Buchcover des Buchs "Waldbilder", zu sehen sind dicht gedrängt stehende Laubbäume, wobei der Betrachter von unten hoch in das Blätterdach blickt.
Das Buch "Waldbilder" wartet mit Bildrechte: Markus Bühler, AT Verlag

Wissen was wir lesen Waldbilder

Buch-Empfehlung: Waldbilder von Markus Bühler und Peter Stamm

10. Oktober 2023, 17:20 Uhr

Wer schon mal versucht hat, einen Sommerwald zu fotografieren um später wieder im wohligen Waldgefühl zu baden, sollte in das Buch "Waldbilder" eintauchen. Hier kann man eintauchen in Bilder, die Geschichten erzählen.

Waldbilder. Ein schlichter Titel für ein scheinbar schlichtes Buch, das mit wenig Text und viel Bild arbeitet und das dennoch mehr in sich hat als man beim ersten Durchblättern vermuten würde. Aber der Reihe nach. Markus Bühler und Peter Stamm, das sind die Köpfe hinter diesem Bilderbuch mit doppelseitigen Wald-Momenten. 

Markus Bühler, ein Fotograf aus Zürich, spezialisiert auf Landschaften und Porträts, und der auch Wald-Workshops für Waldfotografie gibt. Vielleicht für solche wie mich, die immer mal versuchen, die Schönheit eines Waldes fotografisch einzufangen, wenn die Sonne richtig steht, die Schatten himmlisch fallen. Und die dann daheim feststellen: Dem Foto fehlt nicht nur der honigharzige Waldduft, sondern auch die Stimmung, das Licht, einfach alles, was den Moment im Wald so überirdisch machte. Einer, der solche Momente sieht und fotografieren kann, ist eben nun Markus Bühler, einer, der sich beim Fotografieren selbst komplett zurücknimmt.

Buchcover des Buchs "Waldbilder", zu sehen sind dicht gedrängt stehende Laubbäume, wobei der Betrachter von unten hoch in das Blätterdach blickt.
Buchcover "Waldbilder" Bildrechte: Markus Bühler, AT Verlag

Sehr passend übrigens, denn seiner Handwerkskunst gibt er auf seiner Homepage viel Raum. (Sich selbst zwar auch, aber nur, wenn man bereit ist, sich eine Lupe zu besorgen, denn die Stationen seines Fotografenlebens ziehen sich in kleinstmöglichen Buchstaben wie Ameisenkolonnen über den Bildschirm.) Aber es geht ja auch um seine Bilder, wer mehr über den Fotografen Bühler wissen will, muss – wie im Wald – stillhalten und gaaanz genau auf dem Bildschirm hingucken. So wie Markus Bühler beim Fotografieren. Er begreift den Wald als Beobachter, als heimlicher Besucher, der auf den richtigen Moment wartet, bis die Szenerie, die Lichtung, ein Blatt, ein Baum im richtigen Licht erscheint. In seinem Buchvorwort beschreibt er den Wald als Bühne für Geschichten, die man nur sieht, wenn man auf den Moment warten kann, bis die Belichtung stimmt und sich die Waldbühne öffnet.  

Und Peter Stamm, Autor des Essays vor den Bildern im Buch? Vielleicht ist Peter Stamm ein Mann wie ein Baum. Ich weiß es nicht, da ich ihn bisher nicht kenne. (Kulturbeflissenere wissen natürlich, dass Stamm den Roman "Agnes" und weitere Bücher geschrieben hat.) Wäre Stamm ein Baum, wäre er vermutlich keine Birke, sondern ein breiter, vielleicht etwas knorriger Baum, dessen Äste mal hier, mal da ausgeschlagen haben, mit Wurzeln, die sich wie Finger über und in den Waldboden krümmen. Von Flechten und Mossen bewachsen, ineinander verschlungen, scheinen sie einzuladen, ein bisschen Wald zu tanken. Jedenfalls könnte man das aus Stamms Lebensweg schließen, der über eine Ausbildung zum Buchhalter, Abitur auf dem zweiten Bildungsweg und verschiedene Anläufe in verschiedenen Studiengängen über den Umweg Journalismus schließlich ins Autorenwesen mündet, in Romane und Hörspiele. Das ist eine witzige und unsichtbare Analogie zu Stamms Blick auf den Wald, die ihm vielleicht selbst gar nicht aufgefallen ist: Er stammt aus einem Bücherhaushalt und wird schließlich selbst Autor. Darin ähnelt er dem Wald, und dessen Zersetzungsprozesse, die er in seinem Essay lakonisch kommentiert: : "Der Wald verdaut sich selbst." Peter Stamms Bilderbuch-Essay skizziert persönliche Wald-Momente aus seinem Leben in Worten so treffend, wie Markus Bühler, der Fotograf, der mit der Kamera im richtigen Moment auslöst, und Momente einfriert, die beim Betrachten anfangen, Geschichten zu erzählen und neugierig machen. Und den Wunsch wecken, jetzt gleich mal in den Wald zu gehen. Ich bin dann mal weg. 

Sennwald
Der Sennwald im Rheintal Bildrechte: Markus Bühler/AT Verlag
Liane Watzel
Bildrechte: Tobias Thiergen

Liane Watzel ist Online- und Radioautorin. In der Redaktion Wissen & Bildung, weil sie Neues aus der Forschung gern so übersetzt, dass jede/r sie beim ersten Lesen oder Hören versteht und anschließend sagt: "Ach so! Wie spannend! Jetzt versteh ich das! Das hab' ich nicht gewusst!"

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