Ein spielendes Kleinkind
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Immunsystem und Mikrobiom Plaste und Putzmittel schlagen Kindern auf den Darm

13. November 2020, 12:04 Uhr

Eine gesunde Darmschleimhaut ist ein wichtiges Schutzschild gegen Krankheitserreger. Sie ist mit 300 bis 500 Quadratmetern die größte Grenzfläche unseres Körpers, auf der Billionen von Mikroorganismen dafür sorgen, das schädliche Keime keine Chance haben, sich niederzulassen. Außerdem trainieren sie unser Immunsystem. Kunststoffe und Putzmittel könnten diesen Schutzmechanismus ins Wanken bringen, haben Forscher aus den USA jetzt herausgefunden.

Bestimmte Putzmittel und andere Chemikalien beeinflussen die Zusammensetzung unseres Darmmikrobioms, also der Bakterien und Pilze, die sich im Darm ansiedeln. Das haben Forscher des Department of Civil and Environmental Engineering der Washington State University (USA) unter Leitung von Courtney Gardner im Rahmen einer Studie an Kindern herausgefunden. Dazu ermittelten sie, von welchen Chemikalien diese in ihrem häuslichen Umfeld umgeben waren und untersuchten dann den Gehalt und die Zusammensetzung der Mikroorganismen in deren Verdauungstrakt.

Schädigende Chemikalien lauern auf Kleidung, Möbeln und im Badezimmer

Vor allem semiorganische Verbindungen wie Phthalate aus Waschmitteln, Kunststoffkleidung, Duschvorhängen und Körperpflege wie Seife, Shampoo und Haarspray konnten die Wissenschaftler im Blut und im Urin der 69 untersuchten Klein- und Vorschulkinder nachweisen, außerdem Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) aus Beschichtungen, Polituren, Farben und Reinigungsmitteln. Besonders jüngere Kinder hätten intensiveren Kontakt mit diesen Substanzen, da sie sich viel auf dem Boden bewegen und häufig Gegenstände in den Mund nehmen, so die Forscher.

Je mehr Chemie, desto weniger "gute" Keime

Die Messungen ergaben, dass die Kinder mit einer erhöhten Konzentration an PFAS ein verändertes Darmmikrobiom, also eine veränderte Darmflora aufwiesen. Es waren weniger Bakterien nachweisbar, außerdem hatte sich die Vielfalt der Kleinstlebewesen reduziert. Bei einer starken Phthalatbelastung verschwanden vor allem Pilzpopulationen von der Darmschleimwand. Für Studienleiterin Courtney Gardner ist das ein besorgniserregendes Ergebnis:

Es ist durchaus möglich, dass einige von diesen Mikroorganismen eine einzigartige Funktion für unseren Körper erfüllen und die Verringerung ihrer Konzentration erhebliche gesundheitliche Auswirkungen haben kann.

Courtney Gardner, Biologin
eine Frau arbeitet im Labor
Biologin Courtney Gardner hat erforscht, wie Putzmittel unsere Darmflora verändern können. Bildrechte: Washington State University

Fremde Bakterien nachgewiesen

Bei den Kindern, die besonders stark mit chemischen Verbindungen belastet waren, fanden die Wissenschaftler auch Bakterienarten, die sonst im menschlichen Darm nicht vorkommen: Organismen, die eingesetzt werden, um giftige Chemikalien zu vernichten. Dazu gehören unter anderem so genannte dehalogenierende Bakterien, die Halogene aus Verbindungen lösen und damit dafür sorgen, dass stattdessen Wasserstoffatome andocken können.

Das Vorkommen dieser Kulturen deutet darauf hin, das das Darmmikrobiom versucht, sich selbst wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

So interpretiert Gardner das Ergebnis. Sie hofft, dass die Studienergebnisse dazu führen, den Einsatz bestimmter Stoffe zu überdenken. Außerdem könne man nun bei gesundheitlichen Beschwerden auch den Einfluss der untersuchten Chemikalien als Ursache mit in Betracht ziehen, auch wenn hier lediglich der statistische Zusammenhang untersucht wurde und nicht Ursache und Wirkung. Dafür seien weitere Studien nötig.

Weitere Informationen und Links

Die Studie wurde am Department of Civil and Environmental Engineering der Washington State University in Zusammenarbeit mit der Duke University und erschien im Fachmagazin Environmental Science and Technology Letters.

Zu den Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) finden Sie hier eine aktuelle Stellungnahme (als pdf) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit.

(krm)

1 Kommentar

part am 13.11.2020

Dem gegenüber steht aber eine Anzahl von dekadenter Massentierhaltung in den Städten in Europa und Nordamerika, die mit täglich 5 Tonnen Hundekot, wie z.B. in Magedeburg zu Buche schlägt. Den normalen Bauernhof mit seiner Vielzahl an Microben gibt es heute fast kaum noch, die Massentierhaltung auf dem Land mit Einsatz von Antbioti bis zur Stillegung hat auch heute Einzug gehalten in vielen Ländern. Die Vielzahl der Inhaltsstoffe unserer Wohnungen kennen nicht mal mehr die Aufsichtsämter, denen wir als Verbraucher ausgesetzt sind. Die Anzahl der Prüfer dürfte sich wie im fiskalischen Bereich bei den Finanzämtern veringern, denn großen Elefanten tritt der Staat nicht auf den Rüssel.