Pipettieren der Probe in die Schale für den DNA-Test
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Wissen-News Seltene genetische Krankheit in Jena entdeckt

09. Dezember 2023, 15:59 Uhr

Eine bislang unbekannte genetisch bedingte Krankheit, die die Hirnstruktur verändert und Motorik, Sprache und Intelligenz beeinträchtigt, wurde am Zentrum für Seltene Erkrankungen des Universitätsklinikums Jena entdeckt.

In Deutschland sind etwa 8.000 "Seltene Erkrankungen" bekannt, die dadurch definiert sind, dass weniger als fünf von 10.000 Menschen von ihnen betroffen sind. Viele davon sind genetisch bedingt. So auch eine Krankheit, die von Wissenschaftlern des Zentrums für Seltene Erkrankungen des Universitätsklinikums Jena und internationalen Kollegen ausführlich erforscht und beschrieben wurde. Es handelt sich dabei um eine Veränderung des Gens SLC4A10.

Die Wissenschaftler sind diesem Gen bereits seit einigen Jahren auf der Spur. "Wir haben im Mausmodell untersucht, welche Auswirkungen es hat, das Gen auszuschalten. Neben Verhaltensauffälligkeiten und kollabierten Hirnventrikeln, den mit Hirnwasser gefüllten Hohlräumen im Gehirn, kam es bei den Mäusen auch zu Sehstörungen und Hörverlust", erklärt Antje Hübner vom Institut für Humangenetik, die an der Studie gemeinsam mit ihrem Kollegen Lutz Liebmann beteiligt war.

Klinische Relevanz bekamen diese Erkenntnisse aber erst später, als Kollegen aus Salzburg per E-Mail von einem Neugeborenen mit Entwicklungsverzögerungen und kollabierten Hirnventrikeln berichteten, also genau den Symptomen, die die Jenaer von den Mäusen kannten. "Die genomweite Diagnostik beim betroffenen Neugeborenen ergab eine Veränderung im SLC4A10-Gen. Daraufhin haben wir weltweit weitere Betroffene gesucht", erzählt Antje Hübner. Bei insgesamt zehn Kindern aus fünf Familien wurde der Gendefekt mittlerweile festgestellt, der zu einer von Geburt an veränderten Gehirnstruktur und zu schweren Beeinträchtigungen in der Entwicklung hinsichtlich Motorik, Sprache und Intelligenz führt.

Im Mausmodell haben die Wissenschaftler wichtige Mechanismen des Gens aufgeklärt. Wenn das Gen fehlt, wird weniger Hirnwasser produziert, weshalb die Hirnventrikel kollabieren. Außerdem ist die Signalübertragung zwischen Nervenzellen gestört. In einer weiteren Studie soll nun untersucht werden, wie Pharmaka dabei helfen können, die gestörte Signalübertragung positiv zu beeinflussen, um die Verhaltensausfälligkeiten zu reduzieren.

rr

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