Musikstudie 100 Millisekunden – so schnell erkennen wir Lieblingssongs

01. November 2019, 12:35 Uhr

Bekannte Musik zu erkennen ist eine komplexe Leistung unseres Gehirns. Trotzdem braucht es dafür im Schnitt nur 100 bis 300 Millisekunden, wie Forscher aus London jetzt herausgefunden haben.

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Unser Gehirn arbeitet hart, damit wir Musik genießen können. Sechs Gehirn-Regionen sind daran beteiligt.

Mo 28.10.2019 09:33Uhr 01:39 min

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Wenn wir Musik hören, sind daran sechs verschiedene Bereiche unseres Gehirns beteiligt. Zuerst filtern die Gehörbahnen die Musik aus den Umgebungsgeräuschen, dann sucht das Grammatik-Netzwerk nach Rhythmen und Harmonien. Das Arbeitsgedächtnis setzt die Melodien zusammen und das Langzeitgedächtnis entdeckt, ob sie bekannt sind oder neu. Dann sind die motorischen Zentren dran, die uns zum Mitmachen bewegen, das Belohnungszentrum schüttet Dopamin aus, das Kernbereiche unseres Gehirns durchströmt. Fertig.

Und für den größten Teil dieses Prozesses - den bis zum Langzeitgedächtnis - benötigt unser Gehirn gerade einmal 100 bis 300 Millisekunden. Das haben Forscher des University College London (UCL) jetzt herausgefunden.

Wie misst man Lieblingsmusik?

Für ihre Studie haben sie eine Gruppe aus fünf Frauen und fünf Männern untersucht. Diese mussten jeweils fünf Lieblingssongs aufschreiben. Die Forscher gaben dazu jeweils fünf unbekannte aber ähnliche Songs - in Tempo, Melodie, Harmonie, Gesang und Instrumentierung. Das ganze zerschnitten sie dann wieder in sekundenkleine Töne, die sie beliebig aneinanderreihten. 100 dieser Schnipsel hörten sich die Teilnehmer an. Die Forscher maßen per Elektroenzephalografie (EEG) die elektrische Aktivität im Gehirn und mit Pupillometrie den Pupillendurchmesser, der auch ein Maß für unsere Erregung ist.

Ergebnis: Bereits nach 100 Millisekunden reagiert das Gehirn auf die bekannten Songs. Im Schnitt lag die Zeit zwischen 100 und 300 Millisekunden. Dabei maßen die Forscher zuerst die Pupillenerweiterung, gefolgt von kortikalen Aktivitäten im Gedächtnis. Eine Kontrollgruppe mit Personen, die zu allen Liedern keine Beziehung hatten, zeigte keine vergleichbaren Reaktionen.

Und wozu ist das gut?

Zum einen ist es ein Beleg dafür, so die Forscher, wie tief Musik in unserem Gehirn verankert ist. Und sie sehen ihre Studie auch als Möglichkeit, neue Ansätze für sogenannte "musikbasierte therapeutische Interventionen" zu entwickeln, wie Studienleiterin Maria Chait vom UCL Ear Institute erklärt.

Beispielsweise besteht ein wachsendes Interesse daran, Musik für Demenzkranke zu nutzen, bei denen die Erinnerung an Musik trotz eines ansonsten systembedingten Versagens der Speichersysteme gut erhalten zu sein scheint.

Prof.  Maria Chait, UCL

Link zur Studie

Die Studie ist unter dem Titel "Rapid Brain Responses to Familiar vs. Unfamiliar Music – an EEG and Pupillometry study" im Magazin "Scientific Reports" erschienen.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Spezial | 19. Februar 2019 | 18:00 Uhr

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