Reportage Kais letzte Reise

18. Juli 2023, 12:11 Uhr

Seine Asche sollen Freunde in der Arktis bestatten, in Anwesenheit eines Eisbären - das war Kais letzter Wunsch. Tatsächlich brechen Angehörigen, Freunde und Kollegen auf, ihn zu erfüllen ...

Spitzbergen im April: bis an die Eismeerküste meterhoch mit Schnee bedeckte Berge, wilde Gletscher, Packeis in einsamen Fjorden, Nächte mit arktisch klirrender Kälte und unerhörter Stille, von der Mitternachtssonne in ein magisch surreales Licht getaucht. Schon auf der ersten seiner drei Reisen war Kai dem Zauber dieser menschenleeren Wildnis und ihren unbestrittenen Herrschern, den Eisbären, erlegen. Vor seiner letzten Film-Expedition war er schon schwer krank. Doch die Aussicht, noch einmal in die Arktis reisen zu können, verlieh Kai unglaubliche Kräfte, so erinnern sich Freunde und Kollegen.

Wann immer ich Spitzbergen war, habe ich ein tiefes Gefühl der Verbundenheit mit dieser eisigen Welt verspürt - gerade so, als läge dort mein Ursprung. Daher ist es mein Wunsch, an diesen Ort des Ursprungs zurück zu kehren, um dort für immer bleiben zu dürfen.

Aus Kais Testament

Letzte Ruhe finden: Nördlich des 80. Breitengrades, in Anwesenheit eines Eisbären

Dass sein multiples Myelom, eine Art Knochenmarkkrebs, ihn am Ende töten würde, wusste er - und er wusste auch genau, was nach seinem Tod passieren sollte. Zwei Jahre bevor er starb, nahm er einer Freundin das Versprechen ab, seine Asche in die Arktis zu bringen und im Polarmeer zu verstreuen: nördlich des 80. Breitengrades und, wichtigste Bedingung, in Anwesenheit eines Eisbären!

Ich war am Anfang sogar ein bisschen wütend auf ihn, ich hätte ihn gerne gerüttelt und geschüttelt und zu ihm gesagt 'Was machst du da mit mir? Was soll ich da jetzt für dich tun?

Josef

Zehn Angehörige brechen auf ...

Im April 2017, über ein halbes Jahr nach seinem Tod, reisen zehn Menschen, die Kai auf ganz unterschiedliche Art und Weise nahestanden, gemeinsam nach Spitzbergen, um das Versprechen in die Tat umzusetzen. Einer seiner Brüder, Udo, der lange keinen Kontakt zu Kai hatte, geht mit an Bord und nimmt sogar seinen elfjährigen Sohn mit, Freunde und Kollegen sind dabei, die Filmemacher Catherina Conrad und Bernd Thomas, die das außergewöhnliche Unterfangen dokumentieren. Einige fragen sich, ehe sie zusagen, wie könne man sich selbst so wichtig nehmen, "dass man andere Leute auf so eine Tour schickt". Tatsächlich weiß keiner, was ihn auf dieser Reise erwartet.

Den Wunsch, seine Asche im Umfeld eines Eisbären zu verstreuen, mag einen irritieren. Damit hat er uns doch nicht schocken können. Im Gegenteil: Er hat uns gefordert und das zeigt, es ist so vieles möglich.

Falk

Abschied nehmen und zu sich kommen

Inmitten der überwältigenden Landschaft erinnert sich jeder der Mitreisenden an seine Beziehung zu Kai, der nicht einfach war. Einige fühlen sich konfrontiert mit der eigenen Angst vor dem Tod, andere holt die Erinnerung an frühere Verluste, der Tod der eigenen Tochter, ein. Dazu kommen der beengte Raum an Bord, Stürme und Seekrankheit. Auf der Reise in den Norden, eigentlich eine anspruchsvolle Expedition in die Wildnis der Arktis, vorbei an treibenden Eisschollen, nimmt jeder auf ganz eigene Art und Weise Abschied von Kai - und reist zugleich zu sich selbst. In langen Nachtwachen halten sie alle in Schichten Ausschau nach dem Eisbären.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Nah dran | 10. Januar 2019 | 22:40 Uhr