Schreiendes Baby, kurz nach der Geburt im Krankenhaus
Alle hoffen, dass ihr Baby gesund auf die Welt kommt. Doch die Hitze könnte dies erschweren. Bildrechte: picture alliance/dpa/MAXPPP | Neville Mountford-Hoare

Medizin Klimawandel: Hitze kann für Mutter und Kind zu schweren Komplikationen führen

12. September 2023, 11:34 Uhr

Eine Geburt ohne Risiko für Mutter und Kind gilt in vielen Industriestaaten als Selbstverständlichkeit. Ist es aber nicht. Wie eine US-Studie herausfand, steigt zum Beispiel das Risiko für Komplikationen durch extreme Hitze – sowohl für die Mütter als auch die Kinder. In Entwicklungsländern ohne optimale medizinische Versorgung dürften diese Folgen sicher noch gravierender ausfallen.

Einfach mal kurz ein Kind kriegen – eine erfolgreiche Geburt mit gesundem Kind und gesunder Mutter gilt heute als Selbstverständlichkeit. Auch wenn die Niederkunft schmerzhaft bleibt, sind in den modernen Industriestaaten lebensgefährliche Komplikationen eher selten oder können dank optimaler medizinischer Betreuung oft schnell aus dem Weg geräumt werden.

Eine Frau sitzt während der Wehen auf dem Geburtshocker und wird von ihrer Hebamme betreut
Das Risiko für schwere Komplikationen bei der Geburt - auch "Schwere mütterliche Morbidität" genannt" steigt mit der Anzahl der Hitzetage in der Schwangerschaft - das zeigt eine Studie aus den USA. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Doch eine Geburt kann für Mutter und Kind wieder viel gefährlicher werden, insbesondere bei extremer Hitzebelastung. Das zeigt eine neue Studie aus den USA. Das Risiko für eine sogenannte "Schwere mütterliche Morbidität" (SMM) steigt demnach mit der Anzahl der Hitzetage in der Schwangerschaft. Besonders gefährdet sind laut der Studie die Frauen, die ihr letztes Drittel der Schwangerschaft in den heißen Monaten zwischen Mai und September erleben. "Schwere mütterliche Morbidität" (SMM) bezieht sich auf schwere und unerwartete Zustände während der Wehen und der Entbindung, unter anderem einem vorzeitigen Blasensprung, Frühgeburten, Totgeburten oder allgemein niedrige Geburtsgewichte bei Babys.

"Wir stellten fest, dass Frauen, deren Schwangerschaft in der kalten Jahreszeit begann, anfälliger für Hitze waren, weil sie ihre späte Schwangerschaft in der heißesten Zeit in Südkalifornien erlebten", schreiben die Autoren um die Wissenschaftler Darius Getahun und Jun Wu der University of California. "In dieser retrospektiven Kohortenstudie war Umwelthitze signifikant mit einem höheren SMM-Risiko während des Krankenhausaufenthalts bei der Geburt verbunden." Ein erhöhtes Risiko für Komplikationen war zudem mit dem Bildungsniveau der Frauen und der Jahreszeit der Empfängnis verbunden.

Risiko: Alter, Adipositas, Armut und jetzt auch Hitze

Eigentlich konnte die Schwangerschaftsvorsorge mit Screenings und diversen Risikoanalysen in den vergangenen Jahren immer weiter verbessert werden. Trotzdem nahmen in den USA die Komplikationen bei Geburten immer weiter zu, so die Studienautoren. Im Jahr 2014 sei die Zahl der SMM fast drei Mal so hoch gewesen wie 20 Jahre zuvor. Bisher bekannte Risikofaktoren wie Adipositas oder junges oder hohes Mütteralter erklären diese Zunahme der Komplikationen jedoch nur unzureichend, schreiben die Forschenden. Es sei daher "unbedingt erforderlich gewesen, mehr vermeidbare Risikofaktoren wie extreme Hitze für SMM zu identifizieren."

Forschende analysierten geographische Hotspots

Für die Studie analysierten die Forschenden Daten aus den Jahren 2008 bis 2018 von schwangeren Frauen aus geografischen Hotspots im Süden der USA, in denen es im Sommer besonders heiß wird. Die Daten des südkalifornischen Gesundheitszentrums "Kaiser Permanente Southern California" umfassten knapp 426.000 Einlingsschwangerschaften inklusive demografischer Merkmale, medizinischer Vorgeschichte, selbstberichteten Lebensgewohnheiten und Wohnortwechseln sowie Angaben zu ethnischen Zugehörigkeiten. Das Schwangerschaftsalter reichte von 20 bis 47 Wochen und wurde anhand von Ultraschalluntersuchungen in der Frühschwangerschaft oder der selbstberichteten letzten Menstruation geschätzt.

Belastungen des Herz- und Kreislaufsystems riskant

Das Ergebnis: Hitze fördert Risiken, die Schwangere ohnehin schon ausgesetzt sind. Den Wissenschaftlern zufolge spielt die Belastung des Herz- und Kreislaufsystems durch die Hitze eine entscheidende Rolle für potenzielle Komplikationen im Krankenhaus bei der Geburt. Gleichzeitig begünstige die Hitze die Hypovolämie, also eine Verminderung der zirkulierenden Blutmenge im Körper. Das wiederum erhöhe das Risiko für eine Blutvergiftung, welche auch ohne Hitze schon zu möglichen Risiken der Geburt gehört.

Risikoschwangere leben in der Hitze noch riskanter

Laut den Forschenden sind sehr junge und auch sehr alte Mütter besonders gefährdet für hitzebedingte Komplikationen. "Mütter, die jünger als 25 Jahre oder 35 Jahre und älter sind, könnten anfälliger für hitzebedingte SMM-Risiken sein", schreiben die Wissenschaftler. Bei sehr jungen Müttern sei das Risiko besonders hoch, da sie "möglicherweise nur über begrenzte Kenntnisse oder ein begrenztes Bewusstsein verfügen, um sich vor extremer Hitze zu schützen." Bei älteren Schwangeren können sich altersbedingte Veränderungen des Körpers durch die Schwangerschaft noch verschlimmern.

Risiko spiegelt soziale Ungerechtigkeit wieder

Die Wissenschaftler analysierten in ihren Daten zudem ein niedrigeres Bildungsniveau bei den schwangeren Frauen in der afroamerikanischen und hispanischen Bevölkerung – im Vergleich zu asiatischen oder nicht-hispanischen weißen Müttern. "Bei Müttern mit niedrigen Bildungsniveau fanden wir einen signifikant höheren Zusammenhang zwischen Hitzeexposition und dem Risiko für SMM", schreiben die Autoren. "Die Beobachtung der höheren Gesundheitsrisiken für Frauen mit niedrigen sozioökonomischen Status könnte die umfassenderen Auswirkungen der anhaltenden und allgegenwärtigen sozialen Ungerechtigkeit widerspiegeln."

Grünflächen können helfen

Vor allem Grünflächen könnten das Gesundheitsrisiko bei Hitze verringern, so die Autoren. "Mütter, die mit mehr Bäumen oder Gras in der Nähe ihres Wohnsitzes lebten, hatten tendenziell ein geringeres hitzebedingtes SMM-Risiko, auch wenn die Veränderung des Effekts statistisch nicht signifikant war", heißt es. Studien hätten jedoch gezeigt, dass die Baumschatten nicht nur die Hitze reduzieren, sondern dass auch mehr soziale Unterstützung und körperliche Aktivität, die durch Grünflächen in Wohngebieten hervorgerufen werden, zu einem besseren Gesundheitszustand führen können. "Unsere Ergebnisse könnten die Maßnahmen zur Anpassung an extreme Hitze verbessern", erklären die Autoren. Ihre Studie sei die erste, welche einen Zusammenhang zwischen Hitze und Schwangerschaftskomplikationen aufzeige.

8 Kommentare

MDR-Team vor 35 Wochen

@Atze71
Können Sie Ihren Vorwurf der "Panikmache" bitte konkret machen? Die Benutzung des Konjunktivs bei der Darstellung von Wahrscheinlichkeiten ist jedenfalls noch kein klares Merkmal davon.
LG, das MDR-Wissen-Team

Eddi58 vor 35 Wochen

Atze71
„Das hat nichts mit Wissenschaftsfeindlichkeit zu tun.“
Mit was dann?🤔
Wenn die Datenbasis für generelle Aussagen z.B. noch zu klein ist, ist es guter wissenschaftlicher Stil die Erkenntnisse nicht als Stein der Weisen zu veröffentlichen, sondern Zweifel und andere Erklärungen zuzulassen. Die Methode Versuch-Irrtum ist ein Weg zur Erkenntnis.
Gerade bei Gesundheitsthemen sind die individuellen Faktoren sehr breit gestreut.
Das sozialer Status und Bildungsniveau die Gesundheit beeinflussen ist allerdings keine neue Erkenntnis.

Atze71 vor 35 Wochen

Das hat nichts mit Wissenschaftsfeindlichkeit zu tun. Aus meiner Sicht hat das, bei so vielen Konjunktiven, wenig mit Wissenschaft zu tun. Hier zählen harte Zahlen und Fakten und kein hätte und könnte.