Medizinforschung aus Jena Wie Weihrauch wirkt: Aus bösen Enzymen werden gute

13. Mai 2020, 12:34 Uhr

Katholiken haben beim Stichwort Weihrauch sofort den Geruch kirchlicher Hochfeste in der Nase. Andere kennen die Geschichte vom Jesuskind, das u. a. mit Weihrauch beschenkt wurde. Was nicht so vielen Menschen sofort in den Sinn kommt, ist die Medizin. Ein Forschungsteam der Universität Jena hat herausgefunden, wie genau der Weihrauch wirkt und Verblüffendes entdeckt: Durch ihn wird ein Enzym in unserem Körper vom Bösen zum Guten - also sozusagen vom Saulus zum Paulus.

Weihrauch-Harz in Petrischalen 2 min
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Weihrauch ist bekannt für seine entzündungshemmenden Substanzen, die zum Beispiel gegen Asthma, Rheuma oder Neurodermitis helfen. Ein Forschungsteam der Uni Jena hat jetzt herausgefunden, wie genau der Weihrauch wirkt.

MDR AKTUELL Di 12.05.2020 17:23Uhr 02:29 min

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Aus unauffälligen, beinahe grauen Baumstämmen mitten in den trockensten Regionen der Welt in Afrika, Indien oder auf der arabischen Halbinsel wird es gewonnen: Weihrauchharz. Das Harz wird schon seit tausenden von Jahren insbesondere in der ayurvedischen Medizin genutzt, erläutert Oliver Werz. Er ist Professor für pharmazeutisch-medizinische Chemie an der Universität Jena.

Er ist - wenn man das jetzt aus unserer heutigen Sicht betrachtet - ein sehr, sehr interessantes Naturprodukt, weil er eine Vielzahl von Wirkstoffen enthält, die man eigentlich fast nur oder ausschließlich im Weihrauch selbst findet.

Prof. Dr. Oliver Werz - Universität Jena

Der Wirkweise dieser Substanzen ist Werz mit seinem Team auf der Spur: Dazu haben die Forschenden untersucht, wie der Wirkstoff Akba aus dem Weihrauchharz ein Enzym in unserem Körper angreift. Dieses Entzündungsenzym hilft dabei, uns krank zu machen. Aber was genau macht der Wirkstoff mit diesem Enzym, wenn er es bekämpft? Das hat sich das Team auf molekularer Ebene angeschaut und überraschendes festgestellt: Der Weihrauch-Wirkstoff programmiert das Enzym nämlich einfach um, erklärt Werz.

Mann mit Brille
Prof. Dr. Oliver Werz Bildrechte: Jan-Peter Kasper/FSU

Nämlich dazu, dass dieses Enzym nun nicht mehr entzündungsfördernde Botenstoffe bildet, sondern entzündungsauflösende Botenstoffe. Und das ist das eigentlich Neue an dieser Studie und auch das Vielversprechende, denn solche Wirkungen kannte man bisher von Wirkstoffen noch überhaupt nicht.

Prof. Dr. Oliver Werz - Universität Jena

Normalerweise blockieren oder hemmen Wirkstoffe solche Enzyme, aber dass sie es in ihrer Wirkweise derart verändern, ist völlig neu. Es wird quasi vom Saulus zum Paulus - vom bösen Entzündungsverursacher zum guten Entzündungsbekämpfer. Ein Zufallsfund, so Werz, der dem Forschungsteam ganz neue Möglichkeiten offenbart hat. Sie wollen nämlich jetzt die Moleküle des Wirkstoffs nachbauen.

Im Grunde genommen hat uns dieses Molekül aus dem Weihrauch als chemisches Werkzeug gedient und wir (…) können jetzt im Grunde genommen Moleküle entwerfen, (…) um das Enzym umzuprogrammieren. Das ist so die Vision, die wir haben.

Denn mit dem natürlichen Wirkstoff aus dem Weihrauch gibt es ein Problem, das den meisten Menschen gar nicht bekannt ist, ergänzt Werz. Wenn man den in Form von Tabletten einnehme, erreiche kaum etwas von dem Wirkstoff die richtige Stelle im Körper, um dort das Entzündungsenzym umzuprogrammieren. Mit einem künstlich hergestellten Zwilling, der seinen Einsatzort gezielter ansteuert, so die Idee, könnte dieses Problem womöglich gelöst werden.

Weihrauchbaum in einer kargen Wüstenlandschaft.
So sieht ein Weihrauchbaum aus. Bildrechte: imago/imagebroker