Fahrzeugdesign Digital und futuristisch: Das Auto-Cockpit der Zukunft
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16. Februar 2020, 05:00 Uhr
Die Deutschen und ihre Autos: Viele lieben ihre Fahrzeuge und geben richtig viel Geld für ihr Auto aus. Ganz wichtig dabei ist die Ausstattung - vom Cockpit bis zu Assistenzsystemen. Tesla hat sich da was getraut und ein riesiges Display eingebaut. Doch Forscher sagen jetzt: Displays sind out und statt schickem Leder stehen nachhaltige Materialien wie Hanf, Leinen und Wolle hoch im Programm. Und das Auto der Zukunft soll mit seinen Sensoren nicht nur Sehen, sondern auch Hören können.
Ein Auto ist eigentlich eher ein Accessoire, sagt Designer Professor Lutz Fügener. Also etwas, das man eigentlich nicht unbedingt braucht, was aber der Mode entspricht. Das Geld, das wir für ein Auto ausgeben, geben wir nicht nur für Mobilität aus, sagt er. "Unsere Mobilitätsbedürfnisse mit dem Auto, könnten wir mit ungefähr 35 Prozent des eingesetzten Geldes verwirklichen."
Das Auto ist zum Lebensraum geworden und wir lassen es uns mehr kosten als notwendig. Und dieser Lebensraum soll jetzt nachhaltiger und funktionaler werden, sagt Lutz Fügener. Er unterrichtet an der Hochschule in Pforzheim Design mit dem Schwerpunkt Verkehr und arbeitet selbst eng mit Autokonzernen zusammen.
Concept Cars
Die Autohersteller setzen ihre Zukunftsvisionen in sogenannten Concept Cars, also Konzeptfahrzeugen, um. Die werden der breiten Öffentlichkeit jedes Jahr auf den großen Autoshows oder anderen Events wie etwa der Consumer Electronics Show (CES) präsentiert. Sie sind automobile Designstudien. Konzeptfahrzeuge dienen den Automobilherstellern oftmals als Versuchsobjekte, um starke Änderungen am typischen Firmendesign auf ihre Publikumstauglichkeit zu testen.
Displays vor dem Aus
Fügener erzählt von Autositzen, die den Fahrer antippen, wenn er müde wird, einer Heizung, die nur dort wärmt, wo es eine Berührung mit dem Fahrer gibt und von großen Displays, die bald überflüssig sein werden: "Tesla hat diesen riesigen Bildschirm. Sie haben nur noch diesen einen Bildschirm in der Mitte", sagt der Design-Experte.
Aber das werde nicht mehr lange funktionieren. Denn solche Screens seien lebensgefährlich. Man muss draufschauen, um ihn zu bedienen, statt auf die Straße zu schauen. Deshalb wird längst an neuen Techniken geforscht. Zum Beispiel an Windschutzscheiben, die als Display dienen. Die nächste Stufe wäre die sogenannte "Augmented Reality". Das heißt, der Computer realisiert das, was der Fahrer sieht und baut es in die gezeigten Bilder ein.
Dass es mir also auf die Straße einen Pfeil projiziert und ich sehe auf der Straße, wie ein Pfeil um die Ecke geht. Also technisch geht das schon. Es ist noch nicht serienreif, aber es geht schon. Das sind grandiose Entwicklungen.
Die nächste "grandiose Entwicklung" seien unsichtbaren Displays. Da sehe man erst einmal nur eine mit Stoff bezogene Armatur, die sich dann - während der Fahrt - als Display entpuppe.
Das macht im Parkmodus zwar nicht so viel Eindruck, während der Fahrt dann aber umso mehr. "Ich sehe auch keine Grenze, wo das Display anfängt und wo die Fläche, das ist alles eins", so Fügener. Allerdings müsse noch geklärt werden, wie die Informationen da rein kommen, denn Knöpfe oder Drehschalter soll es im Auto bald kaum noch geben. Designer Lutz Fügener stellt sich vor, mit der Körperspannung zu arbeiten. Der mit Sensoren bespickte Autositz sieht voraus, was der Fahrer tun wird. Grundsätzlich sei im Cockpit der Zukunft Reduktion das Stichwort. Das bestätigen auch Forscher der Chemnitzer Universität.
Schalter, Regler und konventionelle Bedienelemente werden weitgehend verschwinden und von neuen Bedienkonzepten abgelöst.
Interieur der Zukunft ist nachhaltig
Prof. Werner Olle vom Chemnitzer Automotive Institut veröffentlichte vor wenigen Wochen eine Studie über das Interieur der Zukunft. Als Datengrundlage nutzte er Produkte von 20 Automobilherstellern und 15 Systemlieferanten weltweit. Mit einem Forscherteam sah er sich etwa 100 technologische Einzeltrends an. Als wichtiges Thema zeigten sich nachhaltige Materialien, wie Leinen, Wolle oder Hanf, so Olle: "Für Strukturbauteile, für Verkleidungen und textile Lösungen ist zu erwarten, dass wir Vorgaben haben werden, wie hoch der Anteil von nachhaltigen Rohstoffen sein wird." Heute liege der im Durchschnitt bei knapp zehn Prozent.
Schon ab Serienstart 2025 sollen die neuen Materialien und Designs im Auto verbaut werden, schreiben die Studienmacher. Heike Illing-Günther bezweifelt allerdings, dass das so schnell geht. Sie leitet die Forschungsabteilung im sächsischen Textilforschungsinstitut in Chemnitz und sagt, eine Lösung für ein geeignetes Material sei noch lange nicht in Sicht: "Ehe eine Entwicklung in der Industrie etabliert und großtechnisch umgesetzt wird und die Produktion läuft, vergehen immer zwischen zehn und 20 Jahre." Doch neue Materialien werden kommen. Denn die machen auch neue Formen möglich: Stichwort Formgedächtnismaterialien.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Mittelkonsole, auf die sie den heißen Kaffeebecher nur draufstellen und der würde sich dann dort einsenken und der Halter würde automatisch entstehen in dem Moment, wenn sie ihn brauchen.
Wenn Fahrer oder Beifahrer den Becher wieder wegnimmt, ist auch die Schale verschwunden und die Konsole sieht aus, als wäre nichts gewesen.
Bereits in der Anwendung sind recycelte Karbonplatten, aus denen stahlharte, aber leichte Sitzschalen gepresst werden. Doch Karbon wird aus Erdöl gewonnen und das soll ebenso durch Naturmaterialien ersetzt werden: "Die einen greifen auf das Lignin der Fichte zurück und die anderen versuchen Ähnliches aus Eukalyptus-Material zu machen", erläutert Illing-Günther. "Wieder andere Forschergruppen greifen auf die klassische Zellulose als Molekül zurück, um daraus Carbonfasern synthetisieren zu können."
Und da wären auch noch Hanf und Leinen: Auch diese absolut nachhaltigen Materialien sollen ins Auto. Die haben allerdings ein Akzeptanzproblem, sagt die Textilforscherin. Ein Auto solle nämlich bitteschön nach Leder riechen und nicht nach Natur. Aber auch daran arbeiten die Forschenden.
Das Auto lernt Hören
Am Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in Oldenburg kümmert man sich indes weniger um die Optik und mehr um Funktionalität. Hier wollen die Forscher unsere Autos der Zukunft mit einem Hörsinn ausstatten. Es sei vor allem in Hinblick auf autonomes Fahren zwingend notwendig, dass Autos Außengeräusche wahrnehmen und einordnen können. Das hörende Auto ergänzt also gewissermaßen bisherige Fahrassistenzsysteme, die mit Kamera, Lidar und Radar quasi als Augen fungieren.
Für autonome Fahrzeuge existieren externe akustische Wahrnehmungssysteme bisher nicht, trotz Ihres hohen Anwendungspotenzials. Sie signalisieren beispielsweise im Bruchteil einer Sekunde, wenn ein Fahrzeug mit eingeschaltetem Martinshorn naht. So weiß das autonome Fahrzeug, das es ausweichen muss, damit eine Rettungsgasse gebildet werden kann.
Möglich machen soll das eine künstliche Intelligenz (KI) - also Algorithmen, die ständig die Außengeräusche analysieren und bewerten. Dafür "füttern" die Forscher ihre KI mit typischen Geräuschen und Tönen. "Wir wenden Methoden des Maschinellen Lernens an. Wir trainieren unsere Algorithmen mit unterschiedlichsten, zuvor erhobenen Geräuschen, erläutert Hollosi. Und es gibt sogar schon erste Prototypten. Mitte des kommenden Jahrezehnts sollen sie marktreif sein. Die Technologie besteht neben der Software auch aus Mikrofonen und einem Steuergerät. Die werden außen am Fahrzeug angebracht und nehmen den Luftschall auf.
af/kk
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 16. Februar 2020 | 03:17 Uhr
MDR-Team am 17.02.2020
Lieber omg,
natürlich kann man Knöpfe fühlen und die entsprechende Stelle auf dem Display nicht. Wir bezogen uns allerdings auf die nötigsten Funktionen und haben lediglich angezweifelt, ob es beim Einschalten des Lichts oder der Steuerung der Lüftung wirklich einen Unterschied bei der Ablenkung macht, ob ich dies durch eine Taste oder ein Display erledige. Es ist ja nicht so, das man aktuell den Blinker oder die Hupe über ein Display bedient. Wie Sie in dem Artikel lesen konnten, wird aber sowieso schon längst an einer Weiterentwicklung der Displays und anderen Hilfsmitteln geforscht, um den Blick nicht mehr von der Straße wenden zu müssen.
Freundliche Grüße aus der MDR-Wissen-Redaktion
omg am 16.02.2020
Liebe Redaktion, schrieben Sie nicht, daß Ihnen beide Konzepte nach gewisser Eingewöhnungszeit "intuitiv und fast blind benutzbar" erschienen, würde ich vermutet haben, daß Sie das eine Konzept nie benutzt hätten. Mechanische Bedienelemente kann man erfühlen, auf den Touchscreen muß man zwingend schauen. Außerdem darf man diesen nur dort berühren, wo die gewünschte Funktion ausgelöst wird, sonst passiert etwas Ungewolltes. Ein Feld von Tasten erlaubt eine Fixierung der Hand über das Auflegen von Fingern in den Tastenzwischenräumen. Die quasi freihändige Bedienung von Touchscreens wird, besonders bei Fahrbahnunebenheiten, zum Drama. Ich denke, nicht ohne Grund werden Fahrtregler einschl Bremse sowie Lenkung nachwievor über mechanische Elemente gesteuert.
Der Mensch hat nun einmal einen Tastsinn, und er ist auf mechanische Kontrolle ausgelegt. "Gedankensteuerung" oder "Sprachsteuerung" klingt alles sehr interessant, wird aber wohl dem Menschen, wie er heute existiert wenig gerecht.
MDR-Team am 16.02.2020
Lieber Durchblick,
interessanter Gedanke. Wir fragen uns allerdings tatsächlich, ob es eine größere Ablenkung darstellt auf ein Display zu tippen, als einen Schalter zu bedienen. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit erscheint uns beides intuitiv und fast blind benutzbar, zumindest wenn es um die nötigsten Funktionen geht, die man tatsächlich zum Autofahren braucht. Der Großteil der modernen Fahrzeuge ist außerdem durch Sprachsteuerung zu bedienen, dann muss man den Blick gar nicht mehr von der Straße weg richten.
Dennoch finden wir, Ihre Überlegung sollte man durchaus in einer Studie prüfen. Die Geschwindigkeit bei einem Unfall lässt sich übrigens ganz gut durch Gutachter ermitteln. Wenn die Unfallursache Ablenkung war, schiebt man es nicht einfach auf die Geschwindigkeit.
Freundliche Grüße aus der MDR-Wissen-Redaktion