Papst Franziskus kommt zu seiner wöchentlichen Generalaudienz auf dem Petersplatz.
Papst Franziskus hat zu Verhandlungen über ein Kriegsende in der Ukraine aufgerufen. Bildrechte: picture alliance/dpa/AP | Gregorio Borgia

Russischer Angriffskrieg Scharfe Kritik an Papst Franziskus für Aufruf an die Ukraine zu Friedensverhandlungen

10. März 2024, 22:12 Uhr

Papst Franziskus hat die Ukraine zum Mut für Verhandlungen im Krieg gegen die russischen Angreifer aufgerufen. Er sei der Ansicht, dass derjenige Stärke zeige, der den Mut habe, die weiße Fahne zu hissen und zu verhandeln. Ein Vatikan-Sprecher versuchte später, die Äußerungen etwas zu relativieren. Aus der Ukraine gab es wütende Reaktionen. Auch deutsche Politikerinnen und Politiker kritisieren die Aussage des Papstes scharf.

Papst Franziskus hat zu Verhandlungen über ein Ende des Krieges in der Ukraine aufgerufen und dafür heftige Kritik geerntet.

"Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche in einem am Wochenende vorab veröffentlichen Interview des Schweizer Fernsehens. Ohne eine der beiden Konfliktparteien Russland oder Ukraine direkt beim Namen zu nennen, fügte er hinzu: "Schämen Sie sich nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird." An anderer Stelle in dem Interview sagte er: "Verhandlungen sind niemals eine Kapitulation."

In dem Gespräch wird Franziskus auch nach Forderungen aus der Ukraine nach "Mut zur Kapitulation, zur weißen Fahne" gefragt, was andere als Legitimation der stärkeren Seite sähen. Darauf antwortet der Papst allgemein: "Das ist eine Frage der Sichtweise. Aber ich denke, dass derjenige stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut der weißen Fahne hat, zu verhandeln."

Vatikan relativiert Papst Aussage

Der Vatikan hat nun versucht, die Äußerungen des Papstes zu einem Verhandlungsfrieden im russisch-ukrainischen Krieg einzuordnen. Papst-Sprecher Matteo Bruni widersprach Darstellungen, der Pontifex habe die Ukraine zur Kapitulation aufgefordert, als er vom "Mut zur weißen Flagge" sprach. Vielmehr habe er sich für einen Waffenstillstand und für den Mut zu Verhandlungen ausgesprochen. Sinn der Aussage sei, dass Franziskus sich eine "diplomatische Lösung für einen gerechten und dauerhaften Frieden" wünsche, so Bruni.

Der Pontifex verwies auf Vermittlungsangebote verschiedener Seiten, beispielsweise der Türkei. Auch der Vatikan selbst versucht praktisch seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf das Nachbarland im Februar 2022, zwischen Moskau und Kiew zu vermitteln – bislang ohne Erfolg.

Wütende Reaktionen aus der Ukraine

In der Ukraine wurde der Begriff der "weißen Fahne", den der Papst gebrauchte, als Aufforderung zur Kapitulation verstanden und löste erboste Reaktionen aus. "Es erscheint merkwürdig, dass der Papst nicht zur Verteidigung der Ukraine aufruft, nicht Russland als Aggressor verurteilt, der Zehntausende Menschen tötet", schrieb der frühere Abgeordnete und Vizeinnenminister Anton Heraschtschenko im Netzwerk X (früher Twitter).

Der ukrainische Chefdiplomat Kuleba sagte: "Unsere Flagge ist gelb und blau. Das ist die Flagge, für die wir leben, sterben und triumphieren. Wir werden niemals andere Fahnen hissen."

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies den Appell des Papstes scharf zurück. Die Kirche sei bei den Menschen, sagte Selenskyj am Sonntag in seiner abendlichen Videoansprache. "Und nicht zweieinhalbtausend Kilometer entfernt, irgendwo, um virtuell zu vermitteln zwischen jemandem, der leben will, und jemandem, der dich vernichten will."

Der ehemalige ukrainische Botschafter in Österreich, Olexander Scherba, nannte den Papst mit einem Bibelwort einen "Kleingläubigen". Offizielle Kiewer Stellen äußerten sich nicht. Die Ukraine lehnt Verhandlungen ab, solange Russland die besetzten Gebiete nicht wieder freigibt. Schon aus früheren Papstäußerungen haben die Ukrainer das Gefühl, dass Franziskus mehr Verständnis für Russland aufbringt als für ihr angegriffenes Land.

Kritik aus Deutschland

Auch in Deutschland sind die Äußerungen von Papst Franziskus zum Krieg in der Ukraine auf Entsetzen und scharfe Kritik gestoßen. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Sonntag: "Es ist Wladimir Putin, der den Krieg und das Leid sofort beenden kann – nicht die Ukraine. Wer von der Ukraine verlangt, sich einfach zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat, und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine."

Auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat dem Appell von Papst Franziskus in scharfer Form widersprochen. "Bevor die ukrainischen Opfer die weiße Flagge hissen, sollte der Papst laut und unüberhörbar die brutalen russischen Täter auffordern, ihre Piraten-Fahne, das Symbol für den Tod und den Satan, einzuholen", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses am Sonntag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie fügte hinzu: "Ich schäme mich als Katholikin, dass er das unterlässt."

Die Präsidentin des Evangelischen Kirchentages 2025 in Hannover, Anja Siegesmund, sagte dem RND: "Die Sehnsucht nach Frieden darf nicht dazu führen, dass das Recht des vermeintlich Stärkeren siegt". Wer die eigene Freiheit verteidige, bedürfe der Unterstützung aller, die jetzt in Freiheit leben.

AFP/dpa (jst)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 10. März 2024 | 06:06 Uhr

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