Teasergrafik Altpapier vom 17. April 2020: Porträt Autor Ralf Heimann
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Das Altpapier am 17. April 2020 Wer rettet die Verlage?

17. April 2020, 11:01 Uhr

Deutsche Zeitungsverleger wollen auf keinen Fall staatliche Zuschüsse für ihre Redaktionen. In anderen europäischen Ländern sieht man das nicht so eng. Doch dort zeigen sich auch die Probleme. Jetzt bringt Google sich als Retter ins Spiel. Und ein ehemaliger Post-Manager macht einen unkonventionellen Lösungsvorschlag: Kooperation. Ein Altpapier von Ralf Heimann.

Die Probleme mit der Förderung

Wenn Zeitungsverlage etwas nicht wollen, dann ist es Geld vom Staat. Das betont Zeitungsverleger-Präsident Mathias Döpfner jedenfalls immer wieder. Vor etwas mehr als einem Jahr hat er gesagt“Lieber Insolvenzen bei Zeitungen als der Verlust ihrer Unabhängigkeit durch Subventionen.“ Insolvenzen könnten nun bald bevorstehen, seit mit der Corona-Krise die Anzeigen-Aufkommen dahinschmelzen wie Wassereis in der Sonne (Altpapier gestern).

Andrej Reisin und Daniel Bouhs ist aufgefallen, dass Döpfner dem Spiegel vor ein paar Tagen einerseits gesagt hat, er finde es nicht akzeptabel, die Trennung zwischen privater Presse und Staat in einer Situation wie der jetzigen aufzuweichen, andererseits aber offenbar auf Soforthilfen hofft. In ihrem Beitrag für das NDR-Medienmagazin “Zapp“ erklären sie, wie der Widerspruch zustande kommt.

Es ist kompliziert, wir haben hier im Altpapier schon einige Male drüber geschrieben (zum Beispiel hier). Die Verleger lehnen eine redaktionelle Förderung ab. Begründung: Dann gehe Unabhängigkeit verloren. So eine Förderung würde auch Medien helfen, die nicht täglich auf Papier erscheinen, was unter Umständen neuen Anbietern helfen könnte. Das ist aber natürlich nicht im Interesse der etablierten Zeitungen. Gegen eine Unterstützung für die teure Zustellung, die nur ihnen zugutekommen würde, haben sie nichts. Für die haben sie sich sogar jahrelang eingesetzt, letztlich auch erfolgreich. Jetzt bekommen sie erst mal 40 Millionen Euro, wie seit November feststeht.

Damit beatmet der Staat einerseits künstlich einen Zustellweg, der technisch gar nicht mehr gebraucht würde. Aus zwei anderen Gründen ist er allerdings schon wichtig: Zum einen, weil viele Verlage ihr Geld weiter mit der Zustellung von Papier verdienen. Zum anderen –  und das könnte die Förderung rechtfertigen – weil viele ältere Menschen lieber gar keine Zeitung lesen würden als eine elektronische. Das zeigen jedenfalls Umfragen wie diese. Ohne Papierzeitung wären sie möglicherweise von regionalen Informationen abgeschnitten. Das möchte man nicht. Das nur kurz, um die Ausgangslage noch mal zu schildern.

Reisin und Bouhs werfen einen Blick in andere Länder, wo es das Tabu der redaktionellen Förderung nicht gibt, zum Beispiel Österreich. Dort sieht man, dass solche Subventionen noch mehr Probleme mit sich bringen können als Abhängigkeiten vom Staat. Es beginnt schon mit den Kriterien für die Vergabe.

Reisin und Bouhs:

“Vor allem Gratis- und Boulevardzeitungen wie die 'Krone‘, 'Heute’ und 'Österreich' bekommen das Geld ab. Titel, die nicht täglich oder wöchentlich erscheinen, werden nach jetzigem Stand hingegen gar nicht berücksichtigt – misslich für qualitativ hochwertige Monatsmagazine.“

Das Problem in Deutschland in der gegenwärtigen Situation:

“Bei den Zeitschriften und Magazinen setzt (…) kein Programm konkret an.“

Doch nicht nur die Begünstigung bestimmter Medien-Gattungen ist problematisch. Bouhs und Reisin zitieren ORF-Mann Armin Wolf:

"Ganz wichtig, dass Medien in dieser Krise gefördert/gerettet werden – aber warum ist das Kriterium für die Förderung die Druckauflage? (…) Wären nicht zum Beispiel Redaktionsgröße/Mitgliedschaft Presserat/Verurteilungen durch Presserat etc. viel sinnvollere Kriterien?“

Eigentlich ein sehr guter Vorschlag – auf Deutschland übertragen, vor allem mit Blick auf den Brotjob des Zeitungsverleger-Präsidenten ist es aber wohl leider auch von allen einer der unwahrscheinlichsten.

Googles Hilfsfonds für Lokalmedien

Was bleibt anderen Medien, die sich nicht an den Staatstropf hängen lassen wollen? Sie können beten, sich eine Peter-Altmaier-Voodoo-Puppe kaufen oder darauf hoffen, dass das Leistungsschutzrecht vielleicht doch irgendwann funktioniert, und Google den Verlagen seine eigene Dienstleistung bezahlt. Doch all diese Varianten dürften in etwa ähnlich gute Erfolgsaussichten haben.

Es scheint allerdings nicht so zu sein, dass Google gar kein Geld rüberschieben möchte. Das Deutschlandfunk-Medienmagazin “@mediasres“ berichtet über einen Hilfsfonds für lokale Medien, den Google als (“Retter in der Not?“) eingerichtet hat. Darüber hinaus spendet der Konzern eine Million Dollar an das International Center for Journalists, um die Corona-Berichterstattung zu fördern. Der Hilfsfonds ist ein weltweites Programm, das vor allem für kleine und mittlere lokale Medien gedacht ist. Google verlangt nach eigenen Angaben keine Gegenleistung. Es sei auch egal, ob Medien in der Vergangenheit schlecht über das Unternehmen berichtet hätten. Aber auf diese Weise funktioniert die Einflussnahme natürlich auch nicht – beziehungsweise schon, aber nicht über Zwang, eher über den freiwilligen Gedanken: So schlecht können die doch nicht sein – wenn man bedenkt, was die alles so für Journalisten machen.

Dafür spricht auch, was Alexander Fanta von Netzpolitik.org in dem Beitrag via Stefan Römermann übermittelt: Google News sei letztlich ein PR- und Lobby-Instrument.

“Google soll halt dastehen als Partner der EU-Kommission und nationalen Regierungen, und damit kämpfen sie natürlich auch um Verbündete, beispielsweise gegen das umstrittene EU-weite Leistungsschutzrecht.“

Der Bund der Deutschen Zeitungsverleger findet es erwartungsgemäß auch nicht so super, dass Google nicht einfach auf die gewünschte Weise zahlt. BDZV-Sprecherin Anja Pasquay.

“Das ist schon ein etwas gutsherrliches Verhalten, über das wir überhaupt nicht diskutieren müssten, wenn Google schlicht und ergreifend die Verwendung unserer Inhalte etwas bezahlen würde. Dann wäre das Thema ja absolut vom Tisch.“

Ähnlich wenig begeistert klingt auch das, was DJV-Chef Frank Überall sagt, der das Leistungsschutzrecht, das nur als Hintergrundinfo, ebenfalls befürwortet:

“Jemand, der Geld in die Hand nimmt, um zu sponsern, der will meistens auch irgendwas, hat irgendeinen Hintergedanken und handelt nicht wirklich uneigennützig, und bei Google habe ich bisher nicht den Gedanken, dass sie irgendwie uneigennützig handeln würden. Muss man aufpassen. Journalismus ist keine Ware, wo man einfach ein Preisschild draufklebt und sagt: Das sponsern wir jetzt mal. Die Gefahr ist dabei immer, dass man dann versucht, auch Einfluss zu nehmen.“

Um die Verwirrung abschließend komplett zu machen. Die Sprecherin des Zeitungsverlegerverbands sagt laut Stefan Römermann, sie halte die Google-Förderung im Moment auch gar nicht für notwendig, weil in der Krise die Nachfrage nach lokalem Journalismus wachse, was sich auch in den Abo-Zahlen widerspiegle. Das wiederum wirft neue Fragen auf: Warum dann die Kurzarbeit in den Redaktionen?

Aber das müssten wir dann noch bei anderer Gelegenheit klären. Bleiben wir erst mal beim oben erwähnten Logistik-Problem.

Deutsche Medienlogistik GmbH

Lutz Glandt macht sich einem Beitrag für Horizont (Anmeldung nötig, aber dann kostenfrei) Gedanken darüber, wie Verlage das Problem mit den Zustellern lösen können. Glandt hat laut Horizont 25 Jahre lang bei Tageszeitungs- und Magazin-Verlagen gearbeitet, bevor er als Bereichsvorstand zehn Jahre lang bei der Post für den Presseservice zuständig war. Sein Vorschlag: Verlage, Agenturen, Werbende und die Post sollten sich zusammentun – zu einem Unternehmen, für das Glandt sich auch schon einen Namen ausgedacht hat: Deutsche Medienlogistik GmbH.

“Das Kernproblem in meinen Augen sind die Kosten und Strukturen der 'letzten Meile': Zeitungen benötigen die Frühzustellung zwischen 4 und 7 Uhr morgens an rund 300 Tagen im Jahr, diese wird von etwa 100.000 Zustellern, ganz überwiegend Minijobber, geleistet“,

schreibt Glandt. Sein Vorschlag soll garantieren, dass Presseprodukte weiter zu annehmbaren Kosten flächendeckend zugestellt werden können.

Die Idee:

- Verlage, Post und Handel verfassen ein Grundsatzpapier, in dem steht, was alles zu tun ist. Dann bauen sie eine gemeinsame Gesellschaft auf.

- Diese Gesellschaft kümmert sich um “sämtliche Transportleistungen, die mit dem Abonnement von Zeitungen und Zeitschriften ab Druckerei bis zum Haushalt zusammenhängen“.

- Noch etwas detaillierter: “Das Leistungsspektrum umfasst die Verteilung von Zeitschriften grundsätzlich an zwei Tagen pro Woche, Tageszeitungen in der Frühzustellung, Anzeigenblätter inkl. Einkauf Aktuell einmal pro Woche. Grundsätzlich sollen hauptberufliche Zusteller (Vollzeit oder Teilzeit) die Haushalte bedienen.

So ergebe sich für alle Seiten “eine Möglichkeit, diesen Beruf attraktiver zu gestalten und den überall registrierten Personalmangel zu beheben und die notwendige Qualität sicherzustellen“.

Nach Glandts Vorschlag müsste das alles sehr schnell gehen. Eine zunächst vom Bund finanzierte Machbarkeitsstudie müsste im Prinzip schon in ein paar Wochen fertig sein, damit ein “Mediengipfel Logistik“ dann alles beschließen und in die Wege leiten könnte.

Man muss es nur wollen und die vorhandenen Kräfte klug bündeln“, schreibt Glandt, die Alternative (“alles so zu belassen, wie es ist“) sei nicht verlockend. Ich will gar nicht pessimistisch sein. Aber so aus der Ferne würde mir schon das Ziel recht ambitioniert erscheinen, sich bis Ende des Jahres zusammengesetzt zu haben, um über die Möglichkeit einer Machbarkeitsstudie zu reden. Aber wie Glandt an anderer Stelle schreibt: “(…) normal ist nach Corona nichts mehr.“

Könnte ja sein, dass man an der ein oder anderen Stelle hier und da noch mal überrascht wird. 


Altpapierkorb (Facebook, Afrika-Berichterstattung, Pressefoto des Jahres, Kulturplattform, Rettung einer Zeitung)

+++ Facebook will Nutzer vor Falschinformationen über Covid-19 schützen, schreibt Simon Hurtz auf der SZ-Medienseite. Nur  darüber, welcher Weg sinnvoll ist, besteht Uneinigkeit. Das Unternehmen befürchtet, durch Korrekturen die Wirkung von Falschmeldungen zu verstärken. Eine NGO dagegen sagt: “Die Studienlage ist mittlerweile eindeutig: Richtigstellungen können ein Umdenken bewirken.

+++ Wenn Medien über Afrika berichten, geht dabei noch immer vieles schief. Julian Hilgers erklärt das für Übermedien am Beispiel eines Tagesschau-Beitrags, in dem lediglich ein Afrika-Experte zu Wort kommt: Bill Gates: “Der Beitrag (…) verdeutlicht, wo noch immer Probleme in der Berichterstattung vom afrikanischen Kontinent liegen: Die Einordnung kommt oft von westlichen Expert*innen, Berichte behandeln Afrika wie ein Land, stellen oft nur die negativen Aspekte dar – und beeinflussen damit unsere Wahrnehmung des Kontinents.“

+++ In der Inhaltsübersicht sieht es auf den ersten Blick aus wie ein Fehler, aber die Überschrift des Artikels von Clara Lipkowski auf der SZ-Medienseite lautet tatsächlich: “Artikel gelöscht“. Die ehemals unabhängige russische Zeitung “Wedomosti“ wird verkauft. Der neue Chefredakteur habe schon vor seiner Bestätigung eine kritische Überschrift entschärft und einen Meinungsbeitrag gelöscht. Ein Redakteur postete den Text bei Facebook. Für die Zeitung sieht es nicht gut aus.

+++ "Ich ging mit ein paar Kollegen zu einem Treffen von Oppositionellen. Es war stockfinster. Plötzlich fingen die Leute an zu klatschen und 'Thawra', das arabische Wort für 'Revolution', zu rufen", sagt Yasuyoshi Chiba, der bei dieser Gelegenheit im Sudan das Pressefoto des Jahres geschossen hat. Florian Sturm beschreibt für die SZ wie die Aufnahme entstanden ist. Auf der Seite sind die prämierten Bilder zu sehen.

+++ ProSiebenSat1 startet in der nächsten Woche eine Audio-Plattform. Der Sender verspricht in aller Bescheidenheit “Hörerlebnisse auf dem nächsten Level“, wie Alexander Krei für DWDL berichtet. Eines dieser Hörerlebnisse wird der Thriller “Makel“ mit Heike Makatsch und Peter Lohmeyer sein.

+++ Die ARD denkt über eine “anstaltsübergreifende digitale Kulturplattform“, schreibt Kai-Hinrich Renner in seiner Kolumne für die Berliner Zeitung.

+++ Mit der Corona-Epidemie ist – wir hatten das glaub ich schon ein paar Mal erwähnt – das Anzeigengeschäft zusammengebrochen, und es sah so aus, als wäre die Zeitung Barrier Daily Truth im australischen Broken Hill nach 112 Jahren am Ende. Gay Alcorn beschreibt für den Guardian, wie die überraschende Rettung gelang. “Williamson estimates he’s spending six hours a day making phone calls, working with Schmidt to persuade, hassle, convince companies to advertise in a little paper in Broken Hill. One thing that became obvious was that national businesses such as Coles and Woolworths don’t advertise locally, even though they have customers in regional towns. He’s on to them. Then there’s McDonald’s – ‚I’ve got McDonald’s, they’ll start advertising this week.‘

Neues Altpapier gibt es wieder am Montag. Schönes Wochenende!

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