Verstorbene kompostieren Der Traum von der ökologischen Bestattung
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Wir kaufen Bio, fahren Rad oder steigen aufs E-Auto um. Aber wie ökologisch können wir eigentlich nach unserem Leben sein? Wie wäre es, uns selbst zu kompostieren? Das ist zunächst ein befremdlicher Gedanke. Doch es gibt bereits Verfahren dafür. In den USA sind sie sogar schon erlaubt.

Das Kompostieren kennen wir alle: Speise- und Pflanzenreste verwandeln sich dank Mikroorganismen und Sauerstoff zu Humus, einem nährstoffreichen Substrat. Unliebsames wird beseitigt, Nützliches entsteht – durch schnelle, kontrollierte Zersetzung. Sich das für die eigene Bestattung vorzustellen, ist ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke, selbst wenn man die ökologischen Vorzüge vor Augen hat. Die Idee ist nicht neu, bereits in den 1990er-Jahren hatte die Biologin Susanne Wiigh-Mäsak in Schweden ein Verfahren entwickelt, um die Körper Verstorbener auf eine Kompostierung vorzubereiten.
Promession: den Leichnam gefriertrocknen und granulieren
In zwei Schritten wird der Leichnam zunächst heruntergekühlt: Erst auf 18 Grad Minus, dann in Stickstoff getaucht auf 196 Grad Minus. Damit wird ihm das Wasser entzogen, das etwa 70 Prozent des Körpers ausmacht. Außerdem wird er dadurch so zerbrechlich, dass eine gezielte Erschütterung ausreicht, um ihn in winzige Teilchen zerfallen zu lassen. Damit haben die Mikroorganismen später eine große Angriffsfläche und können die organischen Überreste schnell zersetzen. Das Granulat wird in ein verrottbares Gefäß gefüllt und beigesetzt. Optimal sind dafür ca. 80 cm Tiefe, denn dort sind genügend Kleinstlebewesen im Boden.
In nur zwölf bis 18 Monaten ist das menschliche Gewebe dann vollständig abgebaut. Zum Vergleich: In sandigen Böden verwest ein Körper in etwa 15 Jahren, in lehmigen Böden kann es bis zu 60 Jahren dauern und in sehr nassem Untergrund bilden sich sogenannten Wachsleichen, die sich gar nicht zersetzen. In jedem Fall bleiben Knochen zurück.
Die Erfinderin Susanne Wiigh-Mäsak war überzeugt, mit ihrem Verfahren eine Trendwende im Bestattungswesen einzuläuten. 1999 hatte sie für die Promession in Schweden ein Patent angemeldet und die Firma Promessa gegründet, die die Methode weltweit etablieren soll. Doch nicht einmal sie selbst konnte sich den Wunsch erfüllen, nach ihrem Tod ein Geschenk zurück an die Natur zu werden, wie es auf der Promessa-Webseite heißt.
In Deutschland überwiegen christliche Vorstellungen
Inzwischen gibt es weitere Patente in anderen Ländern und das Vorgehen wurde weiterentwickelt. Doch genutzt wird die Promession nicht. In Jönköping/Schweden gibt es eine Versuchsanlage, doch nirgendwo sonst gibt es die Möglichkeit, das Verfahren anzuwenden. Hans-Joachim Möller, vom Verband unabhängiger Bestatter e.V. sieht die Gründe hierfür zum einen in der Zurückhaltung der Menschen dieser Methode gegenüber.
Wir sind in Deutschland überwiegend von christlichen Vorstellungen geprägt. Da tun sich die Leute schwer, sich auf die Idee des Kompostierens einzulassen.
Das sei anfangs bei der Feuerbestattung auch so gewesen. Inzwischen gehört sie zu den häufigsten Bestattungsarten in Deutschland. Dass das eines Tages auf das Kompostieren vielleicht ebenso zutrifft, dafür fehlt es bislang auch an den juristischen Voraussetzungen. Zwar ist die Promession an sich mit den Bestattungsgesetzen vereinbar, solange das Granulat anschließend auf einem Friedhof oder in einem Friedwald beigesetzt wird. Allerdings sehen die Gesetzestexte der Länder diese Bestattungsform gar nicht vor. Lediglich in Niedersachsen wurde neben der Erd- und der Feuerbestattung auch die Promession mit aufgenommen.
Hans-Jaochim Möller sieht in der Kompostierung durchaus eine umweltfreundliche Alternative. Zwar seien Krematorien heute mit Hochleistungsfiltern ausgestattet, doch in denen sammelten sich zahlreiche Giftstoffe: Rückstände von Chemotherapien, Kadmium und Zink aus Herzschrittmachern, Formaldehydharze aus Sargplatten und nicht zuletzt Zusatzstoffe, Insektizide und Pestizide aus unseren Nahrungsmitteln.
Die Filterasche der Krematorien ist so giftig, dass sie als Sondermüll in Salzstöcken eingelagert werden muss.
Auch bei Sargbestattungen gelangen diese Gifte in den Boden und ins Grundwasser. Trotzdem bleibt die Promession bis auf weiteres Zukunftsmusik. In den USA hingegen gibt es ein anderes Verfahren, das unter anderem in Washington zugelassen wurde und für das inzwischen eine Anlage in Betrieb ist.
Kompostieren in den USA: Noch mehr Natur geht nicht!
Und mehr Futurismus geht wohl auch nicht: In riesigen Waben werden die Verstorbenen auf Holzspäne und Pflanzenreste gebettet und damit bedeckt. 2014 wurde das Verfahren des Unternehmens "Recompose" in Zusammenarbeit mit der Abteilung für forensische Anthropologie der Western Carolina University an sechs Spenderkörpern erfolgreich getestet. Die Methode verzichtet auf Stickstoff und das Gefriertrocknen, sondern funktioniert allein mit Sauerstoff und Mikroorganismen. Im Dezember 2020 ging mit dem Greenhouse in Kent/Washington die erste öffentliche Anlage in Betrieb. Dort können derzeit zehn Verstorbene innerhalb eines Jahres kompostiert werden. Der Grundpreis für eine Bestattung dieser Art liegt bei 5.500 US-Dollar. Die Akzeptanz und das Interesse sind offenbar deutlich höher als in Europa. Bereits im Sommer 2020 waren 6,75 Millionen US-Dollar über Spenden und Beiträge der zahlenden Kundschaft zusammengekommen.
Die Unternehmensgründerin Katrina Spade sieht ihr Projekt als Teil einer weltweiten Bewegung, die Bestattungen weniger umweltschädlich und im Idealfall sogar umweltfreundlich machen will. Ihr Verfahren bietet dafür sogar noch mehr Potential: Wärme. Die Mikroorganismen erzeugten in den Holzspänen Temperaturen von bis zu 70 Grad Celsius.
Die Ankündigung der Revolution und die Eröffnung der ersten öffentlichen Recompose-Anlage hat die Promessa-Erfinderin nicht mehr miterlebt. Sie erlag am 1. September 2020 einem Krebsleiden. Auch für uns in Deutschland wird diese Form der ökologischen Bestattung bis auf weiteres Zukunftsmusik bleiben. Wer umweltverträglich aus dem Leben gehen will, muss sich zunächst mit kleinen Schritten begnügen: zum Beispiel mit nachhaltigen Särgen und Urnen, mit dem Verzicht auf Mittel zur Balsamierung und mit einer insektenfreundlichen Grabgestaltung.
part am 25.07.2021
Das Kremieren ist dabei die dümmste und Umwelt-schädlichste Art einen Leichnam zu beseitigen. Beim Kompostieren kommt dann wiederum der Energieverbrauch für die Stickstoffkühlung hinzu. Am einfachsten ist es doch gleich unter die Erde, denn Mutter Natur braucht den Menschen nicht...