Sonnabend, 10.10.2020: Kindisch oder kindlich

Mein Neffe hat vor kurzem seine Eltern ziemlich geschockt. Gefragt, wie es in der Christenlehre so läuft, antwortet er folgendes: "Also ich werde da wohl nicht mehr hingehen, und Konfirmation mache ich auch nicht. Ich kann nicht an den alten Mann da oben auf der Wolke glauben, das ist doch kindisch." Ziemlich ratlos wurde nun der Onkel – also ich – damit betraut mit ihm zu reden. Und anders als seine Eltern, bin ich weniger schockiert, sondern eher ein wenig stolz auf meinen Neffen. Es gehört schon eine gesunde Portion Verstand und auch eine Menge Mut dazu, das kindliche Bild eines alten Mannes, der im Himmel auf einer Wolke sitzt und von dort oben herunterschaut zu hinterfragen. Und das im Alter von elf Jahren. Respekt.

Paulus lässt grüßen mit seiner Aussage aus dem 1. Korintherbrief: "Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war." (1. Kor. 13, 11) Den ersten Schritt auf dem Weg zu einem erwachsenen Glauben hat mein Neffe getan. Glauben hat nichts mit Kindisch-Sein zu tun.

Auf dem Weg des Erwachsen-Werdens hinterfragen wir zu Recht die einfachen und kindischen Bilder, die wir von dem einen Gott haben. Erfahrungen und Erleben zeigen oft, dass der Glaube und unser Bild von Gott nicht so einfach sind, wie es scheint. Da ist es nur richtig das kindische abzutun. Will sagen genauer zu schauen. Das heißt aber nicht, dass wir gleich alles über Bord werfen. Es gibt da etwas, das wir uns aus unserer frühen Glaubenszeit bewahren sollten – das kindliche Vertrauen, dass da jemand ist, ganz unabhängig von unseren Bildern. Sie bedürfen beim Erwachsen-Werden der Überprüfung. Kindisches gehört abgetan. Das Grundvertrauen aus der Kindheit darf uns dabei leiten vor dem Hintergrund eigener Lebenserfahrung neue Bilder Gottes zu entdecken und darin die Stärke für ein erwachsenes Glaubensleben zu finden.       

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