Politik Thüringer Landtag diskutiert über Schulreform

15. Dezember 2022, 10:30 Uhr

Der Thüringer Landtag diskutiert in seiner aktuellen Sitzungswoche über eine Reform des Schulgesetzes. Rot-Rot-Grün will das Sitzenbleiben streichen. Die Opposition hält dagegen.

Jan Bräuer
Bildrechte: MDR/Jan Bräuer

Im zweiten Anlauf sollte es nun klappen. Die Regierungskoalition aus Linke, SPD und Grünen legte dem Thüringer Landtag in dieser Woche eine Reform des Schulgesetzes auf den Tisch. Bereits im November stand der Punkt auf der Tagesordnung, fand aber keine Beachtung. Die Pläne sollen die Weichen stellen für die Schule der Zukunft.

Linke-Fraktionschef Steffen Dittes sagt: "Ein Kernelement wird die Stärkung der Regelschule sein, die Stärkung der Praxis-Orientierung in den Regelschulen, natürlich auch die Stärkung - aus unserer Sicht sehr wichtig - des längeren gemeinschaftlichen Lernens in den Schulen."

Grüne: Sitzenbleiben ist demotivierend

Was im Entwurf für das Schulgesetz fehlt, ist die Möglichkeit des Sitzenbleibens oder des Klasse-Wiederholens aus Leistungsgründen. Rot-Rot-Grün sieht keine Notwendigkeit, dies in die Reform zu schreiben. Astrid-Rothe Beinlich, Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der Grünen, nennt zwei Gründe: Einerseits gibt es die Möglichkeit des freiwilligen Wiederholens. Im Freistaat wird davon rege Gebrauch gemacht. Pro Jahr mehr als 1.500 Mal, weist die Statistik des Bildungsministeriums aus.

Zum anderen erkennt die Fraktionschefin der Grünen im zwangsweisen Wiederholen der Klassenstufe keinen Nutzen fürs Kind: "Wenn Kinder nicht zugelassen werden für die nächste Schulklasse, sprich zwangsweise sitzenbleiben, zeigt sich leider sehr schnell, dass das eher frustriert, dass es demotiviert und dass die Kinder ganz schnell wieder am untersten Ende sind, heißt das Leistungsvermögen nimmt immer mehr ab."

Überwiegend Zustimmung kommt dafür von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Landesvorsitzende Katrin Vitzthum spricht von regen Diskussionen innerhalb der Gewerkschaft. Sie persönlich glaube nicht, dass Sitzenbleiben eine Bildungsbiografie positiv beinflusse. Der Misserfolg sei damit schon einmal in der Karriere festgeschrieben und das solle man vermeiden, so Vitzthum.

CDU und FDP halten am Sitzenbleiben fest

Bei der Opposition im Thüringer Landtag lässt man das Argument nur bedingt gelten. Natürlich kennt man dort die Zahlen der freiwilligen Wiederholungen, will den Lehrerinnen und Lehrern gleichsam mehr Mitsprache geben beim Thema Versetzung. Die CDU hat zusammen mit der FDP eine eigene Schulgesetz-Reform eingebracht. Verankert darin ist die Möglichkeit, einem Schüler oder einer Schülerin ab der 2. Klasse aus Leistungsgründen die Versetzung zu verwehren.

Der CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner begründet es so: "Lehrerinnen oder Lehrern sagen uns ganz deutlich, dass es in den weiterführenden Jahrgängen der 6.- 8. Klasse erhebliche Unterschiede im Leistungsniveau gibt, wenn man die Schüler einfach in die nächste Klasse versetzt. Deshalb kämpfen wir dafür, dass hier das Vertrauen in die Lehrer wieder vorhanden ist. Dass die mit pädagogischem Augenmaß entscheiden können, ob man das Kind ein Jahr wiederholen lässt oder es in die nächsthöhere Klassenstufe gibt."

Lehrerverband steht hinter Forderungen von CDU und FDP

Der Thüringer Lehrerverband stimmt den Forderungen von CDU und FDP zu. Landessprecher Tim Röckhoff hinterfragt, was es einem Schüler bringen würde, wenn er den Mathe-Stoff der 5. Klasse nicht verstanden hätte, in Klassenstufe 6 mit Mathe der Klasse 6 beschult zu werden.

Röckhoff sagt: "Wir wollen individuell auf die Schüler eingehen, was aber nicht funktioniert, wenn ich Schülerinnen und Schüler habe, die den Stoff aus der vergangenen Klassenstufe nicht verstanden haben."

Landtag verweist Thema in den Ausschuss

Linke, SPD und Grünen haben im Landtag keine Mehrheit. Vier Stimmen fehlen. Daher ist der nächste Schritt für die Reform des Schulgesetzes zementiert. Der Entwurf wird in den Bildungsausschuss überwiesen und dort abgewogen mit dem Antrag von CDU und FDP.

Wie lange diese Abwägung dauern wird? FDP-Politikerin Franziska Baum wagt eine vorsichtige Prognose: "Ich rechne nicht damit, dass in dem Zusammenhang etwas passiert vor der nächsten Wahl."

Das wäre dann im Jahr 2024. Dann sind wieder Landtagswahlen im Freistaat Thüringen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 15. Dezember 2022 | 06:00 Uhr

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