Nach Passivrauchen ist noch nicht Schluss Rauchfreie Räume gibt es gar nicht
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05. März 2020, 13:43 Uhr
Mit Kino verbinden viele automatisch den Geruch von Popcorn. Tatsächlich liegt im Kinosaal weit mehr in der Luft, zum Beispiel kann man Angst im Kino riechen, haben Forscher herausgefunden. Und noch etwa anderes, auch nicht viel appetitlicheres: Nikotin und andere chemische Stoffe aus Zigaretten. Das hat ein Internationales Forschungsteam mit Messungen in einem Mainzer Kino herausgefunden. Ihre Schlussfolgerung: Rauchfreie Räume gibt es nur, wenn sie nie von Rauchern betreten wurden.
Kinder aus rauchfreien Haushalten sind da gnadenlos: "Herr M. stinkt ekelhaft aus dem Mund. Der raucht immer in der Mittagspause." Wieviel Olf, also Geruchsbelastung, so eine Zigarette auch noch nach dem Rauchen ausmacht, hat noch keiner gemessen. Das mag auch daran liegen, dass diese Maßeinheit in etwa so exakt ist wie die "gefühlte Temperatur", zum Beispiel, wenn wir den Kopf aus der Tür strecken um abzuschätzen, ob wir früh beim Radfahren eine Mütze auf dem Kopf brauchen oder nicht.
Das flüchtige Vergnügen hinterlässt chemische Spuren
Ein Team der Yale University (USA) und des des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz hat sich jetzt auf die Spuren des flüchtigen Vergnügens in der Luft gemacht und festgestellt: es ist gar nicht so flüchtig. Sie haben nämlich zu verschiedenen Zeitpunkten die Luft vor und in einem Mainzer Kino analysiert, in dem seit 15 Jahre Rauchverbot herrscht.
"Bei Tests unter realen Bedingungen konnten wir feststellen, dass Personen, die zuvor Tabakrauch ausgesetzt waren, beim Betreten eines zuvor strikt rauchfreien Raums konzentrierte Emissionen gefährlicher Gase abgaben", so Drew Gentner, Umweltchemiker aus der Forschungsgruppe der Yale University. Bei den Messungen fanden die Forscher 35 Chemikalien, die mit dem Rauchen in Verbindung stehen, wie Methylfuran (eine Geruchskomponente der Zigaretten, kann allergische Hautreaktionen hervorrufen) und Acetonitril (ein Lösungsmittel, gesundheitsschädlich beim Eintamen) oder Benzol (ein Kohlenwasserstoff, als Dampf toxisch) und Formaldehyd (ein Grundstoff der Chemieindustrie, möglicherweise krebserregend).
Bei "Resident Evil" wird es gefährlich
Für ihre Vergleiche hatte das Forschungsteam vier Tage lang in der Lüftung des Kinos alle Schadstoffe gemessen. Ergebnis: Je mehr Erwachsene im Publikum oder je später die Filme liefen, um so höher die Konzentration. In Filme übersetzt bedeutet das: bei "Resident Evil" wurden deutlich mehr Schadstoffe gemessen als bei "Wendy". Besucher des Horrorfilms atmeten demnach so viel Emissionen ein, wie sonst ein bis zehn Zigaretten von Passivrauchern. Drew Gentner sieht die Ergebnisse als Beweis für die bisherigen Vermutungen, dass Rauchrückstände auf Oberflächen in rauchfreie Orte übertragen werden können.
Somit ist die Vorstellung, dass man als Nichtraucher in einem rauchfreien Raum vor Passivrauchen geschützt wäre, ein Trugschluss.
Wer genau die Hauptlast an Rauchrestpartikeln über Kleidung oder Körper in den Saal brachte, klassische Zigarettenraucher oder Dampfer, darüber erlaube die Analyse noch keine Rückschlüsse, sagt Drew Gentner. Wer also was ausdampft und an Körper und Kleidung an "Rauchresten" mit sich bringt, soll ihm zufolge in weiteren Untersuchungen genauer untersucht werden. Denn selbst, wenn nicht in geschlossenen Räumen geraucht wird - aus der Forschung ist schon länger bekannt, dass Körper und Kleidung Rauchpartikel annehmen und verbreiten. In den USA, wo Passivrauchen secondhand smoke heißt, gibt es sogar einen Begriff dafür: thirdhand smoke.
Rauchen und Kinder – streng voneinander trennen
Weshalb zum Beispiel die Deutsche Krebsforschung seit Jahren mahnt, vor direktem Kontakt mit Kindern gar nicht zu rauchen, weil selbst zehn Minuten nach dem Zigarettengenuss Kleidung, Haut und Haare noch deutliche Mengen an krebserregendem Benzol, Toluol und 2,5-Dimethylfuran und andere giftige Substanzen speichern. Fatal, wenn zum Beispiel Säuglinge Hunger haben und das ihren Eltern anzeigen, indem sie an deren Fingern saugen.
Link zur Studie
Die Untersuchung ist unter dem Titel "Human transport of thirdhand tobacco smoke: A prominent source of hazardous air pollutants into indoor non-smoking environments" im Fachmagazin Science Advances erschienen.