Diät-Plan via DNA-Test Verraten unsere Gene, was wir essen sollten?

27. März 2020, 08:24 Uhr

Fast 70 Jahre ist es her, dass die Molekularbiologen James Watson und Francis Crick die Struktur unserer DNA entschlüsselt haben. Heute wissen wir, dass Vieles schon in unseren Genen begründet liegt. Unsere Größe, unsere Augenfarbe, auch die Neigung zu bestimmten Krankheiten. Doch steht in unserer DNA auch, wie wir uns ernähren sollten? Verschiedene Firmen versprechen mittlerweile einen individuellen Ernährungsplan anhand eines DNA-Test. Aber kann das überhaupt funktionieren?

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Größe, Augenfarbe, die Neigung zu bestimmten Krankheiten - Vieles ist schon in unserer DNA angelegt. Doch verrät sie auch, wie wir uns ernähren sollten?

MDR AKTUELL Di 17.03.2020 15:46Uhr 05:44 min

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Viele Menschen kennen das: Tausend verschiedene Diäten ausprobiert und nichts hat wirklich funktioniert. Die Wunschfigur erreichen und vor allem halten, ist oft schwer. Dazu kommen die vielen unterschiedlichen Ratschläge: Wenig Fett, mehr Kohlenhydrate - oder sind die doch schuld am Übel? Deswegen klingt das Angebot von Firmen wie Lykon, Cogap, Nutrilite, Slimkey oder Cerascreen ersteinmal verlockend: Mit einem DNA-Test individuell schauen, was der eigene Körper braucht und so ganz einfach den Weg zur Wunschfigur finden.

Stäbchen rein - Adonis sein?

Auch die Umsetzung ist für die Kunden denkbar einfach. Sie bestellen den DNA-Test online und bekommen ihn dann nach Hause geliefert. So ähnlich wie bei der Deutschen Knochenmarksspende oder dem Corona-Test enthält das Paket Wattestäbchen in einem kleinen Glasröhrchen.

Ein Wangenabstrich zuhause, ein DNA-Test im Labor und schon soll der individuelle Ernährungsplan stehen.
Ein Wangenabstrich soll verraten, was unser Körper braucht Bildrechte: lykon.de

Der Kunde muss nun nur die Innenseite seiner Wangen abstreichen, die Wattestäbchen in das Glasröhrchen packen und das Paket ans Labor zurück schicken. Damit er seine Ergebnisse erhält, muss er sich online registrieren und seine Daten mit dem individuellen Barcode des DNA-Tests verknüpfen. So einfach das Verfahren, so teuer ist es - ab 189 bis über 300 Euro bezahlen Kunden für den Test.

Ein fairer Preis, wenn man dafür verlässliche Antworten bekommt? Die Firmen versprechen eine individuelle Analyse des Stoffwechseltyps, der Neigung zu Übergewicht und Jojo-Effekt und wollen den Kunden dann sogar mit der richtigen Sportart und individuellen Ernährungsplänen zur Seite stehen. Alles anhand der Gene.

Verlässliche Ergebnisse?

Vereinfacht kann man sich die DNA als einen langen Faden vorstellen, bei dem Milliarden von Buchstaben aneinandergereiht sind. Eigentlich ist die Reihenfolge dieser Buchstaben festgelegt, wenn man jedoch die DNA von zwei Menschen vergleicht, gibt es immer mal wieder Stellen, an denen sich der Buchstabe unterscheidet.

Diese Varianten machen die Unterschiede zwischen uns Menschen aus. Doch was bedeutet das jetzt für den DNA-Test?

Dass man genomweit Varianten bestimmt, die dafür bekannt sind, dass sie mit Übergewicht in Beziehung stehen. Und dann kann man einen bestimmten Score ausrechen, wie hoch das Risiko für Übergewicht ist. Man muss aber sagen, der beste genetische Score erklärt nur ungefähr 8 Porzent der Varianz vom BMI. Das liegt eben daran, dass ein Großteil nicht genetisch bestimmt ist, aber auch daran, dass wir erstmal herausfinden müssen, welche weiteren genetischen Faktoren eine Rolle spielen.

Markus Scholz, Leipziger Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie

Markus Scholz - Leipziger Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie
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Anhand der DNA verlässliche Aussagen darüber zu treffen, ob jemand zu Übergewicht neigt, ist also nicht möglich. Die Firmen versprechen aber genau das. In der Auswertung des Tests steht etwa bei Lykon, man hätte sich 23 sogenannte SNPs der DNA angeschaut, die mit Übergewicht und Hungergefühl zusammenhängen sollen. SNPs sind Variationen eines einzelnen Basenpaares. Davon hat der Mensch drei Milliarden. Wenn man sich davon nur 23 anschaut, sagt das viel über die Aussagekraft der Ergebnisse.

Mythos Stoffwechseltypen

Und Markus Scholz geht noch einen Schritt weiter: Verschiedene Stoffwechseltypen gäbe es gar nicht. Dabei haben wir doch alle schon davon gehört, dass es Menschen gibt, die Fett besser verstoffwechseln oder Kohlenhydrate weglassen. Alles Mythos?

Zumindest nicht wissenschaftlich belegt, sagt auch das Integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) AdipositasErkrankungen in Leipzig schriftlich auf unsere Anfrage.

Uns sind keine belastbaren Studien zu diesem Thema bekannt. Auch mehrere angesprochene Wissenschaftler des IFB konnten keine Auskunft dazu geben.

IFB AdipositasErkrankungen

Das lässt solche Tests ziemlich unseriös erscheinen. Deshalb rät auch die Verbraucherzentrale davon ab. So schreibt sie auf ihrer Webseite: Es gäbe keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass eine Diät, die an das genetisch vorgegebene Stoffwechselprofil angepasst ist, besser sei als eine ganz normale Diät. Letztendlich wäre das Kaloriendefizit entscheidend für die Gewichtsabnahme.

Für diese Erkenntnis muss man heutzutage aber kein Geld mehr ausgeben. Wer trotzdem damit liebäugelt, einen Wangenabstrich zu machen, sollte das vielleicht doch lieber für die Deutsche Knochenmarkspende machen - da kann man mit diesem einfachen Test nämlich wirklich etwas bewirken.

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