Das Altpapier am 8. Januar 2024: Porträt des Altpapier-Autoren Christian Bartels 3 min
"Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren im aktuellen Altpapier die wichtigsten Medienthemen des Tages. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G
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Kolumne: Das Altpapier am 8. Januar 2024 von Christian Bartels Eine Zahl mit 30 Nullen

Kolumne: Das Altpapier am 8. Januar 2024 – Eine Zahl mit 30 Nullen

Wenn die alte GEZ nicht zu totzukriegen ist, sollte sie wiederbelebt werden? Wer den Rundfunkbeitrag auch benötigt: Funkhaus-Denkmäler. Das erste (gedruckte) Medium des jungen Jahres muss aufgeben.

Mo 08.01.2024 13:04Uhr 03:16 min

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Kolumne: Das Altpapier am 8. Januar 2024 Eine Zahl mit 30 Nullen

08. Januar 2024, 10:00 Uhr

Wenn die alte GEZ nicht zu totzukriegen ist, sollte sie wiederbelebt werden? Wer den Rundfunkbeitrag auch benötigt: Funkhaus-Denkmäler. Das erste (gedruckte) Medium des jungen Jahres muss aufgeben. Exponentiell weiter geht die "Datenexplosion". Heute kommentiert Christian Bartels die Medienberichterstattung.

Porträt des Altpapier-Autoren Christian Bartels
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Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

Frische Idee zur alten GEZ

Durchs noch neue Jahr werden sich eher noch mehr als durchs vorige langwierige Diskussionen ziehen, ob im nächsten Jahr dann der Rundfunkbeitrag erhöht werden soll – um wenige Cent bzw. um eine Milliarde, je nach Berechnungs-Parameter (Altpapier). In diese jetzt schon festgefahrene Diskussion bringt Peer Schader eine frische Brise. So launig, als sei es noch zwischen den Jahren und das ernste neue Jahr gar nicht angebrochen, kolumniert er bei dwdl.de: "Holt die GEZ zurück!"

Tatsächlich ist die ehemalige Gebühreneinzugszentrale eine starke Marke und mehr als zehn Jahre nach ihrem kompletten Verschwinden vom ... na ja: Markt so bekannt wie eh und je. Ja, inzwischen führen sie gar Kanzlerkandidatur-fähige Politikern wie Markus Söder schriftlich im Munde. Einen Link zu Söders Tweet "Wir sagen Nein zu höheren #GEZ-Gebühren" enthält der dwdl.de-Text. (Und die Plattform X immer noch Twitter zu nennen, ist ja ein vergleichbarer Reflex, sich Umbenennungs-Marketing zu widersetzen). Dass der Beitragsservice, der die GEZ ersetzte, sich in Gedächtnis oder gar Herzen seiner ... na ja: Kunden eingeprägt hat, würde wohl niemand behaupten. Insofern "war die Umbenennung im Nachhinein betrachtet nicht nur ein Irrtum, sondern ein riesengroßer Fehler", schließt Schader. Wenn die GEZ sowieso nicht totzukriegen ist, könnte sie doch auch wiederbelebt werden. Also präsentiert er folgende "Markenpositionierung":

"Wir alle sind die Neue GEZ: 'Tatort'-Freund:innen, 'heute show'-Unterstützer:innen, 'Aspekte'-Aficionados und 'Wer weiß denn sowas'-Förderbeauftragte."

Okay, wenn der Beitragsservice Glück hat (bzw. das Beratungsagenturen-Konsortium zum Rebranding nicht allein nach politischen Idealen bestimmt wird), würde hoffentlich ins Gewicht fallen spielen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung sich vom Gendern bevormundet fühlt (und auch das ja als Argument gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wendet). Doch die Idee einer "Neuen GEZ-App", mit der Programmbeschwerde übermittelt und, wenn das zuständige Kontrollgremium deren Begründetheit feststellt, mit Rückerstattung von "bis zu drei Monatsbeiträgen pro Jahr" belohnt werden können, lädt zu noch faszinierenderen Gedankenspielen ein. Der Beitragsservice kennt Adressen und Kontodaten seiner Kunden ja eher noch besser als Google die der seinen! Könnte die Neue GEZ-App am Ende zur gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Plattform mit Kommentarfunktion avancieren?

Neues öffentlich-rechtliches Immobilien-Problem

Ob der Rundfunkbeitrag 2025 erhöht wird oder nicht, zumindest die Bedarfe, ihn auszugeben, steigen weiter. Eine öffentlich noch unbekannte Summe in neunstelliger Höhe machte Volker Nünning ausfindig. Wenn Sie "epd medien" aus den vorigen Jahren kennen, klicken Sie mal hierhin. Auf der neu gestalteten Webseite des finden nun auch, voll multimedial, Fotos Platz.

So ist das Kölner Deutschlandfunk-Funkhaus zu sehen. Für dessen bis in 2030er Jahre hinein projektierte Sanierung stiegen die Kosten von zunächst bezifferten 188,6 Millionen Euro auf "knapp 289 Millionen Euro", entnahm Nünning dem Entwurf des nächsten Berichts der Finanzbedarfs-Ermittlungs-Kommission. Die KEF sieht die Kostensteigerungen kritisch. Immerhin habe der Deutschlandradio-Verwaltungsrat die Kostensteigerung auch schon "kritisch hinterfragt", betont dessen Vorsitzender. Da handelt es sich um WDR-Intendant Tom Buhrow, der ja nicht nur die bestbezahlte öffentlich-rechtliche Spitzenkraft ist, sondern sich mit horrend teuren Bauwerken zu Köln, die während immer längerer Sanierungsphasen immer noch teurer werden, auch bestens auskennt. Das Deutschlandradio indes betont die "architekturgeschichtliche" und auch zeitgeschichtliche Relevanz des Baus. Denn es, das Deutschlandradio, begeht 2024 als "Jubiläumsjahr" ("Feiern Sie mit!"), weil 1994 der damalige Deutschlandfunk mit dem Westberliner RIAS und auch Ostberliner Sendern zusammengelegt wurde:

"Das 1979 in Betrieb genommene Kölner Funkhaus wird im Jubiläumsjahr aufgrund seiner Bedeutung für Medien- und Stadtbaugeschichte unter Denkmalschutz gestellt."

Vielleicht könnte Köln dann in 2030er oder 2040er Jahren, wenn die Sanierungsarbeiten abgeschlossen sind, eine medienarchitekturhistorische Sehenswürdigkeiten-Tour per Segway oder so einrichten und damit Touristen aus aller Welt anlocken, die zur Refinanzierung der Kosten beitragen. Zumal, wenn der ehemalige GEZ-Sitz im Kölner Norden als "Dark Star der deutschen Medienlandschaft" einbezogen würde! König Ludwigs Neuschwanstein-Schloss etwa begann unmittelbar nach (relativer) Fertigstellung damit, seine Baukosten, die unmittelbare Zeitgenossen auch als viel zu hoch empfanden, immer wieder neu wieder einzuspielen, und hat damit noch längst nicht aufgehört.

Wobei die Deutschlandradio-Kernkompetenz einstweilen weiterhin im Audio-Bereich liegt. Der Audiothek, die unter dem noch bekannteren Namen der ARD läuft, doch vom Deutschlandradio mit betrieben wird, widmete die "FAZ" gerade eine Kritik, die Licht ("Allein in den Bereichen Wissen und Fiktion ist die Angebotspalette beeindruckend. ... so etwas wie eine – im Korpus bewegliche – Bibliothek ohne Buchstaben ...") mit Schatten mischt: "Die Suche hat häufig kleine Aussetzer, die Treffsicherheit der Assoziationen und die Benutzerfreundlichkeit lassen im Vergleich zu Spotify oder Netflix zu wünschen übrig". Und

"gerade beim Krimi-Hörspiel", das auf der Startseite dominiert, wohl weil die ARD Krimis für eine ihrer Kernkompetenzen hält, geben es "zahlreiche furchtbar schlecht gealterte Produktionen", schreibt Uwe Ebbinghaus.

Der erste Medien-Abschied 2024

Hier kommt, nach nach all den Medien-Einstellungen 2023, die erste des noch jungen Jahres:

"Danke für Ihr Interesse und Ihre Wertschätzung! Liebe Leser:innen, der buchreport-Verlag Harenberg hat mit Jahresbeginn 2024 seinen Betrieb eingestellt. ... ... Wir haben die abwechslungsreiche Arbeit für die vielen engagierten Buchmenschen und die unterschiedlichen Unternehmen der Branche immer sehr geschätzt ...",

heißt es auf buchreport.de. Weiter unten im selben Text blickt der Branchendienst auf seine Geschichte zurück, die 1970 begann. Und erwähnt, vielleicht etwas säuerlich, den "Kölner Verleger Timo Busch", der den "Buchreport" vor gut zwei Jahren übernahm. Busch kam einmal im Altpapier vor, 2019. Damals scherzte Juliane Wiedemeier, dass Busch öfters Medien übernahm und bald abwickelte. Dass das weiterhin zutrifft, schreibt zum aktuellen Fall die "Süddeutsche" (€): "Busch selbst lässt sich gerne mit dem Schlagwort von der 'Buy-and-Build'-Strategie zitieren. Ehemalige Mitarbeitende sprechen heute resigniert von einer 'Buy-and-Burn'-Strategie". Wobei sich die "SZ" zugleich freut, dass das bekannteste "Buchreport"-Produkt erhalten bleibt: die "Spiegel"-Bestsellerliste.

"Die Genossenschaft 'eBuch' solle übernehmen, man habe 'eine langfristige Partnerschaft' vereinbart, meldet der 'Spiegel' am Mittwoch. 'eBuch' gehören 850 inhabergeführte Buchhandlungen an, mit Media Control und dem Kulturressort des 'Spiegel' soll die Genossenschaft ab Januar die Bestsellerlisten erstellen und an den Buchhandel in digitaler Form und als Plakat weitergeben."

Auch wenn es über das Zustandekommen dieser Bestseller-Liste ja ebenfalls unterschiedliche Ansichten gibt und das Aushängen der Liste (wie das Anbringen der Aufkleber auf den Büchern) ja selber selber ein Geschäftsmodell darstellt (oder darstellte), freuen sich Buchhändler, die ihre Ladenmiete refinanzieren müssen, über leicht verständliche Signale dafür, welche Bücher von Menschen, die oft Bücher kaufen, schon oft gekauft wurden und vermutlich weiter gekauft werden. 2024 dürfte für papier-basierte Medien ein mindestens so herausforderndes Jahr wie das vorige werden.

Neue Einheit für zettabyteweise Daten

Jetzt aber noch die oben versprochene Zahl mit 30 Nullen. Quettabyte heißt sie. Dieser Name wurde neu kreiiert, da die bisher größte Zahl namens Zettabyte bald nicht mehr ausreichen wird, wenn es so ("Haben Menschen auf der Welt 2010 noch knapp 2 Zettabyte an Daten generiert, waren es 2022 schon knapp 104 Zettabyte") weitergeht. Das schreibt und versinnbildlicht schön die Rubrik "Schneller schlau" im "FAZ"-Wirtschaftsressort. Heute befasst sich sich mit der anhaltenden "Datenexplosion":

"Wer einen Quettabyte auf einem Smartphone wie dem iPhone 15 speichern wollen würde, benötigte so viele Geräte, dass sie aneinandergereiht gut 150 Millionen Kilometer lang wären, hat das IT-Unternehmen Cohesity ausgerechnet. Das entspricht ungefähr dem Abstand von der Erde zur Sonne."

Wie viele gedruckte Telefonbücher oder Zeitungen im "FAZ"-Format es bräuchte, um diese Distanz darzustellen ... das könnte eine KI locker ausrechnen, zumindest, wenn man in die Anfrage nicht "Quettabyte", sondern "1.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000" schriebe. So was sollte man sich aber sparen, denn gerade Künstliche Intelligenz dürfte künftige "Datenexplosionen" weiter befeuern: "Eine Anfrage an ChatGPT soll Schätzungen zufolge knapp 10-mal mehr Energie verbrauchen als eine einfache Google-Suche", und um "die Klimafolgen" dieses exponentiell ansteigenden Energieverbrauchs geht es auch. Dass es Energie spart, eine lange Textkolumne ohne viel visuellen Schnickschnack zu lesen, anstatt ein Video auf Googles Youtube oder Netflix zu schauen (die mit mehr als einem Viertel des gesamten Datenverkehrs derzeit die größten Verursacher sind), lässt sich wohl daraus ableiten. 


Altpapierkorb

+++ "Es handelt sich um eine Medienkampagne auf der Metaebene: Alle wissen, dass es eine Medienkampagne ist, keiner versucht das zu verstecken. Wenn überhaupt jemand in diesem Schmierentheater ahnungslos agiert, dann die Medien selber": Da beleuchtet Adrian Daub, seines Zeichens Professor von der Stanford University in Kalifornien, für uebermedien.de "die Kampagne hinter dem Sturz der Harvard-Präsidentin", um die es kürzlich im Altpapier ging. Etwas anders sieht Rüdiger Suchsland bei "Telepolis" die Sache, aber "auch ein Zeichen für Europa" darin. +++

+++ "Wir haben bisher noch nie den Medienpluralismus auf der Rechtsgrundlage des Binnenmarktes nach Artikel 114 des Europäischen Vertrages in einem Gesetz geregelt. Insofern ist das innovative Legislativarbeit, die man natürlich aus der Perspektive der nationalen Mitgliedstaaten auch anders bewerten kann, gerade wenn es um eine föderale Sicht wie in der Bundesrepublik geht": Da spricht Renate Nikolay, ihres Zeichens stellvertretende Generaldirektorin für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien bei der EU-Kommission, über das neue, insbesondere in Deutschland umstrittene Medienfreiheitsgesetz EMFA. Der KNA-Mediendienst (€) hat sie interviewt. +++

+++ Programmbeschwerden, von denen oben die Rede war, können bei unterschiedlichen Stellen eingereicht werden. Allerdings sind meistens andere Stellen zuständig, und die weisen sie am Ende des langen Dienstwegs meist sang- und klanglos ab. Neulich aber nahm der ZDF-Fernsehrat eine an (Altpapier). Nun bekommt er wieder eine, über "eine suggestive Doku zum Emissionshandel" ("FAZ"). +++

+++ Und dann hat die "SZ"-Medienseite noch bei Dominik Graf angerufen, um ihn zu fragen, was er davon hält, dass Schauspieler Heinz Hoenig nun ins RTL-Dschungelcamp geht, und u.a. daraus einen über 7.500 Zeichen starken Artikel (€) gestaltet. Der renommierte Regisseur "warnt davor, das Dschungelcamp auf die unterste Stufe der Leiter stellen. Ohne ein Geheimnis daraus zu machen, dass er nicht weiß, "was die da eigentlich im Dschungel treiben" und ob das womöglich gesundheitsschädlich für jemanden in Hoenigs Alter sein könne".+++

Das nächste Altpapier erscheint am Dienstag.

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