
Wissen-News Angestrengtes Denken ist unangenehm
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05. August 2024, 17:07 Uhr
Es mag einzelne Ausnahmen geben, aber für die große Mehrheit der Menschen ist mentale Anstrengung mit negativen Gefühlen verbunden, selbst wenn sie für die Anstrengung be- oder entlohnt werden. Das geht aus einer großen Meta-Studie hervor, in die Daten aus vielen Ländern eingeflossen sind.
Nachdenken ist eine kostbare Ressource, die der Mensch nicht unbedingt gern zur Verfügung stellt. Jedenfalls nicht im Innersten seines Wesens. Zu diesem Schluss sind schon einige psychologische Studien gekommen. Eine niederländische Forschungsgruppe wollte nun noch einen Schritt weitergehen und herausfinden, ob man das wirklich so pauschalisieren kann oder ob es Ausnahmen gibt.
Beispielsweise könnte es ja sein, dass es von Art oder Bedeutung der Denkarbeit abhängt. Oder vom Bildungsstand der Menschen. Oder vom Alter. Oder vom kulturellen Hintergrund. Oder von Belohnungen und Anreizen. Tut es aber nicht. "Im Allgemeinen mögen Menschen geistige Anstrengung wirklich nicht", kommentiert Studienleiter Erik Bijleveld die Ergebnisse.
Seine Forschungsgruppe führte eine Metaanalyse von 170 Studien durch, die insgesamt 4.670 Teilnehmer aus vielen Bevölkerungsschichten und Ländern umfassten. Dabei untersuchten sie, ob geistige Anstrengung mit unangenehmen Gefühlen assoziiert ist und ob diese Assoziation von der Aufgabe oder den beteiligten Menschen abhängt. Für gute Vergleichbarkeit sorgte die Tatsache, dass alle eingeflossenen Studien mit dem gleichen Bewertungsmaßstab gearbeitet hatten, der sogenannten NASA-TLX-Skala.
Je größer die geistige Anstrengung, desto unangenehmer das Gefühl
Über alle Populationen und Aufgaben hinweg gilt demnach: Je größer die geistige Anstrengung war, desto unangenehmer empfanden die Teilnehmer sie. Studienleiter Bijleveld folgert daraus: "Wenn von Menschen erhebliche geistige Anstrengung verlangt wird, muss man sicherstellen, dass sie dabei unterstützt oder dafür belohnt werden."
Ein interessantes Ergebnis war außerdem, dass der Zusammenhang zwischen angestrengtem Denken und negativen Gefühlen in Asien nicht so stark war wie in Europa und vor allem in Nordamerika. Zwar war er auch dort vorhanden, aber in deutlich geringerem Maße. Das passt laut Bijleveld zu bereits bestehenden Annahmen, dass die Abneigung gegen geistige Anstrengung von der "Lerngeschichte" der Menschen abhängen könnte. Schüler in asiatischen Ländern verbringen in der Regel mehr Zeit mit Schularbeiten als ihre europäischen oder nordamerikanischen Altersgenossen und lernen daher möglicherweise schon früh in ihrem Leben, ein höheres Maß an geistiger Anstrengung auszuhalten, sagt der niederländische Forscher.
Und auf die Frage, wie man sich nach diesen Erkenntnissen erklären kann, dass es Millionen freiwillige Schachspieler auf der Welt gibt, sagt Erik Bijleveld, das liege an der inneren Belohnung, die die Spieler mit ihrem Denksport verknüpfen. "Wenn Menschen sich für geistig anstrengende Aktivitäten entscheiden, sollte dies jedoch nicht als Hinweis darauf gewertet werden, dass sie geistige Anstrengung per se genießen. Vielleicht wählen Menschen geistig anstrengende Tätigkeiten trotz der Anstrengung, nicht wegen ihr."
Allerdings räumen die Studienautoren selbst ein, dass ihre Erkenntnisse nicht für jeden einzelnen Menschen gelten müssen. Zumindest aber – und das unabhängig von äußeren Parametern – für die deutliche Mehrheit.
Links/Studien
Die Studie "The unpleasantness of thinking: A meta-analytic review of the association between mental effort and negative affect" ist im Fachjournal "Psychological Bulletin" erschienen.
(rr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 2 | 06. Februar 2023 | 14:21 Uhr
part vor 30 Wochen
Das Gehirn ist einer der größten Energieverbraucher in unseren Körper, entsprechend hat es die Evolution eingerichtet, dass wir mehr instinktiv handeln als rational agieren. Der Mensch hat sich entwickelt, aber eben nicht in allen Bereichen. Das Heureka kommt zu oft in der Entspanntheit der Aufgabe, aber nicht ihrer Forderung. Die heutige Gesellschaft fordert von uns allen etwas anderes, verbunden mit enormem Leistungsdruck, der eben auch krank machen kann.
Wilhelm vor 30 Wochen
@el...: Ist mir jetzt zu anstrengend, über Ihre Konklusion nachzudenken. Wie lautet Ihre Erklärung?
ElBuffo vor 30 Wochen
Erklärt dann ja Einiges.