Ein Lehrerin schreibt eine Mathematikaufgabe auf eine digitale Schultafel im Klassenraum
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Lehrermangel Lehrer werden ohne NC: Thüringer Unis reagieren skeptisch

09. Januar 2025, 01:55 Uhr

Trotz wachsender Studierendenzahlen und neuer Studiengänge fehlt es in Thüringen an Lehrkräften. Bildungsminister Christian Tischner fordert eine Öffnung der Lehramtsstudiengänge, um mehr junge Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen. Die Universitäten warnen jedoch vor überstürzten Maßnahmen und betonen, dass zusätzliche Ressourcen notwendig wären, um eine Qualitätssicherung zu gewährleisten.

Die Universitäten in Erfurt und Jena haben skeptisch auf eine mögliche Öffnung ihrer Lehramtsstudiengänge reagiert. Bildungsminister Christian Tischner (CDU) hatte zuvor vorgeschlagen, jegliche Zulassungsbeschränkungen fürs Lehramtsstudium wegfallen zu lassen.

Lehramtsstudium in Thüringen: Erfurt und Jena mit unterschiedlichem Angebot

In Thüringen kann in Erfurt aktuell Grundschullehramt (Bachelor Primärpädagogik) studiert werden und seit Kurzem auch als duales Studium Lehramt an Regelschulen. Für das duale Studium hat das Land zunächst 50 Plätze genehmigt. Jena ist ebenfalls für das Lehramtsstudium für Regelschulen sowie das Gymnasiallehramt zuständig.

Hauptgebäude, Friedrich-Schiller-Universität, Jena, Thüringen, Deutschland
Die Friedrich-Schiller-Universität Jena warnt, dass eine Lockerung der Zulassungsregelungen die Qualität der Lehrerausbildung gefährden könnte. Bildrechte: imago/imagebroker

Universitäten pochen auf Qualität und Ressourcen

Karina Weichold, Vizepräsidentin der Friedrich-Schiller-Universität Jena, sagte, die Zulassungsbeschränkungen gebe es, um eine entsprechende Qualität sicherzustellen. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass es überhaupt nur noch sehr wenige Beschränkungen an den Thüringer Universitäten gibt. So gebe es in Jena nur noch einen Numerus Clausus für das Fach Biologie.

Nur wenige Fächer in Thüringen noch mit Numerus clausus

Und das aus gutem Grund: Dafür brauche es sehr gute Kenntnisse in fachspezifischer Didaktik. Außerdem müssten entsprechende Laborplätze vorgehalten werden. Alle, die diesen Numerus Clausus von 2,0 für die Regelschule oder 1,5 fürs Gymnasiallehramt nicht erreichen, hätten vielfältige andere Möglichkeiten, Lehrer zu werden. Für Sport, Kunst und Musik gebe es lediglich Eignungsprüfungen. Für diese brauche es Talent, aber keine guten Noten.

Wer eine Sprache studieren möchte, muss dafür ausreichende, sehr gute Sprachkenntnisse vorweisen können. Alle anderen Fächer sind bereits zulassungsfrei und jeder sei herzlich willkommen, wie Weichold weiter sagte.

Kapazitäten der Hochschulen stoßen an ihre Grenzen

Von der Universität Erfurt heißt es, wenn die Zulassungsbeschränkung aufgehoben, beziehungsweise die Zahl der Studierenden erhöht werden sollen, müssten im Gespräch zwischen Ministerium und Hochschule die Ressourcen wie Lehrpersonal, Räume und Sachmittel entsprechend erhöht werden. Darüber hinaus müssten ausreichend Praktikumsplätze an den Schulen vorhanden sein. Das Land sei gefordert und müsse die notwendigen Mittel in den Haushalt einbringen.

Herausforderung: Mehr Bewerber als Studienplätze

Wie schnell so etwas gehen kann, hänge von den politischen Prioritäten des Landes ab und sei eine Frage politischer Aushandlungsprozesse. Erst zum Wintersemester 2024/25 ist die Universität mit einem neuen dualen Studiengang für das Lehramt an Regelschulen gestartet - nicht zuletzt, um dem Lehrermangel in Thüringen zu begegnen, wie es heißt. Um die hohe Qualität des Studiums sicherzustellen und zugleich Studienabbrüche zu vermeiden, unternehme die Universität immer wieder große Anstrengungen.

Zulassungsbeschränkungen und begrenzte Kapazitäten: Warum nicht alle Bewerber Lehramt studieren können

Grundlage dafür, wie viele Lehramts-Studierende überhaupt an den Universitäten aufgenommen werden können, sind das Studienplatzvergabegesetz und die Studienplatzvergabeverordnung des Landes. Anhand dieser wird jährlich errechnet, wie viele Lehrerinnen und Lehrer in Thüringen benötigt werden und wie hoch die Ressourcen und Kapazitäten an den Universitäten sind, beispielsweise wie viele Räume oder Professoren überhaupt vorhanden sind, um die Lehramts-Studierenden ausbilden zu können.

Die Zulassungszahlen werden in einer Hochschulsatzung semesterweise festgeschrieben und vom Bildungsministerium genehmigt. Wenn die Nachfrage die Zahl an Studienplätzen übersteigt, muss ausgewählt werden. Und das ist seit Jahren der Fall. Allein in den vergangenen fünf Jahren haben Hunderte junge Interessierte keine Zusage für ihr Lehramtsstudium erhalten, weil es deutlich mehr Bewerbungen als Plätze gab.

2023/24 konnten von 800 Bewerbern für ein Studium auf Grundschullehramt nur rund 300 angenommen werden, ähnliche Zahlen gab es in den Jahren zuvor. 2020/21 waren es sogar über 1.000 Bewerbungen auf 340 Plätze.

Neue Studiengänge als Reaktion auf den Lehrermangel

Insgesamt hat sich die Zahl der Lehramtsstudierenden in Thüringen in den vergangenen Jahren bereits erhöht. Während nach Angaben des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) im Wintersemester 2018/2019 insgesamt 630 Studierende ihr Lehramtsstudium in Thüringen begonnen haben, waren es im Wintersemester 2022/2023 schon 970, über die Hälfte davon für Gymnasium, etwa ein Drittel für Grundschule. Trotz der steigenden Zahlen fehlen laut Thüringer Lehrerverband noch immer rund 2.000 Lehrer.

Tischner für Zulassungsfreiheit und schnellere Einstellungen von Lehrkräften

Die Forderung von Bildungsminister Tischner ist nicht neu. Schon vor etwa einem Jahr hatte er damals noch in Funktion als bildungspolitischer Sprecher der CDU gefordert, die Zulassungsbeschränkungen schrittweise aufzuheben. Solche Beschränkungen seien in Zeiten von Lehrermangel völlig überflüssig. Laut Tischner ist außerdem ein neues Programm für schnellere Einstellungen von Lehramtsabsolventen, mehr Ausbildung und mehr Unterstützung für Seiteneinsteiger in den Lehrerberuf geplant. Im Vergleich der Bundesländer dauere es in Thüringen besonders lange, bis ein Bewerber als Lehrer eingestellt sei.

Bildungsminister Christian Tischner (CDU) hat vorgeschlagen, jegliche Zulassungsbeschränkungen fürs Lehramtsstudium wegfallen zu lassen.
Bildungsminister Christian Tischner (CDU) hat vorgeschlagen, jegliche Zulassungsbeschränkungen fürs Lehramtsstudium wegfallen zu lassen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hannes P Albert

Lehrerverband kritisiert Beschränkungen als hinderlich

Der Thüringer Lehrerverband unterstützte Tischners Forderung schon damals. Es könne nicht sein, dass einerseits junge Menschen daran gehindert würden, das Studium aufzunehmen und gleichzeitig mit viel Aufwand Seiteneinsteiger nachqualifiziert würden, weil der Personalmangel einfach nicht in den Griff zu kriegen sei, hieß es vom Lehrerverband. Auch Beschränkungen wie ein fächerbezogener Numerus clausus oder die Vorgabe zugelassener Fächerkombinationen seien angesichts der katastrophalen personellen Zustände in den Schulen nicht mehr akzeptabel.

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MDR (dkn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 06. Januar 2025 | 19:00 Uhr

15 Kommentare

Britta.Weber vor 7 Wochen

Monazit, die Hauptursache für die hohen Abbrecherquoten liegt darin, dass wegen der allgemeinen Senkung des Niveaus viele Studenten nicht das Niveau für ein Hochschulstudium haben (wahrscheinlich etwa ein Drittel, nmanche sagen sogar die Hälfte). Das macht sich vor allem in Fächern mit hohem MINT-Anteil bemerkbar, in den man eben Defizite nicht einfach durch fleißiges Lernen und Reden kompensieren kann.
Bei den Physiklehrern ist es z.B. so, dass die besten Schüler eben Physik studieren und bei den Lehrern nur die zweite Garnitur anfängt (etwas vereinfacht und platt formuliert).

Anita L. vor 8 Wochen

"Quereinsteiger, ganz ohne Studium"

Das ist so (zumindest in Sachsen) nicht korrekt. Quereinsteiger_innen müssen sehr wohl einen Studienabschluss nachweisen. Es muss halt "nur" kein (abgeschlossenes)
Lehramtsstudium sein.

Anita L. vor 8 Wochen

Insbesondere in den MINT-Fächern gab es bereits zu meiner Studienzeit eine hohe Abbrecherquote. Monazit bringt das Problem weiter unten treffend auf den Punkt: Solange Lehrer_innen im Kern eher zukünftige Nobelpreisträger_innen für Mathe, Physik, Chemie werden sollen, wird sich an der Situation wenig ändern. Ich hatte einen Mitschüler, der das Matheabi quasi mit Links und 40 Fieber abgelegt hatte und im Studium heftig zu rudern hatte.

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