Wassermassen fießen durch die Deichöffnung am Fluss Helme auf die umliegenden Flächen.
Die Deichöffnung am Fluss Helme soll noch einmal verbreitert werden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Heiko Rebsch

Aktuelle Lage Hochwasserlage in Nordthüringen: Deichöffnung erfolgreich vertieft

31. Dezember 2023, 17:12 Uhr

An der Helme an der Landesgrenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt ist der Deichdurchbruch vertieft worden. Dadurch soll Hochwasser von Mönchpfiffel-Nikolausrieth sowie Heygendorf ferngehalten werden. Der an den Kyffhäuserkreis angrenzende Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt hat den Katastrophenfall ausgerufen. An anderen Orten in Thüringen gibt es kein Hochwasser mehr.

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Deich an der Helme weiter aufgebaggert

Der über Nacht angestiegene Hochwasserpegel in Mönchpfiffel-Nikolausrieth im Kyffhäuserkreis konnte am Silvestertag deutlich abgesenkt werden. Bürgermeister André Schlegel (Linke) sagte, die bereits bestehende 30 Meter lange Deichöffnung sei am Sonntag um etwa 30 Zentimeter vertieft worden. Dadurch flössen nun pro Sekunde etwa 14 Kubikmeter Wasser aus der Helme auf Ackerflächen ab. Das seien doppelt so viel wie zuvor.

In wenigen Stunden sei dadurch der Hochwasserpegel in Mönchpfiffel-Nikolausrieth von 3,08 Meter auf unter drei Meter gesunken. "Damit ist die Gefahr, dass erste Häuser unterspült werden, erstmal gebannt", sagte Schlegel. Der Deich war am Donnerstag aufgebaggert worden und die Öffnung am Freitagabend um weitere zehn Meter erweitert worden.

Anstieg der Talsperre Kelbra

Regenfälle hatten zu einem weiteren Anstieg der Talsperre Kelbra an der Grenze zu Thüringen geführt, sodass der Abfluss daraus erhöht wurde. Das Wasser habe bereits bis zur Oberkante der Helme-Brücke gestanden. Bisher sei in keines der Häuser Wasser gelaufen, es drücke jedoch gegen die Sandsacksperren und gegen den Straßendamm, sagte Schlegel.

Die Straßen seien jedoch befahrbar. Außerdem können einige der Bewohner wegen des gestiegenen Grundwasserspiegels derzeit ihre Toiletten und Dusche nicht nutzen. Deshalb war am Samstag vom DRK ein Toilettenwagen aufgestellt worden.

Am Samstag lag auch der Pegelstand im Ort Bennungen in Sachsen-Anhalt und drei Kilometer nördlich der Grenze zu Thüringen knapp einen halben Meter über dem Richtwert von zwei Metern für die höchste Alarmstufe. Der Landkreis hatte daher für den Landkreis Mansfeld-Südharz am Samstag den Katastrophenfall ausgerufen. Die B85 zwischen Kelbra und Berga ist dazu weiter gesperrt. Sie dient als Deich-Ersatz.

Irritationen um Sandsäcke in Mönchpfiffel-Nikolausrieth

Ein Sprecher des Kyffhäuserkreises hatte die Lage zuvor als weiter angespannt bezeichnet. Es werde aktuell geprüft, wie die Orte zusätzlich geschützt und entlastet werden können. Irritationen gab es am Samstag wegen möglicherweise über Nacht gestohlener Sandsäcke in Mönchpfiffel-Nikolausrieth. Das Landratsamt kündigte eine Strafanzeige an. Allerdings geht Bürgermeister André Schlegel nicht von einer Straftat, sondern von einem Missverständnis aus.

Vermutlich habe die Feuerwehr aufgrund der Dunkelheit das Aufschichten der Sandsäcke an der Stelle unterbrochen. Der Schutzwall sei eher nicht von Dieben abgetragen worden, sondern noch gar nicht vollständig aufgebaut gewesen, so Schlegel. Der Sache werde aber nachgegangen. Nach seiner Einschätzung wurden in den vergangenen Tagen schätzungsweise 10.000 Sandsäcke aufgebaut.

Einige Regenschauer in Thüringen erwartet

In Thüringen soll es laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) am Sonntag von der Rhön her einige Regenschauer geben. Am Neujahrstag werden nachmittags ebenfalls ein paar Regenschauer erwartet, in den Kammlagen des Thüringer Waldes kann es etwas schneien.

Windehausen: Gottesdienst für Hochwasseropfer und Helfer

Im Heringer Ortsteil Windehausen im Landkreis Nordhausen hat sich die Lage unterdessen vor dem Jahreswechsel weiter normalisiert. In der Kirche von Windehausen gibt es deshalb am Sonntagnachmittag einen besonderen Jahresabschlussgottesdienst.

Der Bürgermeister von Heringen, Matthias Marquardt (Die Linke), sagte vorab in einer Videobotschaft, "lassen Sie uns gemeinsam über das Erlebte sprechen. Eine Woche, nachdem das Hochwasser zu Heiligabend seinen Höchststand erreicht hatte, wollen wir gemeinsam innehalten." Er dankte allen Helfern, den Feuerwehren aus dem Landkreis und dem Unstrut-Hainich-Kreis sowie dem THW.

Windehausen war am ersten Weihnachtsfeiertag vollständig evakuiert worden, nachdem Hochwasser den Ort überschwemmt hatte.

Die Stadt Heringen, zu der der Ortsteil Windehausen gehört, hat ein Spendenkonto eingerichtet. Dort kann für die Flutopfer im Ortsteil gespendet werden. Der Kirchenkreis Südharz hat außerdem für den ersten Sonntag im neuen Jahr ein Benefizkonzert für die Hochwasser-Opfer in der Goldenen Aue organisiert. Mehrere Chöre wollen in der Pfarrkirche Heringen auftreten. Der Erlös geht auf das Spendenkonto.

Blick auf eine Straße mit viel Sperrmüll. Nach dem Hochwasser haben die Aufräumarbeiten in Windehausen bei Nordhausen begonnen.
Viel Sperrmüll an den Straßen von Windehausen. Nach dem schweren Hochwasser und der Evakuierung der Einwohner haben die Aufräumarbeiten in dem Ort bei Nordhausen begonnen. Bildrechte: Gerd Struve

Thüringer Talsperren halten Wassermengen zurück

An anderen Orten gibt es in Thüringen kein Hochwasser mehr. Aktuell fließt jedoch laut dem Thüringer Landesamt für Umwelt weiter noch mehr Wasser als gewöhnlich in die Unstrut und Saale, da die Staubecken und Talsperren entlastet werden.

Nach Angaben der Thüringer Fernwasserversorgung, die viele Talsperren in Thüringen betreibt, hätten in den vergangenen Tagen vor allem Stauanlagen in Süd- und Nordthüringen Wassermengen zurückgehalten.

Unter anderem sei am Rückhaltebecken Straußfurt im Kreis Sömmerda durch erst im Herbst abgeschlossene Hochwasserschutz-Arbeiten verhindert worden, dass die stark erhöhten Spitzenpegel von Unstrut und Helme zusammengetroffen sind. So konnten Orte in der Nähe geschützt werden.

Auch an den Talsperren im Harz sinken die Füllstände weiter. Derzeit wird dort nicht mehr Wasser über den Notüberlauf abgegeben, wie ein Sprecher der Harzwasserwerke am Freitag sagte. Die Lage sei allerdings weiter angespannt, da noch immer zu viel Wasser in den Reservoirs sei. Die Harzwasserwerke hoffen auf trockenes Wetter, um die Talsperren weiter ablassen und dadurch den Hochwasserschutz gewährleisten zu können.

Technische Hilfswerk rechnet mit Einsatz über Jahreswechsel hinaus

Das Technische Hilfswerk stellt sich auf einen Hochwasser-Einsatz auch in den nächsten Tagen ein. Es sei ganz klar, dass das über den Jahreswechsel andauern werde, sagte THW-Präsidentin Sabine Lackner. Schwerpunkt ist demnach, die aufgeweichten Deiche zu sichern. Die ehrenamtlichen Helfer sind in Thüringen, Niedersachsen, Sachsen und Nordrhein-Westfalen im Einsatz.

Ramelow fordert Umdenken beim Hochwasserschutz

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hält unterdessen ein Umdenken beim Hochwasserschutz für erforderlich. Das Deichen allein sei kein Schutz mehr, so Ramelow gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Stattdessen bräuchte es Flächen, auf denen Wasser über eine längere Zeit stehen könne.

Ramelow hält auch andere Schritte bei der Städteplanung für erforderlich. Es müsse viel mehr mit Speichern gearbeitet werden. Denn das, was im Herbst und Winter an Wassermengen fiele, das fehle im Sommer in der Dürre, so der Ministerpräsident.

MDR (kah/rom)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 31. Dezember 2023 | 12:00 Uhr

18 Kommentare

_martin_ vor 17 Wochen

Die "DDR" war in Sachen Hochwasserschutz vielleicht nicht schlechter aber auch nicht besser als der "Westen". Die landwirtschaftlichen Kleinspeicher haben bei so einer Hochwasserwelle so gut wie keine Hochwasserschzufunktion, wenn sie nicht bei Beginn des Hochwassers nicht sowieso schon voll sind (sie sollen ja speichern, gelle).
Was die "Kultivierung" der Landschaft angeht, hat man es gerade in Mittel- und Nordthüringen auf die Spitze getrieben. Deshalb sind nämlich jetzt die ganzen ehemaligen Überflutungsflächen, also hauptsächlich Acker und nicht nur die Siedlungsflächen vor Hochwasser geschützt. Das funktioniert im Normalfall und führt bei etwas größerem Hochwasser zur Katastrophe. Leider gibt es da in vielen Köpfen mehr DDR-Beton als in den Deichen, der dreißig Jahre nach der Wende immer noch die dringend notwendige Renaturierung der Fluss- und Bachauen verhindert.

Ilse vor 17 Wochen

Sigrun
"Er besitzt auch und gerade die Fähigkeit, dieses Wissen in Politik umzusetzen."

Er stellt Forderungen an virtuell Unbekannte, ohne was geleistet zu haben, für was das Land selber verantwortlich ist !

Wessi vor 17 Wochen

@ Sigrun ... bei mir in Hamburg gibt es weiterhin zahlreiche Rückhaltebecken und im Internet kann den "Wasseratlas" einsehen."Googlen" Sie mal...ich darf das ja nicht verlinken!

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