Auspuff mit Abgasen eines Verbrennungsmotors
Autos mit Verbrennermotor sollen ab 2035 in der EU nicht mehr hergestellt werden. Bildrechte: Bayerischer Rundfunk

Beschluss des EU-Parlaments Was bedeutet das Aus für Verbrenner ab 2035?

10. Juni 2022, 09:07 Uhr

Das EU-Parlament hat am Mittwoch (08.06.2022) ein Verkaufsverbot für Autos mit Benzin- und Dieselantrieb ab 2035 beschlossen, um die CO2-Emissionen in Europa zu senken. Was bedeutet das für die Verbraucher? MDR WISSEN beantwortet die wichtigsten Fragen.

Dabei sprach sich eine Mehrheit der Abgeordneten in Straßburg dafür aus, dass Hersteller ab Mitte des nächsten Jahrzehnts keine Privat-Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mehr mit Verbrennungsmotor auf den Markt bringen dürfen. Ausnahmen wären dann nur noch mit hohen Strafen möglich. Das Ziel dahinter: Die Treibhausgas-Emissionen der Neuwagen sollen bis 2035 um 100 Prozent gesenkt werden. Der Beschluss ist Teil des "Fit for 55"-Pakets, mit dem die europäischen Klimaziele im Verkehrssektor erreicht werden sollen.

Sind klimafreundlichere synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) vom Verbot ausgenommen?

Nein. Über diese Frage wurde lange gerungen, besonders die CDU hatte gefordert, dass in diese Richtung weiter geforscht wird. Jens Gieseke, der für die Christdemokraten im Europa-Parlament sitzt, hatte das Aus für die Verbrenner daher bei MDR AKTUELL als "Irrweg" bezeichnet. Auch Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) findet die Entscheidung "schade". Dem WDR sagte der Experte: "Man wünscht keine Wasserstoff-Motoren. Man wünscht auch keine CO2-neutralen Kraftstoffe." Aber es gibt auch andere Stimmen dazu, wie vom SPD-Europaparlamentarier und Umweltpolitiker Tiemo Wölken: "Um auch nur fünf Prozent des Straßenverkehrs mit E-Fuels zu dekarbonisieren, bräuchten wir mehr als das gesamte EU-Wasserstoffaufkommen für 2030. Zudem bringt Wasserstoff in der Industrie vier Mal so viel wie im Straßenverkehr."

Auch Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht wenig Sinn darin, in synthetische Kraftstoffe zu investieren. Bis man damit in industrieller Größenordnung in frühestens fünf Jahren am Markt sei, sei die Zeit dieses Kraftstoffes schon vorbei. "Denn dann hat das batterieelektrische Auto wirklich seinen großen Auftritt."

Was sagt die Wissenschaft zu dem Verbot?

Dr. Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) sieht das Ende des Verbrenners positiv: "Der größte Vorteil der Entscheidung ist, dass so die Autoindustrie und auch die Kunden Planungssicherheit erhalten. Die Elektromobilität ist gesetzt. Klar ist jetzt, dass Verbrenner Auslaufmodelle sind." Auch werde jetzt alles schneller gehen, weil die Technologieoffenheit vorbei sei. Nun könne die Antriebswende Fahrt gewinnen, die eine Voraussetzung für eine klimaverträgliche Mobilität sei, meint der Experte. Für seine Kollegen Dr. Claus Doll und Prof. Dr. Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe ist die Entscheidung des EU-Parlaments ebenfalls "folgerichtig", da ohne diese Maßnahme die Erreichung der Klimaziele im Straßenverkehr nicht möglich sei. "Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Nutzungsdauer eines Pkw von 14 Jahren und dem Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 ist ersichtlich, dass spätestens ab 2035 keine Fahrzeuge in Deutschland mehr neu zugelassen werden können, die Treibhausgase emittieren", erklären die Wissenschaftler. Wegen der langen Verweildauer der Treibhausgase in der Atmosphäre müssten die Emissionen im Verkehr sogar deutlich vor 2035 relevant gesenkt werden.

Was sagen die Hersteller dazu?

Tatsächlich stehen mehrere große Autobauer hinter dem Verbrenner-Verbot. Mercedes, Ford und General Motors hatten im November 2021 auf der Weltklimakonferenz in Glasgow einen Verkaufsstopp für Verbrenner in den führenden Märkten ab 2035 gefordert - und sich damit einer Initiative der britischen Regierung angeschlossen. Toyota, VW und BMW waren allerdings nicht darunter. BMW-Chef Oliver Zipse begründete das unter anderem mit fehlenden Ladesäulen. Allerdings wird die BMW-Tochter Rolls-Royce ab 2030 nur noch E-Fahrzeuge anbieten, Lexus und Volvo ebenfalls. Jaguar steigt schon 2025 aus den Verbrennern aus und Fiat 2027. Der damalige CSU-Verkehrsminister VW reagierte auf die Entscheidung als "einzig sinnvolle Möglichkeit, um Verbrennungsmotoren schnellstmöglich zu ersetzen". Damit sei ein ambitioniertes, aber erreichbares Ziel formuliert worden, hieß es am Donnerstag aus Wolfsburg. Andreas Scheuer (CSU) hatte sich in seiner Zeit als Verkehrsminister gegen das Aus für Verbrennungsmotoren ausgesprochen, sein Nachfolger Volker Wissing (FDP) kritisiert die jetzige Entscheidung ebenfalls, vor allem wegen des Verzichts auf E-Fuels. Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen hatte dagegen bereits im März im Namen der Bundesregierung betont, dass man hinter dem Ziel stehe, bis 2035 keine Verbrenner mehr zu produzieren.

Was ist mit dem Flugverkehr?

Auch die Flugzeug-Emissionen sollen stark reduziert werden. Dafür soll der europäische Emissionshandel auf alle Flüge angewendet werden, die von einem Flughafen in der EU sowie in Island, Liechtenstein oder Norwegen starten. Ausnahmen soll es für Flughäfen in EU-Regionen "äußerster Randlage" geben. Zudem soll es ab 2025 keine kostenlosen Emissionszertifikate mehr für den Luftverkehr geben.

Wie wird der CO2-Emissionshandel künftig geregelt?

Eigentlich sollte der Emissionshandel auch auf Gebäude und Verkehr ausgeweitet werden. Dagegen stimmte aber eine Mehrheit im EU-Parlament. Das Gesetz wurde zurück an den Umweltausschuss verwiesen, um einen neuen Kompromiss zu finden, der von einer Mehrheit getragen werden kann. "Ich halte das für eine Schande", sagte der CDU-Abgeordnete Peter Liese dazu. "Wie bei vielen anderen Gelegenheiten in diesem Bericht haben die extreme Rechte, die Sozialdemokraten und die Grünen zusammen gestimmt." Für die Grünen und Sozialdemokraten war der Vorschlag teilweise nicht ehrgeizig genug.

Geteiltes Bild: Oben ein Auto wie ein SUV im Stadtverkehr mit Wasserstoff-Antrieb-Werbung, unten ein weißer Tesla, eine flache Limousine beim Fahren mit viel Bewegungsunschärfe drum herum 4 min
Bildrechte: imago images/Jochen Eckel, Stefan Zeitz (M); MDR

Wie geht es mittelfristig weiter?

Nach den aktuellen Abstimmungen muss das Parlament sich noch mit den EU-Staaten einigen. Dabei sind die angenommenen Texte wichtig für das Parlament für die folgenden Verhandlungen mit den EU-Regierungen im Rat über die endgültigen Gesetze. Fünf weitere Gesetzesvorschläge des Industrie- und Energieausschusses sollen später noch folgen.

cdi/dpa/smc

66 Kommentare

Anni22 am 11.06.2022

@ Eulenspiegel Wenn die Regeirung plant, das alle E-Auto fahren müssen, dann ist Sie auch für Rest mit verantwortlich.
Denn ohne Lademöglichkeiten werden halt keine E-Autos fahren können.

Anni22 am 11.06.2022

@ Eulenspiegel Aber dafürwelches Auto man kaufen darf, dafür ist die Regierung zuständig???
Das Sie nichts vom Reichweitenproblem hören, liegt daran, dass die Leute die entsprechende Strecken zur Arbeit fahren müssen, kein E-Auto kaufen. Die Firmen kaufen zwar Hybride auch fürLangstrecken, nehmen die Prämie und fahren dann einfach nur ohne Strom, das wissen Sie doch alles selber.

Eulenspiegel am 11.06.2022

Hallo nasowasaberauch
In der Tat die Lademöglichkeiten gehören dazu.
Nur ihre beschränkte Vorstellungsvermögen ist nun mal kein Kriterium.
Wenn ab 2035 keine Neuzulassung für Verbrenner mehr gibt so heißt das ja nicht das es ab 2036 nur noch E Autos gibt. Sondern das es ab 2035 eine kontinuierlichen Umstieg der sicherlich mehr als 10 Jahre dauern wird. Ich denke radikale Rückwärtsgewandte, wie sie, bauschen natürlich Probleme die es immer gibt und die es sicherlich dort geben wird dick auf. Und klammern sich richtig an dieser Vorstellung.