Havanna-Syndrom
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Wissen-News Ursache des Havanna-Syndroms auch nach aktuellen Studien unklar

08. April 2024, 14:36 Uhr

Ist es eine neue "Neuro-Waffe" mit Mikrowellen, die das mysteriöse Havanna-Syndrom hervorruft, das vor allem bei US-amerikanischen Diplomaten und ihren Familien auftrat? Neue Studien kommen zu ernüchternden Ergebnissen. Nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) ist die Datenlage zu dünn, um zuverlässige Aussagen treffen zu können.

Zwei Studien im renommierten Fachjournal JAMA stellen die Ergebnisse von Untersuchungen bei Betroffenen mit dem rätselhaften Havanna-Syndrom vor. Die Betroffenen berichteten über neurologische Beschwerden wie Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen, Übelkeit, verschwommenes Sehen, Tinnitus und kognitive Dysfunktionen, die nach einem plötzlich auftretenden schneidend-hohen Geräusch auftraten, oft begleitet von dem Gefühl eines erhöhten Drucks auf den Ohren.

Erstmals berichteten Mitarbeiter der US-Botschaft in Havanna im Jahr 2016 von diesem Phänomen, weshalb es auch Havanna-Syndrom genannt wird. Seither gab es mehrere solche Fälle in diplomatischen Kreisen, was Spekulationen über eine rätselhafte "Neuro-Waffe" vorantrieb. Die beiden Studien kommen zu eher ernüchternden Ergebnissen. Weder bei klinischen noch bei Laboruntersuchungen wurden signifikante Auffälligkeiten beobachtet, die Befunde der zerebralen Bildgebung waren ebenfalls normal.

Havanna-Syndrom: Proben wurden oft erst spät entnommen

Laut David A. Relman, dem Autor des begleitenden Editorials der Studien, könne das zum Beispiel am Zeitpunkt der Proben-Entnahme liegen. Die untersuchten Neurodestruktionsmarker Gliafaserprotein (GFAP) und Neurofilament-Leichtketten (NFL) würden unmittelbar nach einem Hirntrauma ansteigen, nach 24 Stunden ihren Höhepunkt erreichen, dann wieder abfallen und seien oft nach drei Tagen unauffällig. Aber nur 16 der 86 Proben wurden binnen drei Tagen nach dem Ereignis entnommen – allein das könne erklären, warum in der Studie keine signifikanten Unterschiede zur Kontrollgruppe festgestellt werden konnten.

Wie er weiter ausführte, lagen von zwei der betroffenen Personen Vergleichswerte von vor dem Ereignis vor. Bei einem der beiden wurde ein signifikanter Anstieg in den Stunden nach dem Ereignis beobachtet, der dann in den nächsten Tagen wieder zurückging. Relman verweist darüber hinaus auf ältere Studien, die einen möglichen Zusammenhang zu hochfrequenter elektromagnetischer Energie (z. B. Mikrowellenstrahlung) nahelegen.

Deutsche Gesellschaft für Neurologie schätzt Datenlage zum Havanna-Syndrom als dünn ein

Peter Berlit, Generalsekretär und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), sieht nicht viel Licht, das durch die Studien ins Dunkel gebracht wurde: "Die derzeitige Datenlage ist zu dünn, um sagen zu können, womit wir es beim Havanna-Syndrom wirklich zu tun haben", sagt der Neurologe. "Die klinischen Symptome ähneln denen einer Vestibularisneuropathie oder Vestibularismigräne. Allerdings fehlen aussagekräftige Untersuchungsergebnisse, um hier wissenschaftlich fundierte Aussagen treffen zu können. Und ob die Symptome durch Mikrowellenstrahlung induziert sein könnten, ist völlig offen."

Nach Ansicht der DGN müssten neu auftretende Fälle innerhalb der ersten 24 Stunden nach Symptombeginn neurologisch untersucht und mögliche Biomarker umfassend und standardisiert erfasst werden, bevor valide Aussagen getroffen werden können. Die Befunde der aktuellen Studien zeigen jedenfalls keine bleibenden Folgen bei den Fällen des sogenannten Havanna-Syndroms.

(rr)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 01. März 2024 | 00:30 Uhr

2 Kommentare

MDR-Team vor 2 Wochen

@part,

hier liegt wahrscheinlich ein Missverständnis vor. Mikrowelle meint hier elektromagnetische Wellen mit einer Frequenz von 1 bis 300 GHz und nicht das Küchengerät.

Aber wie gesagt: Die Datenlage ist aktuell zu dünn, um fundierte Aussagen treffen zu können.

Liebe Grüße
Ihr MDR WISSEN-Team

part vor 2 Wochen

Tritt das vermeintliche Syndrom vermehrt um die Mittagszeit auf, was einiges erklären könnte? Botschaften bestimmter Länder sind nun mal auch Spionagezentralen nebenher, mit besonderer Abschirmung, die eben nichts nach außen lässt. Würde es solche Waffen wirklich geben, dann wäre sie schon längst in Kriegen auf aller Welt im Einsatz. Die beste Waffe ist und bleibt jedoch immer noch die Propaganda oder Fehlinformation. Überdies beim US-Speisen würden nach dem Genuss bei mir auch zahlreiche Dysfunktionen auftreten. Vielleicht hat auch der Sender Gleiwitz seine Sendeleistung erhöht, man weiß es nicht und wird weiter grübeln.