Junge versteckt sein Gesicht hinter einem Stofftier
Eine harte Erziehung kann sich auch in der DNA niederschlagen, wie eine belgische Studie ergeben hat. (Symbolfoto) Bildrechte: IMAGO / imagebroker/begsteiger

Epigenetik Harte Erziehung: Depressionsrisiko kann vererbt werden

18. Oktober 2022, 12:56 Uhr

Kinder, die sehr streng erzogen wurden, haben ein höheres Risiko, später an Depressionen zu leiden. Das haben belgische Forschende mithilfe der Epigenetik herausgefunden – eines relativ neuen Zweigs der Forschnung, bei dem untersucht wird, wie Verhaltensweisen vererbt werden.

Die Experten von der Uni Löwen analysierten dafür die DNA von insgesamt 44 Jugendlichen im Alter von zwölf bis 16 Jahren. 21 von ihnen hatten zuvor angegeben, eine glückliche Kindheit verlebt zu haben (unterstützende Eltern, die ihren Kindern Autonomie gewährten), während die restlichen 23 von einer sehr strengen Erziehung berichteten (manipulatives Verhalten, physische Bestrafung). Einige der letztgenannten zeigten bereits Spuren einer klinischen Depression.

Im Anschluss wurde der Grad der Methylierung bei den Probanden gemessen, also der Prozess der Hinzufügung eines chemischen Moleküls zur DNA, bei dem Informationen in der DNA modifiziert werden können. Vorherige Zwillings-Studien hatten diesen Prozess mit einem höherem Depressionsrisiko in Verbindung gebracht. Das Ergebnis: Bei den untersuchten Personen, die eine strenge Erziehung erlebt hatten, war ein deutlich höherer Grad an Methylierung messbar.

Auch andere Arten von Stress in der Kindheit können zu Methylierung führen

Bei der Methylierung bleibe die DNA dieselbe, aber die zusätzlichen chemischen Moleküle ändern die Art, wie die DNA-Informationen gelesen würden, erklärt die Studienautorin Dr. Evelien Van Assche: "Diejenigen, die von einer strengen Erziehung berichten, zeigten eine höhere Tendenz in Richtung Depression und wir glauben, dass diese Tendenz in die DNA 'eingebacken' wurde im Prozess der Methylierung."

In einem weiteren Schritt wollen die Forschenden nun schauen, ob sie die Erkenntnisse mit späteren Diagnosen von Depression verknüpfen können. In Zukunft wäre ein höherer Grad an Methylierung auch als ein Warnsignal denkbar, das anzeigt, ob die jeweilige Erziehung in eine höhere Wahrscheinlichkeit für Depressionen mündet.

Insgesamt könne jede Art von größerem Stress in der Kindheit zu mehr Methylierung führen – nicht nur eine harte Erziehung, so Evelien Van Assche. Damit könnten auch andere Arten von Stress die Weise verändern, wie die DNA gelesen wird und für ein höheres Depressionsrisiko sorgen. Diese Annahme müsse aber noch mit einer größeren Stichprobe bestätigt werden, betont die Studienautorin.

Links/Studien

Ein Abstract der Studie wurde auf dem 35. European College of Neuropsychopharmacology annual conference vorgestellt.

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