
Schusswaffenland USA 81 Millionen Waffenbesitzer: Warum die USA privat immer weiter aufrüsten
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26. Juli 2024, 10:24 Uhr
Nach FBI-Schätzungen hat etwa jeder vierte US-Amerikaner (geschlechterübergreifend) eine Schusswaffe, das sind 81 Millionen Waffenbesitzer. Der am häufigsten angegebene Grund für den Waffenbesitz hat sich dabei in den vergangenen 25 Jahren geändert. Ganz oben steht gemäß einer neuen Studie nun der Selbstschutz.
Es wirkt wie die Katze, die sich selbst in den Schwanz beißt: Viele neue Waffen in Privatbesitz, viele neue Tötungsdelikte (und auch tödliche Unfälle), steigendes subjektives Schutzbedürfnis, Kauf neuer Waffen. In Zahlen sieht das so aus: Jeden Monat gehen in den USA mehr als eine Million neue Schusswaffen über den Ladentisch.
Sprunghaft gestiegen ist die Zahl der Waffenbesitzer während der Corona-Pandemie. In dieser Zeit entschieden siebeneinhalb Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner, sich erstmals eine Waffe zuzulegen. Und genau seit dieser Zeit sind auch die Todesfälle durch Schusswaffengebrauch noch höher als in den Jahren zuvor.
Wenn es 2024 so weitergeht wie in den ersten sechseinhalb Monaten bis Mitte Juli, wird es in diesem Jahr mehr als 17.000 "Fremdtötungen" durch Schusswaffen geben, das sind etwa 50 pro Tag. Immerhin sinkt dieser Trend ein wenig seit 2021, damals waren es 57 pro Tag.
Subjektives Bedürfnis nach Selbstschutz durch Schusswaffe stark gestiegen
Gerade einmal 25 Jahre ist es her, dass nur etwa ein Viertel der US-amerikanischen Waffenbesitzer (26 Prozent) den eigenen Schutz als hauptsächlichen Beweggrund angab. Doch dieses subjektive Schutzbedürfnis hat sich stark geändert. 2013 war es bereits fast die Hälfte (48 Prozent), in den Jahren 2017 bis 2021 stieg die Zahl auf 60 bis 70 Prozent, und nun gaben laut einer neuen Studie sogar 79 Prozent der Waffenbesitzer den eigenen Schutz als Hauptgrund an.
Wenn diese Antworten aufrichtig sind und wenn die formal repräsentative Umfrage (knapp 2.500 teilnehmende Waffenbesitzer) auch praktisch repräsentativ ist, dann bedeutet das: 64 Millionen der 81 Millionen Waffenbesitzer haben die Waffe mittlerweile hauptsächlich zum eigenen Schutz.
Besonders stark ist dieses Bedürfnis nach einer Waffe zum eigenen Schutz laut Studie aktuell bei schwarzen und asiatischen Frauen, 99 Prozent von ihnen gaben diesen Hauptgrund an. Zum Vergleich: Bei weißen Männern waren es "nur" 70 Prozent. "Die steigenden Raten des Schusswaffenbesitzes bei nicht-traditionellen Gruppen, insbesondere bei Angehörigen historisch marginalisierter Bevölkerungsgruppen, könnten den wachsenden Wunsch widerspiegeln, sich gegen äußere Bedrohungen, wie zum Beispiel Hassverbrechen zu schützen", so die Autoren der Studie.
Andere Merkmale, einschließlich der politischen Zugehörigkeit, waren nicht signifikant mit dem Wunsch verbunden, eine Waffe zum Schutz zu besitzen. Auch nicht, wenn man jemanden kannte, der durch eine Schusswaffe getötet worden war. Aber das Gefühl, niemandem trauen zu können, war unter denjenigen, die den Schutz als Hauptgrund für den Waffenbesitz angaben, laut Studie besonders weit verbreitet.
Diskussion um Waffengesetze in den USA
Die Studienautoren untersuchten auch, ob die sogenannten "Stand-Your-Ground-Laws" eine Rolle beim Waffenbesitz spielen. "Stand-Your-Ground-Laws" sind Gesetze in einzelnen Bundesstaaten, die es einem Menschen erlauben, im Extremfall tödliche Gewalt anzuwenden, um sich gegen einen rechtswidrigen Angriff zu wehren. Zum Studienzeitpunkt gab es in 30 Bundesstaaten so ein Gesetz, in acht davon war es schon umgesetzt.
Der Besitz von Schusswaffen zu Schutzzwecken kam bei Waffenbesitzern, die in solchen Bundesstaaten leben, laut Studie aber nicht wesentlich häufiger vor als anderswo. Das Mit-sich-Führen einer Schusswaffe außerhalb des Hauses hingegen schon. In Bundesstaaten mit "Stand-Your-Ground"-Gesetz beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Waffenbesitzer die Waffe auch "draußen" bei sich hat, demnach 50 Prozent, in Bundesstaaten ohne solche Gesetze nur 35 Prozent.
Schon seit neun Jahren ist es durchgängig eine Mehrheit der US-Bevölkerung, die sich nicht etwa "Stand-Your-Ground-Laws" wünscht, sondern – ganz im Gegenteil – schärfere Waffengesetze. Die Zahlen schwanken zwar von Jahr zu Jahr etwas, aber seit 2015 liegen sie stetig bei (zum Teil deutlich) über 50 Prozent.
Die mutmaßliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Vizepräsidentin Kamala Harris, setzt in ihrem Wahlkampf auch verstärkt auf dieses Thema. Ein zentraler Punkt ihrer politischen Agenda seien strengere Waffengesetze. Die "Freiheit, vor Waffengewalt geschützt zu sein" nennt sie es in ihrem neuen ersten Wahlwerbespot (hier auf Youtube).
Versuche, das Waffenrecht in den USA zu reformieren, scheitern seit Jahren am Widerstand des Kongresses. Joe Biden hat daher nur per Verordnungen einige Einschränkungen auf den Weg gebracht – mit relativ geringen Auswirkungen.
Republikaner-Kandidat und Ex-Präsident Donald Trump hingegen will im Falle seiner erneuten Wahl die von Präsident Joe Biden erlassenen Waffenbeschränkungen rückgängig machen. "Jeder einzelne Angriff von Biden auf Waffenbesitzer und Waffenhersteller wird in meiner allerersten Woche im Amt, vielleicht sogar an meinem ersten Tag, beendet werden", sagte Trump schon im Februar in einer Rede von Tausenden Anhängern.
Schusswaffengebrauch: Viele Tötungen unbeabsichtigt
Eine weitere neue Studie zum Schusswaffengebrauch in den USA beschäftigt sich mit "versehentlichen" Tötungen. Und das sind gar nicht mal wenige. Zwischen 2001 und 2021 sind gemäß Studie mehr als 12.000 Menschen in den USA unbeabsichtigt erschossen worden. Allein im "Rekord"-Jahr 2021 sah das Verhältnis demnach so aus: 48.830 Todesfälle durch Schusswaffen insgesamt (wobei da auch Suizide eingerechnet sind). Aber 549 der Todesfälle waren nicht beabsichtigt.
Ziel der Studie war zu ergründen, mit welchen anderen Umständen die mehr als 12.000 versehentlichen Tötungen in 20 Jahren typischerweise einhergingen. Und es zeigten sich riesige Unterschiede zwischen einzelnen Bundesstaaten. In den südöstlichen Bundesstaaten Alabama, Mississippi und Louisiana war die "Aus-Versehen"-Quote etwa zehnmal so hoch wie in den nordöstlichen Staaten Massachusetts, New York, Maryland und Connecticut.
Faktoren, die in signifikantem Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko eines unbeabsichtigten Todes durch Schusswaffen standen, waren laut Studienautor David Schwebel der Anteil der Menschen, die sich als nicht-weiß identifizieren, der Anteil der Familien, die in den einzelnen Bundesstaaten unterhalb der Armutsgrenze leben, der Anteil der Bevölkerung, der in ländlichen Gebieten lebt, und (natürlich) der Anteil der Waffenbesitzer.
Mit diesen offenbar besonders gefährdeten Gruppen solle mehr Präventionsarbeit gemacht werden, fordert der Autor, und die müsse vielschichtig sein. "Sie sollte Bemühungen in mindestens drei Richtungen umfassen", so Schwebel, "Bildung, Politik und die Entwicklung von sichereren Feuerwaffen und deren Lagerung."
Ob er mit "Politik" strengere Waffengesetze meint, ließ er offen. Aber wohl eher nicht. Denn an anderer Stelle heißt es bei ihm: "Versuche, den Besitz von Schusswaffen zu reduzieren, sind unwahrscheinlich und wohl auch unangemessen, da Schusswaffen für viele Amerikaner, insbesondere für die Bewohner ländlicher Gebiete, ein fester Bestandteil der Kultur und des Lebens sind."
Studien / Links
- Studie "Firearm ownership for protection in the USA, 2023: results from a nationally representative survey", erschienen in "Injury Prevention"
- Studie "Unintentional firearms mortality disparities across states — USA, 2001–2021", erschienen in "Injury Prevention"
(rr)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 25. Juni 2024 | 21:32 Uhr
Nudel81 vor 36 Wochen
Bin dafür das man zum Selbstschutz eine Waffe haben darf. Wer nicht vorbestraft ist und ein Lehrgang macht sollte sich eine scharfe Waffe kaufen dürfen. Das würde vorallem Frau sehr zu Gute kommen da sie Männer Kräftemässig unterlegen sind. Dazu kommt Verbrecher kümmern sich sowieso nicht um das Waffenrecht.