Biodiversität Immer mehr invasive Arten verändern unsere Natur
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09. Oktober 2020, 14:58 Uhr
Das gebietsfremde Grauhörnchen macht unserem einheimischen Eichhörnchen Konkurrenz. Ein Computermodell hat nun errechnet, wo und wie stark sich solche invasiven Arten in Zukunft verbreiten könnten.
Beim Spaziergang im Park oder bei der Gartenarbeit sieht man es heute seltener: das Eichhörnchen. Keine Bange, aussterben wird es nicht. Doch es hat einen Verwandten, der ihm zu schaffen macht: das Grauhörnchen. Aus Nordamerika nach Europa eingewandert, zählt das Grauhörnchen zu den gebietsfremden, sogenannten invasiven Tierarten. Das heißt: Es verdrängt heimische Tierarten. Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Hanno Seebens des Senckenberg Instituts hat nun ein Modell entwickelt, das Vorhersagen erlaubt, in welchem Maß diese invasiven Arten künftig zunehmen werden.
Auf Wanderung
Muscheln, Insekten, Gliederfüßer - es sind die kleinen Tierarten, die es besonders häufig nach Europa schaffen. Das sagt Hanno Seebens, Leiter einer Forschungsgruppe, die untersucht hat, wie sich gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten in den kommenden Jahren ausbreiten werden. Verwendet haben die Forschenden ein Computermodell, das die Anzahl gebietsfremder Arten auf den Kontinenten vorhersagt:
Wir wissen jetzt zum Beispiel von 3000 gebietsfremden Pflanzenarten in Europa. Das Modell prognostiziert, wie viele gebietsfremde Arten wir zum Beispiel bis 2050 in Europa zu erwarten haben.
Solche Prognosen in die Zukunft, erklärt Seebens, sind allerdings nur mit Daten aus der Vergangenheit möglich.
Dazu schauten sich die Forschenden zwei Zeiträume an: einmal Daten von 1960 bis 2005 und den Zeitraum von heute bis 2050.
Die Daten aus der Vergangenheit waren dabei wichtig, um Trends zu verstehen – also wie sich die Artenzahlen in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben. Und wir brauchen die Daten, um das Modell an sich zu testen.
Europa am stärksten betroffen
Mit diesen Erkenntnissen war es möglich, die zukünftige Entwicklung für die verschiedenen Kontinente vorherzusagen. Weltweit steigt die Zahl der invasiven Arten - so die Voraussagen - bis 2050 um 36 Prozent. Am stärksten betroffen ist Europa. Hier werden laut Modell im weltweiten Vergleich die meisten Arten einwandern. Laut Seebens zeigten die Prognosedaten hier Anstiege bis zu 64 Prozent.
Die meisten dieser Arten - das sagen die Studienergebnisse - sind Pflanzen und Insekten, aber auch Gliederfüßer wie Spinnen oder Krebstiere. Der Handel über die Meere spielt hier eine große Rolle. Muscheln setzten sich beispielsweise an einem Schiffsrumpf fest und reisen so in die Welt.
Die meisten der gebietsfremden Arten fallen wenig auf.
Hier Entwarnung zu geben, ist jedoch verfehlt. Es passt salopp gesagt der Spruch: Kleinvieh macht auch Mist. Ein Beispiel: der asiatische Laubholzbockkäfer.
Das ist eine Käferart aus Ostasien, die auch über den Handel, zum Beispiel über Verpackungsmaterial transportiert wird. Es wird Holzwolle als Verpackungsmaterial verwendet - und da stecken dann die Larven drin, oder auch in Paletten.
Das kann weitreichende Folgen haben. Die Käfer befallen einheimische Bäume und tragen dazu bei, dass die Bäume absterben. Um die Verbreitung der Art zu verhindern, sind zum Teil drastische Maßnahmen nötig.
Wenn so eine Art auftaucht, die zum Teil auch von Spürhunden erschnüffelt wird, dann müssen alle Bäume im Umkreis von 150 Metern gefällt werden. Das sind dann wirklich massive Eingriffe, die vorgenommen werden.
Regularien durchsetzen
Diese kleinen Tiere fallen nicht auf. So auch die Kirschessigfliege, eine Fruchtfliegenart. Sie schadet den Obstbauern. Dass Europa besonders betroffen ist, liegt auch daran, dass die Handels-Regularien für Europa lascher seien als auf anderen Kontinenten. Seebens weist jedoch auch darauf hin, dass ein Großteil der neuen Arten nicht bedrohlich sein werde. Das Problem liegt bei den wenigen Störenfrieden wie zum Beispiel dem Laubholzbockkäfer. Wie kann man ihre Einwanderung verhindern? In erster Linie lässt sich daran nur etwas ändern, wenn Regularien auf europäischer und internationaler Ebene gefunden werden. Denn es ist vor allem ein globales Problem. Auf individueller Ebene könne man aber auch etwas tun, so Seebens:
Die Frage ist, was wir in unseren Gärten anpflanzen. Sind das einheimische Arten oder sind das Arten, die auch außerhalb der Gärten existieren können. Oder welche Haustiere wir halten und was wir mit den Haustieren machen. Wenn man eine Schildkröte aussetzt, dann kann es eben passieren, dass man später eine neue Schildkrötenart außerhalb der Häuser vorfindet.
Viele der zugewanderten Arten passen sich unseren Ökosystemen an und verdrängen nicht zwangsläufig die einheimischen Tiere und Pflanzen. Welche sich als Störenfriede herausstellen, lässt sich schwer vorhersagen, da hier komplexe Dynamiken zugrunde liegen. Seebens schätzt, dass nur jede zehnte Art negative Auswirkungen haben wird.
Nordsachsen bd am 25.01.2021
Warum nicht die invasive Arten versuchen wieder zurück zudrängen? Zb kann man die grauen Eichhörnchen bejagen. Wird ja zb mit nutrias in manchen Bundesländern jetzt schon gemacht.
part am 09.10.2020
Der zunehmend schwächer werdende Golfstrom in Folge globaler Erwärmung wird für unsere Breitengrade zukünftig eine etwas kältere Periode bereit halten. Invasive Arten und Neophyten werden dadurch vielleicht wieder verschwinden aber auch bestehende Arten in Flora und Fauna werden darunter leiden. Den Waschbär wird es auf keinen Fall stören, er ist das Klima aus den US- Nordstaaten genetisch gewöhnt.
Atheist am 08.10.2020
Meine Güte, Menschen ändern sich, Tiere ändern sich.
Wir wollen mit fast 10 Milliarden Menschen eine Natur wie im 18. Jahrhundert, das wird nicht funktionieren!