Teasergrafik Altpapier vom 2. Dezember 2019: Joseph Muscat am Mikrophone daneben die Frage :Rücktritt?!, darunter ein Kalenderausschnitt mit den Logos von ZDF heute, Tagesschau, taz und SZ auf die Tage Freitag und Samstag verteilt
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Das Altpapier am 2. Dezember 2019 Egon Erwin Kitsch

04. Dezember 2019, 09:14 Uhr

Der maltesische Ministerpräsident ist zurückgetreten. Praktisch ein ganzes Wochenende lang. Und: Im Jahr 1 n.R. (nach Relotius) wird der Reporterpreis verliehen. Ein anonymer Briefeschreiber kritisiert die Vorjury scharf. Ein Altpapier von Ralf Heimann

Inzwischen ist das passiert, was seit Tagen viele vermutet hatten (Altpapier). Maltas Premierminister Joseph Muscat hat nach den Enthüllungen um den Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia seinen Rücktritt angekündigt. Wie so vieles in dem Fall war auch das zunächst etwas undurchsichtig.

"Maltas Regierungschef vor Rücktritt?"

"Maltes Premier soll kurz vor Rücktritt stehen"

Christian Jakob bezieht sich in seinem Artikel für die taz auf "mehrere maltesische Medien", die den Rücktritt "übereinstimmend" berichtet hätten. ZDF-heute-Mitarbeiter Nils Metzger hat die maltesischen Medien ebenfalls gelesen und beginnt nach der vorsichtigen Überschrift ("offenbar") mit dem Satz:

"Nach Berichten der Tageszeitung 'Times of Malta' und anderer lokaler Medien hat der maltesische Premierminister Joseph Muscat seinen Rücktritt angekündigt."

Das war am Freitag um 18:11 Uhr. Um 20:07 Uhr berichtete die Tagesschau, die die Zeitungen "Times of Malta" und "Malta Today" als Quellen nennt: "Maltas Premierminister Joseph Muscat soll Medienberichten zufolge zum Rücktritt bereit sein." Diese Einschränkung erklärt sich dadurch, dass Muscats Büro die Berichte laut der Nachrichtenagentur AP als "völlige Erfindung" abgetan hatte.

Weiter ging es am Samstag. Um 21:40 Uhr veröffentlichte Reuters eine Meldung mit der Überschrift:

"Maltas Regierungschef gibt Rücktritt am Wochenende bekannt."

Im Text heißt es:

"Der Ministerpräsident werde seinen Rückzug Samstagnacht oder am Sonntag bekanntgeben, verlautete aus mit der Angelegenheit vertrauten Kreisen."

Eine offizielle Mitteilung gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Um 18:06 Uhr fragte dpa:

"Journalistenmord auf Malta: Neuer Premier im Januar?"

Der taz-Artikel vom Freitag hat keinen Zeitstempel. Dort schrieb Christian Jakob schon am Freitag darüber, wie es in den kommenden Wochen weitergehen werde.

"Den Medienberichten zufolge will Muscat kommissarisch im Amt bleiben, bis seine Partei, die PL, in den kommenden Wochen einen Nachfolger bestimmt hat."

Und so scheint es nun auch tatsächlich zu kommen. Am Sonntagabend um 20:24 Uhr schickte dpa eine Eilmeldung raus. Titel:

"Maltas Premierminister Muscat stellt Rücktritt in Aussicht"

Zwei Minuten später folgte die AP-Eilmeldung:

"Malta: Muscat kündigt Rücktritt wegen Mordfall Caruana Galizia an"

In der Abfolge dieser Meldungen wird recht deutlich, mit welchen Schwierigkeiten es verbunden sein kann, in dieser unübersichtlichen Lage den aktuellen Stand der Nachrichten präzise wiederzugeben.

Laut den Berichten will Muscat nun als Regierungschef abtreten, wenn am 12. Januar ein neuer Parteichef gewählt wird, der dann neuer Regierungschef wird.

Reporterpreis unter Kitsch-Verdacht

Heute jährt sich zum ersten Mal der Abend, mit dem Juan Moreno sein Buch über den Betrugsfall Relotius beginnen lässt.

"Es war nicht Panik. So viel steht fest. Es war die Nacht zum 3. Dezember 2018, Stunden vor dem größten Triumph seiner Karriere. Pressedeutschland würde sich bald wieder geschlossen vor ihm verneigen. Zum vierten Mal würde er den Reporterpreis gewinnen."

Und nun, genau ein Jahr später, wieder in der Nacht zum 3. Dezember, eigentlich ein super Einstieg für eine Spiegel-Reportage, wird der Reporterpreis zum fünften Mal vergeben. Die große Frage ist: Was ist in diesem Jahr anders?

Neu ist in diesem Jahr zum Beispiel, dass die Autor*innen ein "Making-of" abliefern müssen, das auch die Kontaktdaten der Menschen enthält, die in den Texten vorkommen. Das handhaben inzwischen auch andere Redaktionen so. Zum Beispiel das SZ-Magazin, dem es auf diese Weise Anfang des Jahres gelang, einen Betrug zu verhindern (Altpapier).

Daniel Bouhs schrieb am Wochenende via Twitter von der Fachtagung Tutziger Medien-Dialog:

"Knapp 1 Jahr nach Relotius: Die @SZ entwickelt gerade eine Datenbank, in der ReporterInnen ihr Recherchematerial zentral ablegen sollen. So sollen die Redaktionen direkt Zugriff haben und künftig besser checken können. #ehrlich19"

Aber es gibt auch Kritik an der Praxis. Thomas Knüwer etwa hält die Reporterpreis-Variante aus datenschutzrechtlichen Gründen für problematisch. Das merkt er bei Twitter an. Auch andere Journalisten sehen Probleme, wie hier unter dem Tweet von Daniel Bouhs nachzulesen ist. Und spätestens, wenn die SZ ihre neue Datenbank vorstellt, wird das sicherlich noch zu einem Thema werden.

Aber zurück zu Relotius. Laura Hertreiter resümierte am Freitag für die SZ:

"Seither haben Redaktionen in Deutschland ihre Standards für Faktenchecks, Recherchen und Transparenz überprüft und nachjustiert. Man kann sagen: 2019 war in Medienhäusern auch das Jahr der Aufräumarbeiten."

Harald Staun bezweifelt allerdings, dass die neuen redaktionellen Sicherheitsnetze die Probleme wirklich lösen können. In seiner FAS-Kolumne schreibt er (55 Cent bei Blendle):

"Wer sich vor der Preisvergabe noch einmal die Liste der nominierten Texte für die beste Reportage anschaut, merkt von veränderten Kriterien wenig – noch immer hält man offensichtlich vor allem jene Texte für preiswürdig, die mit großem Aufwand und geschärftem Blick für Kleidungsstücke moderne Sozialtragödien anhand von traurigen Einzelschicksalen erzählen, Geschichten, die nichts erschüttern außer den Glauben an die Menschlichkeit."

Und die Beispiele, die Staun in den nominierten Texten gefunden hat, deuten tatsächlich darauf hin, dass es nicht nur ein Problem mit den Fakten gibt, sondern auch weiterhin ein Problem mit Kitsch.

Eine Kostprobe:

"Zwei Monate nachdem Andreas Gammel das Video mit dem kleinen Khairi gesehen hat, steht er an einem Donnerstag im Juni unter einem Olivenbaum und blickt auf einen sandsteinfarbenen Tempel, der vor ihm aus den felsigen Hügeln ragt."

Das Reporter-Forum hat am Freitag eine anonyme E-Mail erhalten (Absender: "Egon Erwin Kitsch", Betreff: "Relotius lässt grüßen"), in der es um den Kitsch-Vorwurf und die Probleme mit der szenischen Rekonstruktion geht, die inzwischen an die Vorjury-Mitglieder gegangen ist – mit der Bitte, Gedanken darüber zu formulieren, die dann im Blog des Reporter-Forums erscheinen sollen. 

In der E-Mail, die auch bei uns gelandet ist, heißt es unter anderem:

"Schwer nachvollziehbar, wie es auch dieses Jahr bestimmte Texte in die Vorauswahl geschafft haben, die den Unterschied zwischen eigener Beobachtung und szenischer Rekonstruktion nicht kenntlich machen oder zu spät. (…)"

Der oder die Autorin bezieht sich auf zwei Beispiele, zum einen den Text "Freiwild" von Jan Christoph Wiemann (nachzulesen wie auch alle anderen nominierten Reportagen hier im Reader):

"Auf den ersten 1,5 Seiten wird eine Situation aus nächster Nähe geschildert, mit subjektiven Eindrücken, die nur (!) haben kann, wer zu diesem Zeitpunkt vor Ort ist: 'etwas Neues lag in der Luft‘, zwei Schwestern, die 'plötzlich‘ das Haus verließen, eine vierte Person, die einen Hauch versprühte, der nach 'Parfüm und schnellem Geld’ roch, nach 'Abenteuer‘, nach 'Freiheit‘, es werden Dialoge geschildert, über eine gestorbene Großmutter, die den Schwestern 'wie eine Mutter gewesen‘ sei. Nur: Zu keinem Zeitpunkt, an keiner Stelle der langen Anfangspassage erfährt der Leser, woher der Autor seine Informationen hat, ob er sie selbst beobachtet oder vom Hörensagen hat, ob sie sich genau so zugetragen haben oder nur vielleicht. Erst nach 1,5 Seiten wird von einem Case bei der Staatsanwaltschaft berichtet, und man kann nur vermuten, dass vielleicht ein Teil der geschilderten 'Erlebnisse' aus Behördendokumenten stammt, aber auch dies bleibt offen. Nach 2,5 Seiten weiß der Leser: Der Autor war NICHT da, in den Tagen im April 2017, als etwas Neues in der Luft lag, ein Hauch von Abenteuer und Freiheit versprüht wurde, dieser und jener Dialog angeblich geführt wurde und zwei Schwestern plötzlich ein Haus verließen. Welche VorjurorInnen in welchen Redaktionen haben hier geschlafen?"

Zum anderen geht es um den Text "Jagd auf 'Elysium‘" von Theresa Locker und Max Hoppenstedt. Die Kritik daran lautet:

"Ähnlicher Case, wieder wird eine szenische Rekonstruktion als subjektiv Erlebtes ausgegeben: Der Leser wird in eine Szene irgendwo in Hessen geworfen, erfährt von Blitzfrost und von jungen Weinreben und Obstbaumblüten, die erfrieren. Doch waren die Autoren an diesem Tag vor Ort, in der 'Kleinstadt im Taunus’, oder zumindest an irgendeinem Ort 'in Hessen‘, um das zu verifizieren, sahen sie die Reben und Blüten mit eigenen Augen erfrieren? Oder haben sie im Nachhinein das Wetterarchiv studiert, Temperaturen abgelesen und daraus geschlossen, dass Weinreben und Obstbaumblüten ab X Grad Celsius erfrieren und es ergo auch in dieser Nacht im April so gewesen sein muss, gewesen sein könnte? Wenn sie da waren: gut für sie und den Leser, doch warum stellen sie das nicht klar? Wenn sie aber doch nicht dort waren, woher wissen sie, dass Frank M. 'an diesem Abend nichts von der ungewöhnlichen Kälte mitbekommt‘? Blieb er die ganze Nacht in der Werkstatt? Oder ging er mal kurz raus, lüftete das Fenster oder drehte er die Heizung nur auf Sparflamme, und bekam vielleicht doch etwas mit von der Kälte? Und so weiter. Der Leser kann nur vermuten, raten, hoffen, dass sich die Autoren hier nichts hinzugedacht haben. Denn Quellen geben sie dem Leser in der Eingangspassage keine. Und doch wird der Eindruck erweckt, als wären die Autoren ganz nah dran gewesen in dieser Nacht. Man fühlt sich beinahe an ein anderes Stück erinnert, ihr könntet es kennen, den Pfister-Text über Seehofers Modelleisenbahn. Auch damals keine Quellen, dem Leser wurde die Nähe des Autors zum Beobachtungsobjekt nur vorgespielt. Jener hat sie gespürt, es war schön, aber nicht zutreffend."

In beiden Beispielen wird eines sehr deutlich: Es mag zwar erzählerisch unelegant sein, deutlich zu machen, woher eine Information stammt. Aber wer darauf verzichtet, weckt Zweifel an der Echtheit. Und das passiert schnell, wenn es nicht nur darum geht, die Geschichte wahrheitsgemäß zu transportieren, sondern auch darum, den Eindruck zu hinterlassen, dass die Geschichte schon sehr geil geschrieben ist.

Wahrscheinlich wird nun wieder eine Diskussion folgen, die nicht viele neue Argumente hervorbringen und auch nicht zu großen Veränderungen führen wird. Denn das eigentliche Problem lässt sich nicht mit einer Recherche-Datenbank lösen und auch nicht mit Beteuerungen. Aber dafür lässt es sich ganz gut mit einem Satz beschreiben: Viele Redaktionen lieben immer noch Kitsch.

SPD-Kommentatoren zerstören sich selbst

Zum Abschluss noch schnell zu dem Thema, das die Nachrichten am Wochenende dominiert hat, für uns aber höchstens unter dem Aspekt des reflexhaften Medienverhaltens interessant ist. Sie haben es längst erraten: Es geht um die Mitgliederabstimmung zum SPD-Vorsitz.

Es gibt dieses schöne Zitat von Berti Vogts, der gesagt haben soll: "Wenn ich übers Wasser laufen könnte, würden meine Kritiker sagen: 'Nicht mal schwimmen kann er.'" Ein bisschen so ist es zurzeit auch mit der SPD.

Carline Mohr, Leiterin der Kommunikation im Willy-Brandt-Haus, hat das in einem Tweet zusammengefasst:

"Es gab ja nur zwei Optionen:

'Mutlos und blass: Taumelnde SPD will sich nicht erneuern, wählt Geywitz/Scholz und zerstört sich selbst.’

'Unerwartet und gefährlich: Taumelnde SPD will nicht mehr regieren, wählt die Greenhorns Nowabo/Esken und zerstört sich selbst.’"

Stefan Niggemeier beschrieb sein Gefühl ebenfalls in einem Tweet:

"Ich hab gar keine Meinung dazu, ob die neuen SPD-Vorsitzenden die Rettung oder der Untergang der SPD sind, merke aber, dass ich schon aus Trotz wegen der ganzen Leitartikel, die gerade gegen sie verfasst werden, zu ersterem tendiere. (Okay, auch keine sehr erwachsene Reaktion.)"

Wie die SPD sich in diese Situation gebracht, darum geht es in Stephan Lambys Dokumentation "Die Notregierung – Ungeliebte Koalition", deren Qualitält Stefan Fischer in seinem Text für die SZ-Medienseite unter anderen in den Dingen sieht, die nicht zu sehen sind.

"Erneut bezieht Lamby Stellung, indem er Dinge nicht zeigt. Viele seiner Protagonisten blicken schweigend durch die Scheiben ihrer Büros. Es ist aber nicht ersichtlich, was sie dort sehen, ob sie überhaupt etwas sehen von dem, was draußen im Land vor sich geht."

Zu sehen ist der Film heute Abend um 20.15 Uhr in der ARD – und danach in der Mediathek.

Altpapierkorb (Siegener Zeitung, Diversität beim Tatort, Festnahme in der Türkei, Nähe und Distanz, Zeitungsmarkt)

+++ Boris Rosenkranz schreibt für Übermedien über einen Artikel, der auf rätselhafte Weise in der Siegener Zeitung gelandet ist. Wer ihn verfasst hat, verrät die Zeitung nicht. Aber möglicherweise hat das Netzwerk Bibel und Bekenntnis damit zu tun, das zu einem Treffen evangelikaler Christen geladen hatte, von dem der Text handelt. Darin steht zum Beispiel: "Welches gnadenlose und schnelle Gericht schon hier auf Erden manche Menschen treffen könne, darüber referierte Psychologe Markus Hoffmann. In christlichen Kreisen sei es die 'Christenpest‘: Homosexualität." Es wird aber alles noch abenteuerlicher. Die Zeitung verbucht den Text als "Beitrag zur Meinungs- und Denkfreiheit".

+++ Einen recht ungewöhnlichen Schritt macht die Pro-Sieben-Sat1-Gruppe. Sie wechselt die Medienanstalt – also die Institution, die ihr eine Lizenz verleiht. Darüber berichtet Volker Nünning für die Medienkorrespondenz. Ein Grund dafür ist laut ProSieben Sat1 die Novelle des Medienstaatsvertrags zwischen Berlin und Brandenburg. Aus ihr ergibt sich für das Unternehmen ein Nachteil. "Zieht etwa Pro Sieben gegen eine solche Beanstandung der Medienanstalt vor Gericht, hat die Klage keine aufschiebende Wirkung, wodurch die verfahrensrechtliche Position des Senders geschwächt wird."

+++ Und noch zwei Empfehlungen bei der Medienkorrespondenz: Das Interview, das Altpapier-Autor René Martens für die Medienkorrespondenz mit Lutz Hachmeister geführt hat, ist jetzt auch frei online verfügbar. Und die neue Kolumne vom Altpapier-Kollegen Christian Bartels ist ebenfalls erschienen Thema: Ist Twitter wichtig?

+++ Der ehemalige Altpapier-Autor Matthias Dell schreibt auf der FAS-Medienseite über die ungleiche Geschlechterverteilung beim Tatort, einem der am besten bezahlten Formate in der ARD (55 Cent bei Blendle). Das anonyme Bündnis "Tatort Drehbuch" hat sich nun mit einem offenen Brief zu Wort gemeldet, nachdem ein "Brandbrief" vor einiger Zeit nicht ganz so erfolgreich war: "Dafür meldete sich ein Journalist bei der Initiative, der den 'Brand­brief' in einem Interview mit dem ARD-Programmdirektor Volker Herres zur Sprache gebracht hatte, was nicht so gut gelaufen sei – Herres habe das Gespräch abgebrochen."

+++ Der NDR erwartet fürs nächste Jahr 34 Millionen Euro Miese und muss sparen. Wie Timo Niemeier für DWDL berichtet, will der Sender im kommenden Jahr 9,5 Stellen abbauen. Bei insgesamt 3378 Planstellen klingt das nicht nach so viel. Doch seit 1993 seien schon 731 Stellen weggefallen, schreibt Niemeier. Ein Grund für das Finanzloch im kommenden Jahr ist laut Intendant Lutz Marmor, dass "die Erträge aus Rundfunkbeiträgen unter anderem wegen der Befreiung von Zweitwohnungen nicht das erwartete Niveau erreicht haben".

+++ Der NDR hat noch ein anderes Problem, jedenfalls haben das die "Bild"-Medien am Freitag behauptet. Eine gemeinsame Tochterfirma von NDR Und RBB soll laut dem Bericht Journalisten regelmäßig zum Essen eingeladen und mit mit kleineren Geschenken (bis 50 Euro) bedacht haben. Darüber berichten Kurt Sagatz und Joachim Huber für den Tagesspiegel. RBB-Sprecher Justus Demmer weist die Korruptionsvorwürfe "in aller Deutlichkeit" zurück.

+++ Die Türkei bemüht sich weiterhin nach Kräften, im Ausland als autokratisches Willkürregime wahrgenommen zu werden. Diesmal hat es den Journalisten und Schriftsteller Hasan Cemal getroffen, der mit seiner Frau nach Berlin fliegen wollte, aber am Flughafen seinen Reisepass abgeben musste, wie das ZDF berichtet.

+++ Theresa Hein hat für die SZ-Medienseite ein Interview mit der Schauspielerin Sibel Kekilli geführt, die vor zwei Jahren einen Filmdreh in der Türkei abgesagt hat, und die auf die Frage, ob das auch mit Angst vor Anfeindungen zu tun gehabt, habe, sagt: "Auch. Und man weiß ja nicht, wie die politische Situation in der Zeit ist, in der man dort arbeitet. Da musste ich schon überlegen: Bin ich sicher, werde ich freundlich empfangen? Aber alles ist gut gelaufen." Na ja. Immerhin.

+++ Um eine andere journalistische Krankheit geht es in der taz-Kolumne Frühsport von Martin Krauß: fehlende Distanz. Die Tennisspielerin Andrea Petkovic hatte gestern ihr Debüt als ZDF-Sportmoderatorin. Sie ist nicht die einzige Spitzensportlerin beim ZDF. Aber "gerade die, die mit ihrer Expertise den Ruf der Anstalt als Sportsender verbessern sollen, lassen sich möglichst bald nicht mehr anmerken, wo sie herkommen." Krauß sieht einen generellen Trend zur Nähe, auch etwa bei Biografien: "Nicht die unabhängige Recherche zählt, in deren Rahmen Archive durchwühlt werden, wo sowohl Freunde als auch Feinde des Menschen befragt werden, über den geschrieben wird. Was als authentisch gilt, ist die Nähe."

+++ Noch eine Meldung vom Zeitungsmarkt, und Sie ahnen es schon, eine schlechte. Das Westfalen-Blatt schließt seine Lokalredaktion in Gütersloh, berichtet der WDR. Erscheinen soll die Lokalausgabe aber wie üblich weiterhin als Zombie. Die Inhalte wird ab März die Glocke aus Oelde liefern.

+++ Und wo wir gerade beim Zeitungsmarkt sind: Wir hatten es schon erwähnt, die Zeitungsverlage bekommen ab dem kommenden Jahr 40 Millionen Euro aus Steuermitteln, damit die Zustellung etwas günstiger wird. Zufrieden sind die Zeitungsverleger damit allerdings nicht, wie Uwe Mantel für DWDL schreibt. "Die Fördersumme mag zunächst hoch erscheinen, hätte aber pro ausgeliefertem Zeitungsexemplar weniger als einem Cent entsprochen", sagt Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Zeitungsverlegerverbands.

+++ Die New York Times möchte ihre Leser mehr in den journalistischen Prozess einbinden. Wie das gehen soll, erklärt Marc Lacey.

Offenlegung: Ich arbeite gelegentlich für Übermedien und das SZ-Magazin.

Neues Altpapier gibt es am Dienstag.

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