Glühwein Getränk mit Dekoration und Schnee
Je mehr Alkohol die Probanden im Blut hatten, desto größer das Vertrauen in die eignen Fahrtauglichkeit. Bildrechte: imago images/Aviation-Stock

Studie Eigene Fahrtüchtigkeit nach Alkohol: massiv überschätzt

08. Dezember 2021, 08:59 Uhr

Nach ein, zwei Tassen Glühwein kann ich doch Auto fahren, denkt sich mancher in der Vorweihnachtszeit und setzt sich wohlig aufgewärmt ans Steuer. Aber Vorsicht: Jeder Zweite, der so denkt, liegt wahrscheinlich daneben.

Wer Alkohol trinkt, hat am Steuer eines Autos nichts zu suchen: Eigentlich eine Binsenweisheit, die jedoch nach dem einen oder anderen Glas Wein oder Bier in Vergessenheit gerät, verdrängt von dem Gefühl, dass man sich ja noch völlig fahrtauglich fühlt. Genau diese "gefühlte Fahrtauglichkeit" hat ein Forschungsteam der Uni Witten/Herdecke jetzt untersucht und festgestellt: Jeder Zweite liegt falsch, wenn er oder sie meint, noch fit fürs Fahren zu sein.

Alkohol am Steuer: Das sagt der Bußgeldkatalog

Kraftfahrer müssen sich in Deutschland an ein Alkohollimit von 0,5 Promille halten. Dies entspricht einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l. In der Probezeit sowie unter 21 Jahren ist sogar eine Null-Promille-Grenze maßgeblich. Für Radfahrer gilt eine Promillegrenze von 1,6. Bei Autofahrten mit einem Promillewert zwischen 0,5 und 1,09 liegen die Konsequenzen bei einem Bußgeld zwischen 500 und 1.500 Euro, zwei Punkten in Flensburg sowie einem ein- bis dreimonatigen Fahrverbot. Ab 1,1 Promille handelt es sich um eine Straftat, auf die eine Geld- oder Freiheitsstrafe folgen kann. (Quelle: Bußgeldkatalog.de)

Trinken im Dienst der Wissenschaft

Was wurde untersucht? Für die Studie der Uni Witten/Herdecke tranken die Teilnehmenden in zwei Gruppen an zwei Folgetagen Bier und Wein (keinen Glühwein). Und zwar immer so lang, bis sie glaubten, dass sie die 0,5-Promille-Grenze erreicht hätten. Während des Testtrinkens wurde der Atem-Alkohol-Pegel der Probanden kontrolliert und auch erfragt, wie sie jeweils ihre momentane Fahrtüchtigkeit einschätzten. Eine Gruppe wurde dabei über den jeweiligen Blutalkoholwert informiert, die andere nicht.

Am ersten Tag hielten sich demnach 39 Prozent aller Teilnehmenden noch für fahrtauglich, als sie ihr Limit längst überschritten hatten, am zweiten Tag waren es 53 Prozent. Die Gruppe, die beim Trinken über ihren "Pegelstand" informiert wurde, schätzte am zweiten Tag ihre Fahrtüchtigkeit allerdings realistischer ein als die, die ihren aktuellen "Pegelstand" nicht kannten.

Mit steigendem Alkoholpegel steigt das Vertrauen in die Fahr-Fähigkeiten

Die Studie belegte außerdem: Je höher der Alkoholpegel, desto größer der Glaube an die eigene Fahrtüchtigkeit. Studienleiter Dr. Kai Hensels Fazit: "In Ländern mit gesetzlichen Alkoholgrenzen beurteilt meist der Fahrer, wie viel er getrunken hat und wie fahrtüchtig er sich fühlt. Unsere Studie zeigt, dass wir mit unserer Selbsteinschätzung aber sehr oft daneben liegen." Der Forscher kommt zu dem Schluss: Wer Auto fährt und nicht komplett auf Alkohol verzichten mag, sollte sich unbedingt mit der eigenen Alkoholtoleranz auseinandersetzen.

Hinweise in Kneipen und Bars oder Pop-up-Stände in der Nähe von Trinkhallen könnten dabei helfen, die eigene Atemalkoholkonzentration zu verstehen. Salopp gesagt: "Pi mal Daumen" zu "berechnen", wie schnell der Körper Alkohol verwertet, funktioniert nicht. "Das ist von Person zu Person verschieden; Geschlecht, Gewicht und Alter spielen beim Verstoffwechseln des Alkohols die Hauptrolle."

Menschen an einem Lagerfeuer
Am Ende des Abends schätzt jeder die eigene Fahrtauglichkeit selbst ein. Bildrechte: IMAGO / ingimage

Die komplette Studie lesen Sie hier.

Alkoholunfälle mit Personenschaden: historischer Tiefststand

Eine gute Nachricht zum Schluss: Die Zahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden, bei denen Alkohol eine der Ursachen war, ist 2020 mit 13 003 auf den niedrigsten Stand seit 1975 gesunken. Grund dafür dürfte laut Statistischem Bundesamt aber weniger die Vernunft der VerkehrsteilnehmerInnen, sondern eher das Corona--bedingt niedrigere Verkehrsaufkommen sein.

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