Gastbeitrag UFZ/MDR-Resteretter Solidarische Landwirtschaft als möglicher Weg zu weniger Lebensmittelverlusten

20. September 2021, 11:39 Uhr

Seit dem 1. September sind die MDR-Resteretter auf der Spur der verlorenen Lebensmittel. Dieses Thema wird auch am Helmholtzzentrum für Umweltforschung (UFZ) Leipzig erforscht. In Ihrem Gastbeitrag für MDR WISSEN erklären Lukas Egli und Jörg Priess wie sie mit Studierenden verschiedener Unis (u.a. Humboldt, Halle, Graz) die Nahrungsmittelkette in der Solidarischen Landwirtschaft erforschen, und warum Sie als MDR-Resteretter mit Ihren Daten bei dieser Forschung helfen können.

Geerntetes Gemüse und Kartoffeln in einem Holzregal
SoLawi Leipzig: Typische Gemüseprodukte im Sommer 2021, die die Mitglieder wöchentlich abholen. Bildrechte: T. Newiger-Dous

Weltweit geht rund ein Drittel der produzierten Lebensmittel auf dem Weg vom Acker bis zu den Konsument:innen verloren. Können die Verluste durch den direkten Zusammenschluss von Produzent:innen und Konsument:innen in solidarischen Landwirtschaften reduziert werden? Dies untersuchen mehrere Leipziger Wissenschaftler:innen in einem seit Frühjahr 2021 laufenden Forschungsprojekt.              

In einer Solidarischen Landwirtschaft (SoLawi) besteht eine direkte Verbindung zwischen Landwirt:innen und Konsument:innen. Die Mitglieder zahlen für mindestens ein Jahr monatliche Beitrage und erhalten dafür im Gegenzug frisches, regionales und saisonales Gemüse, in manchen SoLawis auch Obst, Getreide und tierische Produkte. Die Anbaumethoden und die Produkte sind den Mitgliedern nicht nur bekannt, sondern können in der Regel auch von diesen mitbestimmt werden. Der Fokus liegt dabei meistens auf einer vielfältigen ökologischen Bewirtschaftung. Die regelmäßigen Zahlungen der Mitglieder reduzieren Einflüsse von Preisschwankungen und Ertragsrisiken und fördern den nachhaltigen Anbau.

Krumme Gurken und kleine Brokkoli

Gemüsepflanzen unter Foliendach
Gemüseernte im Folientunnel (andere SoLawis arbeiten weitgehend plastikfrei ohne Folien und Folientunnel) Bildrechte: E. Ehrlich

Bei einer SoLawi landet typischerweise auch die krumme Möhre oder der kleine Brokkoli in der Verteilstation, wo die Ernte von den Mitgliedern wöchentlich abgeholt wird. Das gemeinsame Interesse an nachhaltig erzeugten Lebensmitteln und der persönliche Bezug der Mitglieder zur Nahrungsmittelproduktion lassen vermuten, dass in der gesamten Produktionskette weniger Verluste und Lebensmittelabfälle anfallen. Genau dieser Vermutung geht ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung – UFZ auf den Grund.

Lukas Egli: "Zu Solidarischer Landwirtschaft gibt es bisher kaum empirische Forschung. Wir leisten hier Pionierarbeit und liefern eine wichtige Datengrundlage, um die Potenziale Solidarischer Landwirtschaft im Hinblick auf nachhaltige und ressourcenschonende Bewirtschaftungsalternativen besser auszuschöpfen."

Lebensmittelabfälle zählen

In einem seit Frühjahr 2021 laufenden Projekt untersuchen sieben Studierende und drei Forschende sämtliche Abfälle die bei der Ernte, in den Verteilstationen und in den Haushalten entstehen. Dabei gehen Forscher:innen und Studierende ein Jahr lang wöchentlich auf den Acker und wiegen ab, was in den verschiedenen SoLawis geerntet wird und was liegen bleibt. Auch in den diversen Verteilstationen wird mit Unterstützung der SoLawi Mitglieder regelmäßig dokumentiert, was nach der Abholung noch übrigbleibt und was damit passiert. Eine Vielzahl von Mitgliedern dokumentieren die in ihren Haushalten anfallenden Lebensmittelabfälle im Rahmen einer Tagebuchstudie. Die Ergebnisse aus den Haushalten sollen u.a. mit den Daten der MDR-Resteretter verglichen werden, um herauszufinden ob sich Menge und Zusammensetzung von Lebensmittelabfällen in Haushalten von SoLawi Mitglieder von durchschnittlichen Haushalten unterscheiden.

Die Untersuchung der Lebensmittelverluste in SoLawis sind Beiträge zu der im Herbst 2021 beginnenden breiteren Erforschung der ökonomischen und ökologischen Potenziale regionaler und nachhaltigkeitsorientierter Formen der Landwirtschaft. Innovative Produktions- und Organisationsformen wie SoLawis liefern wichtige Beiträge zur Stärkung regionaler Wertschöpfung, Nachhaltigkeit, Produktivität und Resilienz und bieten Alternativen zu den bestehenden Wachstums- und Intensivierungszwängen im Agrarsektor.

Simone Zeiger, Gärtnerin Gemüsekooperative Rote Beete eG: "Bei der Planung des Anbaus wissen wir genau wie viele Menschen wir mit dem Gemüse versorgen werden, somit wird bedarfsgerecht produziert und die komplette Ernte landet bei den Konsument:innen. Da die Mitglieder auch bereit sind größere Mengen einer gerade reifen Kultur zu verwerten und Gemüse mit kleinen Fehlstellen, untypischen Formen etc. zu verbrauchen, kann mit dem SoLawi Prinzip eine recht hohe Flächenproduktivität erreicht werden. Außerdem ist eine hohe Vielfalt an Gemüsesorten, die Verwendung samenfester Sorten anstatt Hybridsorten und das Anlegen von Blühstreifen und Nützlingsstreifen direkt an die Mitglieder kommunizierbar und kann somit als Teil der Landwirtschaft umgesetzt werden."

Wissenslücken schließen

SoLawis unterstützen den Wandel zu einer ressourcenschonenden und multifunktionalen Landwirtschaft z.B. im Sinne des sächsischen Öko-Aktionsplans, sowie die Erreichung der Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.

Gelbe Zucchini, daneben eine vertrocknete Möhre auf einer Küchenwaage
Beispiele für nicht auslieferbare Produkte die als "Verluste" gewogen werden. Das Wort Verlust in Anführungszeichen, da für fast alles eine Nachverwertung erfolgt z.B. Abgabe an Mitarbeitende, Tierfutter, Kompost oder direktes Einarbeiten in den Boden. Bildrechte: T. Newiger-Dous

Da bislang nur unzureichende Informationen über alternative Produktionsformen wie SoLawis vorliegen, möchte das neue Forschungsprojekt ab Herbst 2021 dazu beitragen bestehende Wissenslücken zu schließen. Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordiniert ein Projektteam aus Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen aus drei SoLawi Betrieben und dem Allmende Taucha e.V. und wird durch weitere Akteur:innen wie das bundesweite Netzwerk Solidarische Landwirtschaft, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), den Landesverband Nachhaltiges Sachsen, die Ernährungsräte Dresden und Leipzig, eine Agrargenossenschaft und andere unterstützt.

Über die Autoren:

Lukas Egli Helmholtzzentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ, Leipzig
Bildrechte: privat

Lukas Egli,
hat in Zürich Biologie studiert, bevor er seinen Master of International Nature Conservation an der Georg-August-University Göttingen ablegte. Nach Forschungs- und Naturschutzeinsätzen in der Schweiz und im Iran arbeitet er seit 2019 am UFZ im Bereich Landschaftsökologie und ökologische Modelle.

Jörg Priess Helmholtzzentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ, Leipzig
Bildrechte: privat

Dr. Jörg Priess,
ist Diplom-Biologe und hat an der forstwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen promoviert. Nach wissenschaftlichen Stationen und Forschung vor allem zur Bodenkunde und Landnutzung an der Uni Göttingen, der Uni Wageningen (Holland), in Venzuela und an der Uni Kassel, ist Priess seit 2009 Arbeitsgruppenleiter und Projektleiter am Department Landschaftsökologie am UFZ in Leipzig.

Links zu SoLawis

Auf der Seite des Ernährungsrates Leipzig und dem Netzwerk der Solawis finden Sie weitere Informationen

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