Das Altpapier am 08.03.2019 Frauen (und Kinder) zuerst
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Im Medienjournalismus fehlen Frauen - und zwar nicht nur an Tagen, an denen Journalistinnen streiken. Ein Altpapier-Spezial zum Internationalen Frauentag von Juliane Wiedemeier.
Streiken wäre natürlich auch eine Möglichkeit, heute, an dieser Stelle, für mich, als Frau.
“Die schlechte Bezahlung und hohe Belastung in der Medienbranche trifft Frauen in besonderem Maße. (…) Im Medienbereich gibt es wie in allen anderen Bereichen strukturellen Sexismus: Er offenbart sich in sexistischen Sprüchen, (…) in männerbündischen Netzwerken (…), der Abwertung unserer Themen, der Geringschätzung unserer Arbeit, niedrigeren Honoraren und Gehältern oder auch darin, wer befördert wird. Auch Belästigung und Gewalt im Arbeitskontext gehören für viele von uns zur 'Berufserfahrung’.“
So heißt es in einem Aufruf zum Streik unter der Überschrift “Ein anderer Journalismus ist möglich“ unter frauenstreik.org mit konkreten Fairness-Forderungen sowie einer langen Liste an Unterzeichnerinnen.
Doch als Berlinerin habe ich beschlossen, stattdessen den heute bei uns erstmalig abgehaltenen Feiertag zu bestreiken und auf ein Ungleichgewicht aufmerksam zu machen, das unsere Metablase interessieren sollte: Dem Medienjournalismus fehlen weibliche Sichtweisen.
Die Auswahl ist keine Vollerfassung, sondern entspricht den Artikeln, die ich an jedem anderen Tag auch ausgewählt hätte.
Die Altpapier
+++ Mirjam Kid, “@mediasres“: Was ist feministischer Journalismus, und warum macht er Sinn?
+++ Nora Frerichmann, epd medien (derzeit nicht online): Frauen schminken sich, Männer spielen Video-Spiele und reden über Politik: So antiquiert sind die Geschlechterbilder im Youtube-Kosmos.
+++ Kerstin Decker, Tagesspiegel: “Dass aus den Ostfrauen noch dreißig Jahre nach der Wende keine Westfrauen geworden sind, ist ein zu erstaunliches Phänomen, um es nicht näher zu betrachten.“ Die dreiteilige MDR-RBB Doku “Ostfrauen“ (erster Teil heute um 20.15 Uhr bei MDR und RBB) macht genau das.
Der Altpapierkorb
+++ Frederik Schindler, taz: Lou Zucker erklärt im Interview, warum sie als Redakteurin des Neuen Deutschlands heute mit ihren Kolleginnen ihre Zeitung bestreikt.
+++ Alexander Davydov, FAZ-Medienseite: “Er sitze in einer von Schimmel befallenen, fensterlosen Einzelzelle und habe seit Wochen kein Tageslicht gesehen. Der Hofgang werde ihm verweigert. Drei von insgesamt vier Telefonaten mit der deutschen Botschaft habe Six durch Hungerstreik erzwungen, sagt sein Vater. Seinen Anwalt konnte der Journalist erst Ende Februar sprechen.“ Der deutsche Journalist, in Deutschland aber auch mit rechtem Aktivismus aufgefallene Billy Six (s. Altpapier) sitzt in Venezuela weiterhin in Haft, und sein Vater wünscht sich mehr politisches Engagement für seine Freilassung.
+++ Michael Brakemeier, Göttinger Tageblatt: Im thüringischen Fretterode hat die Polizei Journalisten an der Ausübung ihres Jobs gehindert. Berichten wollten diese über den Vortrag einen ehemaligen SS-Mannes.
+++ Martin Krauß, Prinzessinnenreporter: Es sind nicht immer die Reporter, die Geschichten und Protagonisten erfinden. Manches assoziieren und ergänzen auch betreuende Redakteure.
+++ Thomas Schwarz, Stuttgarter Zeitung: “Auch für die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten war die Berichterstattung damals eine Gratwanderung. Wir haben sehr darauf geachtet, seriös und mit dem gebotenen Feingefühl zu recherchieren. Doch einem Dilemma bei der Berichterstattung über Amokläufe ist schwer zu entkommen: Ein wesentlicher Antrieb der narzisstischen Täter ist nach der Meinung von Experten die zu erwartende Berichterstattung über sie – selbst wenn sie diese nicht mehr erleben.“ Journalistische Lehren aus dem Amoklauf in Winnenden vor zehn Jahren.
+++ Christian Wernicke, SZ-Medienseite: In nächster, aber wohl nicht letzter Instanz ist der Streit zwischen zwei aufdringlichen Fotografen und dem sich ihrer tatkräftig erwehrenden Herbert Grönemeyer zugunsten des Sängers entschieden worden.
+++ Christian Bartels, evangelisch.de: Großer Rundumschlag zur das Geschäft nicht mehr belebenden Konkurrenz zwischen Zeitungen, online wie Print.
+++ Ralf-Dieter Brunowsky, Meedia: Nicht nur das Internet, sondern auch die Zeitungen mit ihren Inhalten und Anzeigen-Strategien tragen eine Mitschuld an der (seine Worte) “Pressedämmerung“.
+++ Jörg Schieb, WDR-Blog Digitalistan: Wenn Mark Zuckerberg bei Facebook mehr Privatsphäre verspricht, heißt das noch lange nicht, dass er sich plötzlich für den Schutz der Nutzerdaten interessiert.
+++ Christian Meier, Springers Welt: Warum treibt nicht nur der Klimawandel, sondern auch das neue EU-Urheberrecht Jugendliche auf die Straße? Ein Erklärstück für besorgte Eltern mit Schwerpunkt auf Artikel 13 (der mit den Uploadfiltern), nicht Artikel 11 (der mit dem von der Presselobby geforderten Leistungsschutzrecht) und dem pastoralen Ende: “Eine originäre wie originelle Meinung muss sich gar nicht zwingend auf die Werke anderer Urheber verlassen, sondern macht Gebrauch von eigenen Gedanken, Worten, Bildern und Kompositionen.“
+++ Thomas Knüwer, indiskretionehrensache.de: Die Verlage sorgen sich seit 1850 um ihr Urheberrecht und lobbyierten schon gegen die moderne Technik Telegramm. Die historische Fleißarbeit, die Daten zusammenzufassen, hat Ásta Helgadóttir, einst für die Piraten im isländischen Parlament, erledigt und als (gut einbettbaren) Threat bei Twitter verbreitet.
+++ Rainer Stadler, NZZ: Glauben Menschen Medien? Nach Durchsicht einer Vielzahl von Studien (u.a. der gestern hier angesprochenen Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen kommt Stadler zu dem Schluss: “Die Daten zeigen, dass die alte Ordnung mit starken Massenmedien immer noch besteht. Sie prägen die gesellschaftliche Kommunikation. Dennoch: Die Zahl der Unzufriedenen und Misstrauischen ist erheblich.“
+++ Hubert Wetzel, SZ-Medienseite: Die demokratische Partei möchte ihre Präsientschaftskandidatenkandidaten gerne, wie in den USA üblich, in Fernsehdebatten gegeneinander antreten lassen. Aber nicht bei Fox News, und auch nicht, wenn ihnen mit Shep Smith ein moderater Moderator angeboten wird. Und ja, The Donald hat selbstredend bei Twitter bereits reagiert.
+++ Marvin Schade, Meedia: Axel Springer wächst weiter wie Bolle, allerdings vorrangig im Digitalen.
+++ Uwe Mantel, DWDL: Das vergangene Jahr war aus geschäftlicher Sicht für ProSiebenSat1 ein schlechtes.
Neues Altpapier gibt es wieder am Montag. Bis dahin ein schönes Wochenende!
Offenlegung: Als Medienjournalistin werde ich gerne als Autorin angefragt, wenn es um Irgendwas mit Frauen und Medien geht. Heute schreibe ich aber, weil Freitag nun mal mein Altpapier-Tag ist.