Collage zur Medienkollumne Das Altpapier vom 16. März 2018
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Das Altpapier am 16. März 2018 Erlöskonzept Erlebnishafen

Brandenburger Synergien. Wer in Möbelshops investiert, darf sich über den Verlust von Meinungshoheit nicht wundern. Journalisten gehören vor die Tür und nicht vor den PC. Ein Wladimir Putin braucht keine eigene Facebookseite, um Wahlkämpfe zu gewinnen. Die Wochenzeitung Die Zeit lässt sich eventuell bald entspannt in der Badewanne lesen. Ein Altpapier von Juliane Wiedemeier.

Sie sollen hinterher nicht sagen, Sie hätten von nichts gewusst.

"Auch wenn beide Häuser ihre redaktionelle Eigenständigkeit bewahren sollen, könnte hier eine starke Stimme für Brandenburg entstehen. Allein schon durch die räumliche Nähe erwachsen zahlreiche Möglichkeiten, die Märkte – analog wie digital – noch intensiver zu bearbeiten."

So erfreute sich Thomas Brackvogel, Geschäftsführer der Neuen Pressegesellschaft (NPG) aus Ulm, bereits am Dienstag in der Märkischen Oderzeitung am Erwerb der Lausitzer Rundschau durch sein Haus. Diese gehört bisher zur Saarbrücker Zeitungsgruppe. Beide Unternehmen haben ein kleines Portfolio an Lokalzeitungen im Angebot. Wenn die Gremien aus Saarbrücken und das Bundeskartellamt zustimmen, werden die zwei aus dem Osten Deutschlands nun bei der NPG gebündelt – die Einen nennen das Nutzen von Synergieeffekten, die Anderen schleichende Aushöhlung der Medienvielfalt (nein, kleiner haben wir es heute nicht).

Dass diese Info es heute ins Altpapier schafft, liegt an einem Hinweis vom Flurfunk aus Dresden. Dass sie ganz vorne steht daran, dass wir vor lauter Facefake-Debatte manchmal den Blick auf die vermeintlich kleinen Dinge verlieren, die ihren Beitrag zum demokratischen Austausch leisten – oder eben nicht.

Dabei ist es natürlich nicht reine Böswilligkeit deutscher Verlage, dass sie im Lokalen zusammenlegen, zusammenlegen und zusammenlegen. Die Auflagen sinken, die Kohle schmilzt auch hier.

Die zu DuMont gehörende Hamburger Morgenpost möchte daher ihr Geld in Zukunft mit einem Erlebnishafen in der Speicherstadt verdienen, wie Kai-Hinrich Renner in seiner Medien-Macher-Kolumne für einen weiteren großen Regionalzeitungs-Player, die Funke Mediengruppe (hier: Berliner Morgenpost), schreibt:

"Dabei handelt es sich um ein Virtual-Reality-Projekt, bei dem die Besucher mithilfe einer Datenbrille virtuell in einem gläsernen Fahrstuhl auf den Grund der Elbe fahren können. Ein Segeltörn in das mittelalterliche Hamburg ist ebenso möglich wie die Fahrt mit einem modernen Containerschiff. Das Projekt soll bis 2025 jährlich 2,9 Millionen Euro erlösen."

Wenn es gut läuft, kann man mit solchen Einnahmen durch Auflagenschwund entstehende Löcher stopfen. Echte Investitionen im Lokalen, die nicht nur anlässlich von Zukäufen und Verschmelzungen als solche verkauft werden, gibt es seit Jahren nicht mehr. Was jetzt nicht unbedingt die Qualität des Lokaljournalismus steigert, weshalb ich jedes Verständnis habe für alle, die statt Trierischem Volksfreund und Soester Anzeiger lieber Facebookstream lesen.

Sie sehen, wo dieser kleine Absatz samt Argumentation hinführen soll. Aber hätten Sie auch folgenden Schlenker erwartet?

"Er (der Dortmunder Journalistik-Professor Frank Lobigs, Anm. AP) sieht die Tendenz, 'dass sich immer mehr Redaktionen institutionell-evolutionär dem Geschäftsmodell von Digitalagenturen angleichen könnten', was die 'publizistische und politische Relevanz sowie die Glaubwürdigkeit der Onlineangebote' dieser Redaktionen 'deutlich schwächen' dürfte (S. 279 der Studie). Gewiss spielt der 'Schöner Wohnen'-Onlineshop Gruner+Jahr Gewinne ein, aber die Meinungsbildungsrelevanz des gleichnamigen Mediums schwächt er noch."

Die KEK entdeckt: Es gibt ein Internet jenseits von Verlagswebsites

Jep, so sind wir über die Lausitz und einen Erlebnishafen mitten in der Studie "Meinungsmacht im Internet und die Digitalstrategien von Medienunternehmen" gelandet, die die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (Freunde dürfen KEK sagen) in dieser Woche vorgestellt hat.

Altpapier-Kollege Christian Bartels hat sich Veranstaltung und Werk für seine Kolumne bei evangelisch.de angesehen und folgende Erkenntnis mitgebracht, wer die durch die Meinungsmachtselbstaushöhlung der Verlage entstehenden Lücken besetzt und daher in Zukunft auch die Aufmerksamkeit der KEK verdient:

"Eine 'Machtverlagerung weg von den publizistischen Akteuren' beobachtet (der Münchener Kommunikationswissenschafts-Professor Christoph, Anm. AP) Neuberger vor allem zu den 'Intermediären' hin (…). Die gewönnen mit – algorithmischen – Techniken, 'die vom rationalen Diskurs abweichen', immer mehr Meinungsmacht und verkaufen diese an ihre Kunden, zum Beispiel im US-amerikanischen Wahlkampf."

Manche Erkenntnisse kommen spät, aber besser so, als nie. Wie man dieser mit dem Medien- und Konzentrationsrecht gerecht werden könnte, ist jedoch völlig unklar und dank Bund-Länder-Kompetenzgerangel auch nicht ganz unkompliziert.

Reden, aber bitte nicht in Talkshows: Neue bzw. weitere Ideen für ARD und ZDF

Hat hier jemand kompliziert gesagt? Dann können wir doch gleich noch in das beliebte Thema Unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk soll schöner, preiswerter und gerne auch wieder akzeptierter werden einsteigen. Überraschenderweise finden sich immer noch Leute, die dazu bislang noch nichts vorgetragen haben (oder bereits Vorgetragenes gerne wiederholen).

Tipp 1 kommt heute von der grünen Medienpolitikerin Tabea Rößner, die in einem Beitrag zur taz-Serie zu genau diesem Thema mit "Gäbe es den Öffentlich-Rechtlichen nicht, müsste man ihn gerade heute erfinden" gleich mal ihre Position klar macht und dann Folgendes raushaut:

"Dass Online-Angebote nach sieben Tagen gelöscht werden müssen, ist unzeitgemäß. Genauso das Verbot von presseähnlichen Inhalten, die sich nicht auf Sendungen beziehen. Online-Berichterstattung ist immer ein Mix aus Text, Stand-, bewegtem Bild und Audio."

Das zu hören freut die Verlage sicher fast so sehr wie das Scheitern von Jamaika und damit das Verschieben von Rößner samt ihrer Vorschläge auf die Oppositionsbank. Wir lesen trotzdem kurz weiter und nehmen noch zur Kenntnis, dass sie als Alternative zu besagten Intermediären als Verbreitungs- und Diskussionsort eine öffentlich-rechtliche Plattform wie den Public Open Space der BBC favorisiert, die ihre Online-Angebote auch für die Inhalte anderer Einrichtungen wie Museen oder Universitäten öffnet.

"Entscheidend ist: Eine umfassende Reform zur Gewährleistung der freiheitlichen Meinungsbildung muss aus publizistischen – nicht aus finanziellen – Überlegungen angegangen werden. Danach bemisst sich die Finanzierung. Der Beitrag folgt dem Auftrag und nicht umgekehrt",

meint Rösner. Woran sich Tipp 2 und die Frage anschließt, wie dieser Auftrag vielleicht etwas besser auszufüllen wäre.

Fritz Pleitgen hat seinen Vornamen WDR-Intendant zwar schon vor Jahren abgegeben, aber immer noch Interesse an seinem alten Laden. Nun wird er 80 Jahre alt, was der WDR heute Abend mit der Doku "Fritz Pleitgen zum 80. – Stationen eines Rastlosen" und einer angeschlossenen Langen Nacht würdigt, weshalb wiederum Hans Hoff für die Medienseite der Süddeutschen Zeitung mit Pleitgen sprach.

"Pleitgen stellt die Frage, ob sie (Talkshows, Anm. AP) immer das ideale Mittel seien, um Probleme zu erklären. 'Man kann ein komplexes Thema dort nicht so in den Griff bekommen, dass der Betrachter mit schlüssigen Informationen da rauskommt', sagt er und plädiert eher für zehn Dokumentationen als 40 Talkshows.

Dass ARD und ZDF heutzutage unter kritischem Dauerbeschuss stehen, schmerzt ihn sehr. 'Als kundiger Betrachter würde ich mir wünschen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit einem rigiden öffentlich-rechtlichen Programm darauf reagiert', sagt er. Dazu gehöre auch, dass die Reporter wieder mehr rausgehen: 'Es wird zu viel PC-Journalismus betrieben.'"

Mehr reden, aber eben nicht in Talkshows, sondern draußen – und damit willkommen bei Tipp 3, vorgetragen von Rudolf Matter, Direktor des Schweizer Radios und Fernsehen (SRF) im Interview mit Diemut Roether in der aktuellen Ausgabe epd medien (derzeit nicht online, you know the drill).

"Es liegt mir fern, Empfehlungen an deutsche oder österreichische Kollegen zu geben, in jedem Land ist die Situation anders. Wichtig ist, den Dialog mit dem Publikum zu führen, das können auch wir noch intensiver tun als wir es bisher getan haben. Wir haben das 2015 angefangen, nach einer ersten Abstimmung über das Gebührensystem. Wir müssen erklären, was wir tun, was uns unterscheidet, wie wichtig Unabhängigkeit von politischen und wirtschaftlichen Interessen ist und dass eine Gebührenfinanzierung diese Unabhängigkeit sichert; dass das in einem Zeitalter, in dem Fake News immer stärker verbreitet werden, ein wichtiges Angebot ist, weil es Orientierungspunkte schafft und Zuverlässigkeit bietet."

An Ideen, was zu tun wäre, mangelt es eben nicht.

Wahlwerbung in Russland: Wer braucht schon einen Facebook-Account?

Wäre es nicht so traurig, würde ich diesen letzten Stopp vor dem Altpapierkorb als Fun Fact ankündigen. Denn was Thielko Grieß bei @mediasres vom russischen Wahlkampf berichtet, ist schon absurd.

Fernsehdebatten? Facebook-Seiten? Twitter? Ein Wladimir Putin hat das nicht nötig, um ziemlich sicher zu sein, am kommenden Sonntag wiedergewählt zu werden.

"Die Werbung für den Präsidenten kommt in ganz anderer Gestalt. Mehrere Filme sind in den vergangenen Wochen erschienen, die als Dokumentationen angepriesen werden. Sie stehen im Netz. Journalismus sind sie nicht."

Ein bekannter Moderator des Staatsfernsehens hat die Zusammenschnitte "langer Gespräche mit dem Präsidenten und solchen, die seine Politik ausschließlich positiv beschreiben" produziert und Putins Wahlkampfhelfer diese auf Youtube gestellt.

Wer des Russischen mächtig ist, kann sich an Werken wie "Weltordung 2018" in ihrer ganzen Schönheit erfreuen. Mir ist das nicht vergönnt, weshalb nach fünf Minuten nur hängen bleibt, dass Putin offenbar große Autos und Fahrten durch nächtliche Großstädte so sehr schätzt wie Frank Underwood, und das ist zwar optisch ansprechend, aber auch nur das.

Altpapierkorb (Hajo Seppelts Auftraggeber, Die Tabloid-Zeit, Netflix goes News)

+++ Hajo Seppelt bleibt. Beim WDR. Aber geht auch zum RBB. Die Details hat Ulrike Simon in ihrer Spiegel-Daily-Kolumne.

+++ Der AfD ist die Realität nicht aufregend genug, und daher twittert sie sich ein uns alle gefährdendes Problem von Messerattacken durch Ausländern herbei, wie Thomas Vorreyer bei Vice beschreibt.

+++ Ein plötzlicher Kurssturz von ProSiebenSat.1 hat die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen, berichtet das Handelsblatt: "Das Analysehaus Viceroy Research, das in Südafrika bereits ins Visier der Finanzaufsicht geriet, hat in einem 37-seitigen Papier Pro Sieben Sat 1 eine fragwürdige Bilanzierung vorgeworfen. Zugleich wettete Viceroy mit Leerverkäufen auf einen Kursverfall der Aktie des Münchner Medienkonzerns. Sie stürzte am 6. März, am Tag der Veröffentlichung, um bis zu acht Prozent ab und hat sich davon bisher nicht erholt."

+++ An den ehemaligen Madsack- und BDZV-Chef Wilhelm Sandmann, der am Dienstag verstorben ist, erinnern DWDL und Meedia.

+++ "Es war natürlich so, dass die Messe oft genutzt wurde von Regimekritikern, weil da eine ganz andere Öffentlichkeit da war, mehr Westjournalisten, mehr Politiker, und da wurden dann auch Probleme, die viele hatten mit dem Regime versucht ranzutragen an die Journalisten." An die Leipziger Buchmesse in Zeiten der DDR erinnert sich bei @mediasres Andreas Wolf, dessen Hörfunkstudio der Karl-Marx-Universität zur Messe vom Lehrort für angehende Journalisten (Ost) zum Produktionsort für Korrespondenten (West) wurde.

+++ Steigende Papierpreise machen es möglich: Ausgerechnet die gutbürgerliche Wochenzeitung Die Zeit testet ausgerechnet das schmuddelige, aber dafür praktisch kleine Tabloid-Format. Alexander Becker findet das bei Meedia allerdings ganz gut.

+++ "Late Night Berlin" und der taz-Report 2021, beides alte Altpapier-Bekannte von Montag, sind Themen im Medien-Woche-Podcast von Christian Meier und Stefan Winterbauer.

+++ Neues aus der Streaming-Welt gefällig? Netflix goes News, zumindest in den USA (DWDL), während Amazon-Prime-Kunden nun auch Computerspiele angeboten bekommen (Tagesspiegel). Wieviel Jeff Bezos investieren muss, um für sein Angebot Neukunden zu generieren, wurde zudem an Reuters geleaked (nochmal DWDL).

+++ Weil "Jane" gerade nicht nur im Kino, sondern am Samstag auch beim über Sky zu empfangenden Aboka­nal Na­tio­nal Geo­gra­phic läuft, hat Jörg Seewald die Verhaltensbiologin Jane Goodall für die Medienseite der FAZ (online bei Blendle) interviewt.

+++ Wie viel Geld die öffentliche Hand österreichischen Medien im vergangenen Jahr über ihre Werbeetats zukommen ließ, müssen diese veröffentlichen und taten das nun. Der Standard hat die Details.

+++ Dietrich Leder hat in den vergangenen Tagen im WDR die Essayfilme "Offene Wunde deutscher Film" und "Verfluchte Liebe deutscher Film" von Dominik Graf und Johannes F. Sievert wiedergesehen und schreibt darüber in seinem Journal bei der Medienkorrespondenz.

+++ Zum Abschluss muss ich Ihnen leider mitteilen, dass ich nach der vergangenen Woche beschlossen habe, Thomas Fischer a.D. seinem Schicksal zu überlassen, und daher müssen Sie nun selbst googeln, wenn Sie erfahren wollen, was er glaubt, was die Frauen wünschen (oder eben nicht).

Neues Altpapier gibt es wieder am Montag.