Von wegen Rhythmus im Blut Liegt unser Taktgefühl in den Genen?
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21. Juli 2022, 11:33 Uhr
Die Ergebnisse eines internationalen Forscherteams legen nahe, dass bestimmte Gene mit einem guten Taktgefühl in Verbindung gebracht werden können. Aber: auch unsere Umwelt beeinflusst, wie gut wir einem Beat folgen können.
Wenn wir Musik hören, die uns gefällt, reagieren wir oft intuitiv – und wippen mit. Manche im Takt, andere eher ein wenig am Takt vorbei. Aber woran liegt das eigentlich, dass manche Menschen ein Rhythmusgefühl haben und andere eher nicht? Eine aktuelle Studie legt nahe, dass bestimmte Gene mit unserem Taktgefühl in Verbindung stehen könnten.
Selbsteinschätzung des Taktgefühls
Im Rahmen der internationalen Studie, an der Forschende vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main beteiligt waren, sollten 606.825 Teilnehmende einschätzen, ob sie selbst im Takt eines musikalischen Beats klatschen können. In einer Reihe von Online-Experimenten wurde überprüft, ob die Personen mit ihrer Selbsteinschätzung richtig lagen. Das Ergebnis: Die meisten Menschen können gut einschätzen, ob sie ein Taktgefühl haben oder nicht.
"Die menschliche Fähigkeit, sich synchron zum Takt der Musik zu bewegen, bezeichnet man als Taktsynchronisation. Unsere Validierungs-Experimente ergaben, dass die Selbsteinschätzung der Teilnehmer:innen mit der objektiv gemessenen Taktsynchronisation übereinstimmten", sagt Nori Jacoby, der die Studie leitete.
69 genetische Varianten stehen mit dem Taktgefühl in Zusammenhang
Zusätzlich erfasste das Forscherteam kleinteilig genetische Merkmale der Teilnehmenden. Das Ergebnis: Es konnten 69 unabhängige genetische Varianten erfasst werden, die mit der Taktsynchronisation in Verbindung stehen. Unser Rhythmusgefühl wird also möglicherweise nicht von einem einzelnen Gen beeinflusst, sondern von vielen verschiedenen Genen.
Viele der erfassten genetischen Varianten befinden sich außerdem in der Nähe von Genen, die an neuronalen Funktionen und der frühen Gehirnentwicklung beteiligt sind. Und: Das Taktgefühl weist in unseren Genen womöglich einige der gleichen genetischen Strukturen auf, die auch bei biologischen Rhythmen wie dem Gehen oder dem Atmen eine Rolle spielen.
Auch die Umwelt spielt eine Rolle
Miriam Mosing, die ebenfalls an der Studie beteiligt war, betont: "Wie auch bei anderen komplexen Merkmalen gibt es hier viele Gene mit geringer Auswirkung – wahrscheinlich sogar mehr, als wir identifizieren konnten. Zusammen erklären sie einen Teil der Unterschiede bei der Rhythmusfähigkeit der Menschen." Allerdings spiele auch die Umwelt eine entscheidende Rolle, wenn es um unser Taktgefühl gehe.
Kann man Taktgefühl tranieren?
Unser Taktgefühl liegt also vielleicht zum Teil in einigen Genen begründet – aber eben nicht ausschließlich. Wichtig ist auch, dass die Studie keine deterministischen Rückschlüsse zulässt. Es lässt sich also nicht sagen, dass bestimmte Gensequenzen direkt zu einem besseren Taktgefühl führen – sondern lediglich, dass sie bei Menschen mit einem guten Taktgefühl oft zu finden waren. Ob stetiges üben unser Taktgefühl dann also trotzdem verbessern kann? Dazu macht die aktuelle Studie keine Aussagen. Musiklehrerinnen und –lehrer würden vermutlich sagen: Ja!
Links/Studien
Die aktuelle Studie "Genome-wide association study of musical beat synchronization demonstrates high polygenicity" ist im Journal Nature Human Behaviour erschienen.
iz