Covid-19 Wie ansteckend sind Kinder und Jugendliche wirklich?

21. November 2020, 05:00 Uhr

Im Frühjahr sah es so aus, als würden sich Kinder und Jugendliche kaum mit dem Coronavirus anstecken. Inzwischen steigen auch in diesen Altersgruppen die Infektionszahlen. Selbst wenn es bislang noch keine eindeutigen Aussagen dazu gibt, welche Rolle sie genau im Pandemiegeschehen spielen, liegen doch inzwischen viele belastbare Studien vor, die zumindest Licht ins Dunkel bringen.

Ein Junge schreibt im Klassenzimmer an die Tafel. 3 min
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Kita- und Schulschließungen sowie Quarantänezeiten für Kinder und Jugendliche machen deutlich: Covid-19 macht vor Kindern und Jugendlichen nicht halt. In ihren Einrichtungen sind sie nach wie vor in geschlossenen Räumen zusammen, deshalb müsse man die Infektionswege dort besonders untersuchen, forderte die Virologin Isabella Eckerle von der Universität Genf (in den Tagesthemen). Man habe sich zu lange auf die Daten aus der ersten Jahreshälfte berufen, die Situation habe sich aber verändert. Gerade wenn die Schulen offen blieben, müsse man untersuchen, welchen Weg die Infektionen dort nehmen.

Weltweit unterschiedliche Studienergebnisse

Die Frage, welche Rolle Kinder im Corona-Infektionsgeschehen spielen, beschäftigt Forscherteams auf der ganzen Welt. In ihren Studien kommen sie zu teils sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Einige Untersuchungen zeigen, dass sich Kinder unter zehn Jahren generell weniger häufig infizieren. Eine Meta-Studie aus Großbritannien hat dazu 32 Studien analysiert. Meta-Studien gelten als besonders valide. Das gilt aber auch für Studien, die große Datensätze auswerten, wie die von der Princeton University: Dort haben Forschende in einer Kontaktverfolgungsstudie mehr als eine halbe Million Daten aus Indien untersucht. Das Ergebnis: Kinder sind sehr wohl stark ansteckend - allerdings vor allem in der eigenen Altersgruppe. Zwei ähnlich belastbare Studien - zwei unterschiedliche Ergebnisse.

Kinder sind Teil des Infektionsgeschehens

Eine ganze Reihe aktueller Untersuchungen stützt die These, dass auch Kinder infektiös sein können - Jugendliche sogar genau so stark wie Erwachsene. Mikrobiologie-Professor Michael Wagner von der Universität Wien ist daher überzeugt, dass Kinder ganz gleich welchen Alters eine Rolle im Infektionsgeschehen spielen:

Auch jüngere Kinder können sich anstecken und Infektionen weitergeben. Es gibt gerade eine neue Studie aus den USA, die zeigt, dass Kinder unter zwölf Jahren in Haushalten mindestens genauso infektiös sind wie Kinder über zwölf Jahre.

Prof. Michael Wagner, Mikrobiologe

Kinder häufiger infiziert als vermutet

Auch eine Studie vom Helmholtz-Zentrum München zeigt, dass die untersuchten Kinder deutlich häufiger Antikörper im Blut hatten, als die Zahl der registrierten Infektionen erwarten ließ. Das spricht einerseits für eine hohe Dunkelziffer an Infektionen, kann aber auch an einer Kreuzreaktion mit anderen Coronaviren liegen. Die Kinder könnten durch frühere Kontakte mit harmloseren Coronaviren Antikörper gebildet haben, die auch das Eindringen von Sars-CoV-2 verhindern. Eine entsprechende Studie veröffentlichten britische Wissenschaftler im Fachmagazin Science.

Weil Kinder deutlich seltener Symptome entwickeln, sieht es so aus, als bekämen sie seltener Corona. Mehrere Studien legen jedoch nahe, dass sie dennoch eine Viruslast tragen können und damit auch für andere Personen ansteckend sein können.

Isabella Eckerle, Virologin, Universität Genf

Für eindeutigere Aussagen weiter Testreihen nötig

Kurzfristig ist kaum mit eindeutigen und belastbaren Aussagen zur Rolle von Kindern im Infektionsgeschehen zu rechnen. Denn gerade weil sie oft keine Symptome zeigen, sind längerfristige Testreihen nötig. Bundesweit sind schon mehrere solcher Untersuchungen gestartet. Die WHO fasst die bisherigen Erkenntnisse in ihrem Coronavirus-Update 39 so zusammen: Die Rolle von Kindern bei der Übertragung ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Kinder jeden Alters können infiziert sein und das Virus auf andere übertragen. Bisherige Studien zeigen, dass Kinder unter zehn Jahren weniger ansteckend sind als ältere Kinder. Bei Teenagern treten Infektionen häufiger auf als bei jüngeren Kindern und sie scheinen sie auch häufiger zu übertragen.

Die Frage, wie infektiös vor allem kleine Kinder tatsächlich sind, ist also noch nicht abschließend beantwortet. Sehr wahrscheinlich hingegen ist, dass es zwischen Jugendlichen und Erwachsenen keinen Unterschied gibt. In Hinblick auf die Schule als möglichen Infektionsherd dürfte also eher das die Gruppe sein, die noch besonders relevant werden könnte. Zu diesem Schluss kommt auch das Fachmagazin Nature, das aktuelle Forschungsergebnisse zusammengefasst hat.

(kk/krm)

8 Kommentare

MDR-Team am 28.01.2021

Hallo @Kritische, das Framing zwischen den Zeilen ist nicht wirklich sachlich, denn "weggesperrt" wird niemand und pauschal lassen sich vermeintliche Folgen überhaupt nicht zusammenfassen. Der Risiken- und Nutzenfaktor wird immer abgewogen und liegt allein bei den Landesregierungen.

Aber: Während in Deutschland beraten wird, wann und wie Schulen und Kitas wieder öffnen sollen, hat in Frankreich der Lehrbetrieb nach den Weihnachtsferien wieder begonnen. Die Regierung verfolgt eine klare Linie. https://www.tagesschau.de/ausland/frankreich-schule-corona-101.html

Liebe Grüße

Kritische am 28.01.2021

Darum geht es doch gar nicht. Natürlich sind Kinder ansteckend, wie andere Menschen auch. ABER es ist eine gesellschaftliche Entscheidung, Kitas und Schulen trotzdem zu öffnen, so wie in Frankreich. Andere Bereiche runterfahren, Hygieneregeln und mit einer gewissen Zahl an Ansteckungen muss man leben. Es ist nur ein winziger Prozentsatz der Schüler betroffen. Die Lösung kann nicht sein, Kinder für Monate oder Jahre wegzusperren. Die Schäden von Schulschließungen sind viel höher als der Nutzen. Macron hat das erkannt und in F funktioniert das, trotz hoher Infektionszahlen. Wäre ja auch eine Idee, Lehrer in die erste Gruppe der zu impfenden zu nehmen, Klassen teilen, viel draußen unterrichten, in Dänemark fand schon vor Corona an 20 % der Schulen der Unterricht überwiegend draußen statt. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Aber Kinder wegsperren ist einfacher, als Erwachsene zu kontrollieren, so einfach ist das.

Querdenker am 23.11.2020

Die Meta-Studie vom September 2020 wertet im Wesentlichen älteren Studien der ersten Welle aus. In der Meta-Studie beklagen die Forscher ein Mangel an Daten und sie erhoffen sich in Zukunft mehr Daten zu bekommen.

siehe „jamanetwork Susceptibility to SARS-CoV-2 Infection Among Children and Adolescents Compared With Adults“

Mit der indischen Studie liegen nun sehr umfangreiche aktuelle Daten (über 570.000 Menschen aller Altersstufen) vor. Aus einem Land mit hohem Infektionsgeschehen.

siehe „spiegel Kinder offenbar doch ansteckender als gedacht“

Wenn in der Meta-Studie z.B. eine Studie aus Singapur bzgl. Schulen herangezogen wird, dann ist es auch wichtig zu wissen, dass es dort relativ harte Maßnahmen gibt und die Bevölkerung dabei stark mitmacht.

siehe „welt Corona in Singapur: Hier befolgen die Menschen alle Auflagen“

Deutschland aber ist in der Realität der zweiten Welle mit hohem Infektionsdruck angekommen (siehe „welt Fast 100 Corona-Infektionen an Schule in Hamburg-Veddel“).