch die weiter flussabwärts gelegenen Gemeinden wie Heygendorf und Kalbsrieth, die ebenfalls von Hochwasser bedroht sind.

Schon ein neuer Dauerregen könnte laut Landrätin die Lage deutlich verschärfen, und Wasser über die Deiche in die Gemeinden treten lassen. Denn die Ausweichflächen auf dem Ackerland sind mittlerweile durchgeweicht, die Böden mit Wasser gesättigt.

Die Talsperre Kelbra wird kontrolliert in das Flüsschen Helme abgelassen.
Das Wasser der Talsperre Kelbra wird kontrolliert in das Flüsschen Helme abgelassen. Das hatte zu stark steigenden Pegeln im Kyffhäuserkreis geführt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Heiko Rebsch

Gezieltes Ablassen aus Talsperre führt zu Problemen

Grund für den hohen Wasserstand der Helme ist, dass der übervolle Stausee Kelbra an der Grenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt kontrolliert abgelassen werden muss. Etwa einen halben Tag später erreicht dann das ablaufende Wasser Mönchpfiffel-Nikolausrieth.

Umweltstaatssekretär Vogel am Donnerstag hatte erklärt, warum das Wasser dringend aus der Talsperre Kelbra abgelassen werden müsse. "Die maximale Menge, die dort eingespeichert werden kann, ist deutlich überschritten worden. Das ist eine erhebliche Belastung für die Dammanlagen", berichtete er. Auf diese Weise soll die unkontrollierte Überflutung der anliegenden Orte am Stausee Kelbra verhindert werden.

Hochwasser bei Mönchpfiffel-Nikolausrieth
Hochwasser bei Mönchpfiffel-Nikolausrieth in Nordthüringen. Bildrechte: MDR/Martin Wichmann

Erste Hochwasser-Warnstufe auch für Teile der Unstrut

Für die Helme nahe des Stausees Kelbra gilt in Sachsen-Anhalt weiter die höchste Alarmstufe. Hunderte Einsatzkräfte sind dort im Einsatz. Die B85 zwischen Kelbra und Berga ist gesperrt, da die Straße als Sperre gegen das Wasser genutzt wird. Der Landrat von Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt empfiehlt auch am Freitag den Anwohnern des Ortes Thürungen, sich evakuieren zu lassen.

In Thüringen hatte sich die Hochwasserlage mit Ausnahme der Region um Helme und Unstrut in weiten Teilen entspannt. Nur noch im Bereich der unteren Unstrut in Oldisleben im Kyffhäuserkreis gilt am Freitag die erste von drei Hochwasser-Warnstufen, weil aus dem Rückhaltebecken Straußfurt Wasser abgelassen werden muss.

Einwohner von Windehausen bei Nordhausen können zurückkehren

Am Donnerstag konnten die Bewohner des Ortes Windehausen im Kreis Nordhausen nach dem Hochwasser wieder in ihre Häuser zurückkehren. Heringens Bürgermeister Matthias Marquardt sagte, dass er die Anordnung zur Evakuierung am Vormittag aufgehoben habe. Stromversorgung und Abwasserentsorgung würden wieder funktionieren; damit fielen die Gründe für die Evakuierung weg. Die Polizei hat zudem am Freitagvormittag die Warnmeldung für den Ort auch offiziell aufgehoben, dass Bewohner den Ort verlassen sollten.

Für Einwohner war am Donnerstag vom Industriegebiet Goldene Aue ein Shuttleservice in den Ort eingerichtet worden. Am Donnerstagabend hatten sie auch für zwei Stunden die Möglichkeit, mit eigenen Fahrzeugen zu ihren Grundstücken zu fahren. Ortsfremde dürfen weiter den Ortsteil von Heringen nicht betreten. Straßen und öffentliche Plätze sollen auf diese Weise für Einsatzfahrzeuge freigehalten werden, Schläuche auf Straßen nicht beschädigt werden. Die Feuerwehr pumpte weiter Wasser ab.

Donnerstagabend wurde die Freiwillige Feuerwehr Windehausen von einem Katastrophenschutzzug aus dem Unstrut-Hainich-Kreis abgelöst. Die Feuerwehrleute waren seit Weihnachten tagelang im Einsatz gewesen.

Erste Schäden sichtbar - Spendenaufruf

Das Ausmaß der Schäden durch das Hochwasser an den Häusern fällt nach Angaben des Bürgermeisters unterschiedlich aus. Manche Hausbesitzer hätten gerade erst eine neue Heizung in den Keller eingebaut, die nun beschädigt sei.

In einem Agrarbetrieb sei Wasser in ein Lager mit Erntegut eingedrungen. 20 Lastwagen hätten durchnässte Getreidekörner zu einer Trocknungsanlage gebracht. Die Stadt Heringen hat für die Flutopfer ein Spendenkonto eingerichtet. Die Resonanz auf den Spendenaufruf sei groß, sagte Marquardt.

Sandsäcke liegen vor einem Wohnhaus im evakuierten Ort Windehausen.
Einwohner sollen Straßen und Plätze weiterhin für Einsatzkräfte freihalten. Bildrechte: picture alliance/dpa | Matthias Bein

Hochwasser bis zu 70 Zentimeter hoch im Ort

Windehausen war über Weihnachten von Schmelzwasser aus dem Fluss Zorge und von nach oben gedrücktem Grundwasser überflutet worden. Am ersten Weihnachtsfeiertag hatte das Wasser dem Bürgermeister zufolge um die 70 Zentimeter hoch auf den Straßen gestanden. Inzwischen sei es wieder abgeflossen. Der Ort war geräumt worden, 400 der 500 Einwohner folgten der Aufforderung zur freiwilligen Evakuierung.

Weiterer Regen in Thüringen erwartet

In Thüringen liegt laut Landesamt für Umwelt am Freitagnachmittag der Flusspegel der Unstrut in Oldisleben im Kyffhäuserkreis weiter über der ersten von drei Hochwassermeldestufen.

An den Pegeln der Bere in Ilfeld am Südharzrand in Nordthüringen und an der Nahe in Hinternah bei Schleusingen in Südthüringen liegen in Thüringen die Wasserstände mit Stand Freitagnachmittag zudem noch oberhalb des Richtwertes für die Vorwarnstufe. Diese ist den drei Hochwassermelde-Stufen vorgelagert.

Sorge bereitet dem Landesamt die Niederschlagsprognose für die nächsten Tage: Bis Sonntag seien neue Niederschläge möglich. Diese könnten im Südharz wieder zu erhöhten Flusspegeln der Zorge, Bere und Helme führen.

MDR (mai/jn/dr), dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 28. Dezember 2023 | 12:00 Uhr

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