Herz-Kreislauf Bluttest verrät Frauen Risiko für Herzerkrankungen in den nächsten 30 Jahren
Hauptinhalt
31. August 2024, 09:26 Uhr
Man kann im Blut fast lesen wie in einem Buch: Das zeigen zwei neue Studien aus den USA und Spanien. Für Frauen lässt sich offenbar das Risiko für Herzerkrankungen für 30 Jahre vorhersagen, sagt eine Studie aus den USA. Und eine Analyse aus Europa zeigt, dass veränderte Zellen im Blut offenbar Atherosklerose befeuern.
Herz-Kreislauferkrankungen sind die häufigste Todesursache in Deutschland. Die Bundesregierung hat deshalb gerade ein Gesundes-Herz-Gesetz beschlossen. Der Entwurf sieht beispielsweise regelmäßige Untersuchungen ab dem Kindesalter, aber auch bei Erwachsenen vor. Forschung aus den USA könnte solche Untersuchungen entscheidend voranbringen.
Ein neuer Bluttest, bei dem zwei spezielle Fett-Werte und ein Protein untersucht werden, zeigt Frauen, ob ihnen in den kommenden 30 Jahren Herzerkrankungen drohen. Die Studie von Forschern des National Heart, Lung and Blood-Institut in Maryland wurde jetzt im Fachmagazin New England Journal of Medicine veröffentlicht.
Wer und was wurde untersucht?
Von knapp 28.000 Gesundheitsdienstleistern aus den USA wurden dafür Blutproben und medizinische Informationen von Frauen gesammelt. Die Frauen, die zwischen 1992 und 1995 an der Studie teilnahmen, wurden 30 Jahre lang beobachtet. In diesem Zeitraum hatten 3.662 von ihnen einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall, wurden am Herzen operiert oder starben an anderen Herz-Kreislauf-bedingten Ursachen.
Für die Studie wurden die drei Werte von LDL-Cholesterin, Lp(a) (Lipoprotein a, dieses Protein verhindert, dass sich im Blut Fetttropfen bilden) und CRP Protein (das C-reaktive Protein zeigt an, ob Entzündungen vorliegen) im Blut analysiert und zwar in fünf verschiedenen Kategorien. Dabei zeigte sich: Frauen mit den höchsten LDL-Cholesterinwerten hatten ein um 36 Prozent erhöhtes Risiko für Herzkrankheiten, verglichen mit Frauen mit den niedrigsten Werten.
Das Risiko der Frauen mit den höchsten Lp(a)-Werten war 33 Prozent höher, und bei den Frauen mit den höchsten CRP-Werten wurde ein 70 Prozent erhöhtes Risiko nachgewiesen. Wurden alle drei Messwerte, also LDL-Cholesterin, Lp(a) und CRP, zusammen bewertet, hatten die Frauen mit den höchsten Werten ein mehr als 1,5-fach erhöhtes Risiko für Schlaganfall und ein mehr als 3-fach erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheiten, verglichen mit den Frauen mit den niedrigsten Werten.
Studienmitautor Dr. Paul M. Ridker, Direktor des Zentrums für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen am Brigham and Women's Hospital in Boston, sagt: "Was wir nicht messen, können wir nicht behandeln. Unsere Studienfunde helfen hoffentlich dabei, die Früherkennung für Erkrankungen am Herzen voranzutreiben und zu verbessern." Für dauerhafte Herzgesundheit empfehlen er und sein Team die (eigentlich) bekannten Verdächtigen: Vorbeugung durch Bewegung, gesunde Ernährung, gutes Stress-Management, Vermeidung von Tabak.
Spaniens Untersuchung zu CHIP und Atherosklerose
Alles Dinge, die auch Forscher in Deutschland empfehlen würden, die sich eine Studie aus Spanien angeschaut haben, die ebenfalls das Blut im Visier hatte, allerdings in Bezug auf Atherosklerose. Das CHIP-Phänomen, das quasi den Alterungsprozess des Körpers begleiten kann, sorgt vereinfacht gesagt dafür, dass das Herz nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Das passiert, wenn die Arterienwände von Plaque belegt sind, also Ablagerungen, die den Blutfluss behindern. Und wenn eine bestimmte Menge von mutierten Blutzellen im Blut vorhanden sind, spricht man vom CHIP-Phänomen.
Bisher war noch nicht ausreichend geklärt, ob und wie die CHIP und kardiovaskuläre Erkrankungen zusammenhängen. Für die Studie aus Spanien wurden nun im Laufe von sechs Jahren die knapp 3.700 Teilnehmenden dreimal untersucht. Die Analyse ihrer Blutwerte zeigte, dass bei denjenigen mit CHIP das Risiko um den Faktor 2,1 erhöht war, in drei Jahren eine Atherosklerose in der Oberschenkelarterie zu entwickeln. Umgekehrt wurde aber nicht gefunden, dass Menschen mehr mutierte Blutzellen bekamen, wenn jemand schon Atherosklerose hatte.
Wie werten andere Forscher die Studie: Durchbruch? Teil-Erfolg? Was fehlt?
Die Studie stößt in der deutschsprachigen Forschung auf ein durchwachsenes Echo. Prof. Dr. Christoph Binder vom Zentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften forscht zu Atherosklerose. Er bemängelt, dass das Ausmaß der Erkrankung in dieser relativ jungen Kohorte mit durchschnittlich 55 Jahren noch zu gering sei, um diesen Effekt, also das Befeuern der Expansionsrate der Mutationen durch Atherosklerose, nachzuweisen. Für ihn fokussiert sich der Ansatz zu sehr auf die sichtbare Ausbreitung der Mutationen im Blut, die Entstehung mutierter Klone im Knochenmark wurde bei der Betrachtung außen vor gelassen.
Professorin Dr. Stefanie Dimmeler, Direktorin am Institut für kardiovaskuläre Regeneration in Frankfurt am Main zufolge bestätigt die Studie, dass CHIP Atherosklerose begünstigt. Damit könne CHIP einer der bisher unbekannten zusätzlichen 'unmodifizierbaren' Risikofaktoren sein und in der Prävention eine bedeutende Rolle spielen. Ähnlich sieht das auch Dr. Moritz von Scheidt, Facharzt für Kardiologie am Deutschen Herzzentrum München. Für ihn wurden entscheidende, neue Erkenntnissen über den zeitlichen Zusammenhang zwischen CHIP und Atherosklerose gefunden.
Allerdings sei die Analyse auf eine homogene ethnische Gruppe beschränkt, dadurch seien die Ergebnisse nicht generell übertragbar. Auch der Fokus auf häufige Mutationen erlaube keine Aussage auf potenzielle Effekte seltener CH-Mutationen. Würde CH frühzeitig erkannt, so von Scheidt, könnte man gezielte Vorbeuge-Strategien entwickeln und anwenden, noch bevor jemand kardiovaskuläre erkrankt: zum Beispiel mit Screenings in bestimmten risikobehafteten Bevölkerungsgruppen.
Links/Studien
Hier lesen Sie die spanische Studie zum Zusammenhang von CHIP und kardiovaskulären Erkrankungen: Unidirectional association of clonal hematopoiesis with atherosclerosis development
Hier lesen Sie die US-Studie "Inflammation, Cholesterol, Lipoprotein(a), and 30-Year Cardiovascular Outcomes in Women" : Doi: 10.1056/NEJMoa2405182
lfw/smc
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 29. August 2024 | 12:07 Uhr