Astronomie Entdeckt: Ein "Verbotener Planet" in der "Neptunwüste"

01. Juni 2019, 05:00 Uhr

Wissen Sie, was ein verbotener Planet ist? Einer den es gar nicht geben sollte. 20 Mal so groß wie die Erde. Und trotzdem rast er in nur 1,3 Tagen einmal um seinen Stern, ohne seine Atmosphäre zu verlieren.

Ein Planet vor einer Sonne 3 min
Bildrechte: University of Warwick
3 min

Ein internationales Forscherteam hat einen Exoplaneten entdeckt, den es gar nicht geben dürfte. Zu groß, zu schnell, zu gasförmig - für die Wissenschaftler eine Sensation.

MDR AKTUELL Do 30.05.2019 08:17Uhr 03:00 min

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Dr. Philipp Eigmüller ist ganz schön stolz. Denn der Planetenforscher vom DLR in Berlin hat zusammen mit einem internationalen Forscherteam einen Planeten entdeckt, den es gar nicht geben dürfte. Einen verbotenen Planeten. Er heißt NGTS-4b und seine Entdeckung ist in mehrfacher Hinsicht etwas ganz Besonderes.

Fangen wir mit der Größe an. NGTS-4b, der in rund 900 Lichtjahren von uns entfernt seinen Zwergstern umkreist, ist 20 Mal so groß wie die Erde. Aber er verdunkelt seinen Stern nur um 0,2 Prozent, wenn er an ihm vorüberzieht. Trotzdem konnten die Forscher ihn entdecken – mit einem Teleskop von der Erde aus.

Zwölf Teleskope auf Planetensuche

"Das Herausragende an der Entdeckung ist zuallererst, zeigen zu können, dass das System funktioniert", sagt Philipp Eigmüller, Astrophysiker am Institut für Planetenforschung des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums in Berlin. Das System ist das NGTS, von dem auch die Namen für den Stern und seine Planeten abgeleitet sind.

Vier Männer in einem Container umgeben von Teleskopen
Die Forscher der University of Warwick im NGTS auf Chiles Mount Paranal - zwischen den zwölf Teleskopen, die den Himmel nach neuen Planeten absuchen. Bildrechte: University of Warwick

NGTS bedeutet Next Generation Transit Survey. Es ist ein vollautomatisches System von zwölf hochpräzise nachführbaren Teleskopen. Der Komplex steht auf 2.518 Meter hoch gelegenen Gelände der Europäischen Südsternwarte (ESO) auf dem chilenischen Mount Paranal. Mit den Anlagen wird gezielt nach Planeten gesucht, die periodisch in die Sichtlinie zwischen dem jeweils betrachteten Stern und der Erde treten und diesen deshalb abschatten. Dadurch sinkt die gemessene Helligkeit des Sterns für einige Stunden ein wenig ab.

Gähnende Leere in der "Neptunischen Wüste"?

Die Größe des Planeten ist aber auch noch in anderer Hinsicht erstaunlich. "Wissenschaftlich hochinteressant ist die Position im Masse-Abstandsdiagramm", beschreibt es Eigmüller. Denn unsere Galaxie scheint bevorzugt zwei Sorten von Planeten zu produzieren, zum einen kleine, steinige Supererden und zum anderen heiße, gasreiche Mini-Neptune oder riesige Jupiter. Die Zwischengröße ist, trotz der inzwischen großen Zahl entdeckter extrasolarer Planeten, kaum vertreten, weshalb Astronomen von einer Neptunwüste sprechen. "Der Planet, den wir entdeckt haben, liegt genau in dieser Wüste", so Planetenforscher Eigmüller.

Bei der Neptunwüste handelt es sich also um keine Wüste auf Neptun, sondern eine Lücke zwischen Supererden und Neptun-großen Planeten, die jetzt durch NGTS-4b gefüllt wird.

Exot unter den Exoplaneten

Der neue Exoplanet ist mit einer Masse von rund 20 Erdmassen etwas schwerer und 3,2 Erdradien etwas kleiner als Neptun, übertrifft aber dessen Dichte mit circa 3,4 g/cm3 um mehr als das Doppelte. Er hat mit 1,3 Erdtagen eine extrem kurze Umlaufzeit. Darüber hinaus ist mit 0,019 Astronomischen Einheiten (AE) die Entfernung zu seiner Sonne ungewöhnlich klein, wenn man bedenkt, dass Merkur, der innerste Planet unseres Sonnensystems, eine mittlere Entfernung von 0,5 AE zur Sonne aufweist. Die Erde gibt dieses Maß vor, denn eine AE ist die mittlere Entfernung Sonne-Erde.

Geheimnis eines Überlebenskünstlers

Auch für Richard West, Physiker und Astronom an der Universität von Warwick, Großbritannien, die federführend für das weltweite Projekt ist, war vollkommen unerwartet, dass NGTS-4b dort überhaupt existieren kann. "Der Planet muss ziemlich hart im Nehmen sein, da er sich in einem Bereich, in dem Neptun-große Planeten nicht überleben können, befindet."

Der Planet reiht sich hinsichtlich des Verhältnisses von Radius zu Masse sehr genau in eine Reihe mit vielen anderen, bisher aufgefundenen Exemplaren ein, von denen man glaubt, dass sie fast vollständig aus Wasser bestehen. Jedoch ist es schwer vorstellbar, dass eine ausgedehnte Gashülle dem Strahlungsdruck des nahen Sterns lange widerstehen kann und nicht einfach in kurzer Zeit fortgeblasen wird. Die physikalischen Prozesse, die dafür verantwortlich sind, dass Planeten auf derart engen Umlaufbahnen überleben können, sind bislang noch unverstanden.

Die Planetenjagd geht weiter

"Die Suche nach heißen Planeten, die nah um ihre Sterne fliegen, ist eine Aufgabe für die kommenden Jahre und Jahrzehnte", sagt Eigmüller, der in Leipzig Physik studiert und an der Uni Jena zu Extrasolaren Planeten promoviert hat. "Wir werden unsere Daten überprüfen, ob wir weitere Planeten in der Neptunwüste finden."

Vielleicht ist die Wüste grüner als gedacht.

Dr. Philipp Eigmüller

(sus)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 30. Mai 2019 | 08:20 Uhr