Abdruckstelle in Schöningen
Abdruckstelle in Schöningen Bildrechte: Senckenberg

WISSEN-NEWS Vor 300.000 Jahren: Europäische Frühmenschen waren versierte Holzbearbeiter

02. April 2024, 13:46 Uhr

In Niedersachsen wurden vor einigen Jahren die ältesten vollständig erhaltenen Jagdwaffen gefunden. Eine Untersuchung weiterer Gegenstände zeigt das technische Wissen der damaligen Bewohner von Schöningen.

Ein Forschungsteam des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege hat mit modernen Methoden wie 3D-Mikroskopie die Bestandsaufnahme der Fundstätte von Schöningen bei Helmstedt durchgeführt. Damals, vor 300.000 Jahren, gab es hier ein Seeufer. Heute ist es ein alter Braunkohletagebau.

Die insgesamt 187 hölzernen Funde zeigen ein breites Spektrum an Holzbearbeitungstechniken und beweisen damit, dass die damaligen Bewohner bereits versiert Waffen herstellen konnten. Unter den Gegenständen befinden sich mindestens 20 Jagdwaffen und 35 weitere Werkzeuge, die wohl für den häuslichen Gebrauch eingesetzt wurden, etwa zur Bearbeitung von Tierhäuten.

"Jagdwaffen waren nicht einfach nur Stöcke mit Spitzen, sondern technisch fortgeschrittene Werkzeuge", heißt es in der Studie. Vor allem die zehn entdeckten Speere mit einer Länge von 2,5 Metern erlangten Weltberühmtheit. Sie gelten als die mit Abstand ältesten vollständig erhaltenen Jagdwaffen weltweit. Sieben weitere Objekte wurden wohl als Wurfhölzer ebenfalls zur Jagd eingesetzt.

Ressourcen stammen aus anderen Regionen

Hergestellt wurden die Objekte überwiegend aus Fichten, aber auch aus Kiefern und Lärchen. Zudem stammt das Rohmaterial nicht aus der direkten Umgebung, sondern vom nahegelegenen Höhenzug Elm oder sogar aus ferneren Regionen wie dem Harz. Ausgewählte Holzstämme seien zu Speeren und Wurfhölzern verarbeitet worden, während beschädigte Objekte auch repariert oder recycelt wurden.

Acht Speere und sechs DPS aus Schöningen 13 II-4, die bis 2008 ausgegraben wurden, konnten sicher identifiziert werden.
Acht Speere und sechs DPS aus Schöningen 13 II-4, die bis 2008 ausgegraben wurden, konnten sicher identifiziert werden. Bildrechte: Dirk Leder, Jens Lehmann, Annemieke Milks, Tim Koddenberg, Michael Sietz, Matthias Vogel, Utz Böhner und Thomas Terberger

Die Funde zeugen demnach von langer Erfahrung in der Holzbearbeitung, technischem Know-how und von komplexen Arbeitsvorgängen. So wurde teilweise die Rinde entfernt, ein Teil der Oberfläche abgeschliffen und Enden angespitzt. Mit der sogenannten Spalttechnik sei zudem erstmals eine neue Form der Bearbeitung für diese Epoche nachgewiesen worden.

Vor 300.000 Jahren habe sich in Eurasien der Homo erectus oder Homo heidelbergensis zum Neandertaler entwickelt. Zu jener Zeit entwickelte sich in Afrika der Homo sapiens, nach Europa kam der moderne Mensch aber erst vor grob 50.000 Jahren.

Links/Studien

Die Studie erschien am 1. April 2024 in der Fachzeitschrift PNAS: The wooden artifacts from Schöningen’s Spear Horizon and their place in human evolution (Die hölzernen Artefakte aus dem Speerhorizont von Schöningen und ihr Platz in der menschlichen Evolution).

dpa, pk

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 29. März 2024 | 09:10 Uhr

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