Kaltwasserkorallen
Die Steinkorallen Lophelia pertusa und Madrepora oculata auf einem Korallenhügel vor Mauretanien. Die Riffe dienen Fischen, Krebsen, Muscheln und vielen anderen Bewohnern als Lebensraum. Bildrechte: Tomas Lundälv

Tiefseeforschung Das größte Kaltwasserkorallen-Riff der Welt

25. Juli 2019, 13:03 Uhr

Die farbenfrohe Unterwasserwelt des Great Barrier Reefs ist weltberühmt. Kaum bekannt dagegen sind die riesigen Riffe im Atlantik. Eines des größten vor der Küste Afrikas haben Forscher jetzt genau untersucht.

Das Kaltwasserkorallenriff vor der Küste Mauretaniens ist mehr als 400 Kilometer lang. Soweit bislang bekannt, ist es das größte seiner Art im Atlantik. Die Korallentiere siedeln seit mindestens 120.000 Jahren dort am westlichen Ende Afrikas. Das zeigen die Untersuchungen eines internationalen Forscherteams, die nun im Fachjournal Quaternary Science Reviews veröffentlich wurden. Über 100 Meter hoch ist der Berg aus Kalk, den die winzigen Tiere im Lauf der Jahrtausende am Meeresgrund aufgebaut haben.

Claudia Wienberg von der Universität Bremen ist eine der beteiligten Wissenschaftlerinnen und hat das Riff selbst besucht. Sie schätzt, dass es teilweise sogar über eine Millionen Jahre alt sein könnte. "Die Artenvielfalt, die wir in den tiefen Kaltwasserriffen finden, steht derjenigen in den tropischen Riffen in nichts nach", sagt die Forscherin. "Über 4.600 Arten leben mit den Kaltwasserkorallen und mit jeder Expedition finden wir auch immer neue Arten."

Farbenfroh wie tropische Riffe

Zahlreiche Fischarten nutzen die Korallengebiete, um dort zu laichen oder um Nahrung zu finden. Auch Schwämme, Krebstiere, Schnecken, Seeigel und Seesterne leben in diesen Biotopen, die praktisch in allen Meeren der Erde vorkommen, aber aufgrund ihrer abgeschiedenen Lage in Tiefseeregionen erst relativ spät von der Forschung entdeckt wurden. Das Riff vor Mauretanien beispielsweise entdeckten Taucher erst Ende der 1990er-Jahre. Eigentlich waren sie auf der Suche nach Erdgasvorkommen.

Obwohl diese Riffe in der absoluten Dunkelheit der Tiefsee liegen, sind sie ähnlich farbenfroh wie die tropischen Riffe. Auch Kaltwasserkorallenriffe können in roten oder orangenen Tönen erscheinen. Und die diversen Fischarten, die in diesen Riffen leben, zeichnen sich ebenfalls durch sehr hohe Farbvielfalt aus.

Dr. Claudia Wienberg, Marum, Universität Bremen

Von Norwegen bis Südamerika

Inzwischen gehen Wissenschaftler davon aus, dass Kaltwasserkorallenriffe deutlich häufiger vorkommen, als ihre bekannten tropischen Verwandten. Meistens befinden sich die Gebiete am Rand der Kontinente, an den Kanten zur wirklich tiefen Tiefsee. Bekannt sind Riffe sowohl vor der Küste von Nordnorwegen, als auch vor der Südspitze von Südamerika. Vor Irland haben die Korallen bis zu 300 Meter hohe Hügel aufgebaut, das entspricht fast der Größe des Berliner Fernsehturms.

Anders als tropische Korallen leben die Nesseltiere in der kalten Tiefsee nicht in Symbiose mit Algen. Stattdessen ernähren sie sich von Kleinstlebewesen, die die Meeresströmung zu ihnen bringt. Laut den aktuellen Ergebnissen profitieren die Korallen vor Mauretanien vor allem, wenn Wasser mit viel Sauerstoff aus dem Norden zu ihnen strömt. Dominieren dagegen sauerstoffärmere Wassermassen aus dem Süden, stagniert ihr Wachstum oder sie sterben teilweise ganz ab. Wichtig ist auch, dass das Wasser in ihrer Umgebung nicht wärmer wird als 14 Grad.

Auch Kaltwasserkorallen akut bedroht

Der Klimawandel gefährdet nicht nur die tropischen Riffe, sondern auch das Leben der Kaltwasserkorallen. Wenn sich das Wasser der Meere erwärmt, nimmt die Zirkulation ab und bringt weniger Sauerstoff und Nahrung zu den Tieren. Ein noch viel größeres Problem stellt das viele Kohlenstoffdioxid (CO2) dar, das die Menschen beim Verbrennen von Kohle und Öl in die Atmosphäre entlassen. Bis zu 30 Prozent von diesem CO2 haben die Meere bereits aufgenommen.

Das Klimagas macht das Wasser immer saurer. Säure wiederum löst Kalk, in versauerten Ozeane können Korallen keine Kalkskelette bilden.

Ein drittes Problem ist schließlich die Rohstoffsuche der Menschen unter Wasser. Bei der Katastrophe von Deep Water Horizon im Golf von Mexiko traten Große Mengen Öl aus. "Kollegen aus den USA haben danach die dortigen Kaltwasserkorallenriffe untersucht und festgestellt, dass ein Großteil abgestorben war", sagt Wienberg. Ein Ölfilm hatte sich über die Korallen gelegt und sie mehr oder weniger erstickt.

Auch Fischer, die mit ihren Grundschleppnetzen in immer größerer Tiefe fischen gehen, zerstören dabei viele Riffe. "Die Korallen brauche oft viele Jahrtausende, um ihre Kalkskelette aufzubauen. Sie können sich nicht in kurzer Zeit erholen", sagt die Bremer Meeresforscherin.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL Radio | 27. April 2018 | 20:51 Uhr