#blickzurück: Kalenderblatt der Geschichte Das geschah am 23. November

23. November 2022, 05:00 Uhr

1918: Acht-Stunden-Tag wird eingeführt

Am 23. November 1918 wird unter Reichpräsident Friedrich Ebert der Acht-Stunden-Tag eingeführt – eine große Errungenschaft, für die die Arbeiterbewegung ein halbes Jahrhundert lang kämpfen musste. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es kaum staatliche Regulierungen zur Arbeitszeit, 12- oder 15-Stunden-Tage waren normal, auch für Kinder. Mit dem Rückhalt der erstarkenden Gewerkschaften gingen am 1. Mai 1890 im ganzen Kaiserreich erstmals rund 100.000 Menschen auf die Straße, um für verkürzte Arbeitszeiten zu demonstrieren. Ein weiterer großer Streik mit dem gleichen Ziel fand 1903 im sächsischen Crimmitschau statt. Beide Proteste blieben zunächst ohne Wirkung.

Erst nach dem Fall der Monarchie wird die maximale Arbeitszeit von acht Stunden im Gesetzbuch der Weimarer Republik verankert. Unter den Nationalsozialisten wird die Regelung wieder abgeschafft, der 1. Mai wird zudem zum "Tag der nationalen Arbeit" erklärt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs führt der Alliierte Kontrollrat den Acht-Stunden-Tag wieder ein, allerdings von Montag bis Samstag. Ähnlich verhält es sich in der DDR, bis hier 1967 die durchgängige Fünf-Tage-Woche in Kraft tritt. Nach der Wiedervereinigung wird die maximale Arbeitszeit von acht Stunden erst 1994 in der Bundesrepublik gesetzlich festgeschrieben.

1942: 6. Armee wird in Stalingrad eingekesselt

Am 23. November 1942 wird die 6. Armee der deutschen Wehrmacht von sowjetischen Truppen in Stalingrad (heute: Wolgograd) umzingelt und eingekreist. Rund 300.000 deutsche Soldaten sowie Verbündete aus Italien, Rumänien und Ungarn sind daraufhin in der Stadt eingeschlossen. Vor der Bevölkerung in Deutschland hält man diesen Rückschlag geheim. Erst im Januar 1943 wird die Einkesselung der 6. Armee, mit der Hitler einst glaubte, "den Himmel stürmen" zu können, offiziell verkündet. Es ist ein psychologischer Wendepunkt des Krieges, der den Glauben an die Unbesiegbarkeit der Wehrmacht zerstört.

Nach der Einkesselung erhält Friedrich Paulus, Oberbefehlshaber der 6. Armee, von Hitler den Befehl zum Ausharren – man wolle die Eingeschlossenen mit Munition und Essen aus der Luft versorgen. Doch der Nachschub bleibt rar, Hundertausende Soldaten erfrieren, verhungern oder sterben in den Straßenschlachten. Ihr Tod wird später von der nationalsozialistischen Propaganda zum Heldendienst am Vaterland stilisiert.

Als Paulus am 31. Januar 1943 schließlich kapituliert, sind noch etwas mehr als 100.000 Soldaten der Wehrmacht am Leben. Die meisten gehen in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Nur etwa 6.000 der Gefangenen kehren Mitte der 1950-er Jahre nach Deutschland zurück.

1955: Hinrichtung der Chefsekretärin von DDR-Ministerpräsidenten Grothewohl

Am 23. November 1955 wird Elli Barczatis, ehemalige Chefsekretärin des Ministerpräsidenten Otto Grothewohl, in Dresden geköpft. Fast drei Monate zuvor, im September, findet der Gerichtsprozess in Ost-Berlin vor dem höchsten Gericht der DDR statt. Nicht nur Elli Barczatis, sondern auch ihr Freund Karl Laurenz ist angeklagt. Er ist ein Informant für den westlichen Geheimdienst, gibt sich gegenüber Barczatis aber als Journalist aus.

Zu meiner Verteidigung, hohes Gericht, kann ich nichts sagen. Das, was ich begangen habe, die schwere Schuld, die ich auf mich geladen habe, die kann ich nicht verteidigen.

Elli Barczatis, Schlusswort im Gerichtsprozess 1955 BstU

Barczatis arbeitet von 1950 bis 1953 im Büro von Otto Grotewohl und gehört zu seinem engsten Stab. Daher hat sie Zugang zu sämtlichen wichtigen Informationen, die sie an Laurenz weiter gibt. Wie sie später aussagt, tut sie das in dem Glauben, er arbeite für die Presse.

Das Ministerium für Staatssicherheit hat jedoch schon kurz nach Barczatis Einstellung in Grothewohls Büro den Verdacht der Spionagetätigkeit und überwacht das Paar seit 1951. Doch erst im September 1955 kommt es zur Verhaftung und zur Anklage. In einem eintägigen Prozess werden Barczatis und Laurenz zum Tod durch die Guillotine verurteilt.

1961: Ulbricht kündigt Verminung der Grenze an

Am 23. November 1961 kündigt Walter Ulbricht vor dem SED-Zentralkomitee die Verminung der innerdeutschen Grenze an:

Jawohl, an der Westgrenze der DDR werden Minen gelegt, ordentliche Minenfelder geschaffen. Wer das Bedürfnis hat, sich den Hals zu brechen, kann solche Versuche anstellen. Das ist seine Sache.

Walter Ulbricht "Tod an der Grenze - ein tragisches Kapitel deutscher Teilung", Horst Liebig,

In der Sitzung weist ein Oberleutnant darauf hin, dass die Sprengkraft einer Mine 40 bis 50 Meter betrage und somit die Sicherheit der Grenzposten gefährdet sei. Ulbricht verweist darauf, dass der Bereich Sperrgebiet sei und "wir raten keinem, in das Gebiet zu gehen."

Drei Monate zuvor, am 13. August 1961, hatte die DDR Ostberlin und den gesamten Grenzverlauf Westberlins hermetisch abgeriegelt und mit der Errichtung einer Mauer begonnen.

1977: Erster europäischer Wettersatellit startet ins All

Am 23. November 1977 wird der Wettersatellit "Meteosat 1" vom US-Raumfahrtflugzentrum Cape Caneveral aus ins All geschickt, um das Wettergeschehen über Europa zu überwachen. Die Bilder, die er aus dem Orbit an die Erde sendet, sind eine Revolution für die Meteorologie – bisher wurden die Daten für Wetterprognosen von Messstationen am Boden erstellt, diese waren allerdings oft lückenhaft. Durch die Satellitenbilder können gefährliche Wetterlagen nun viel genauer vorhergesagt werden.

Das erste Bild sendet "Meteosat 1" am 9. Dezember 1977. Zwei Jahre lang funktioniert die Übertragung reibungslos, dann gibt es technische Probleme. Erst 1981 wird der nächste Wettersatellit ins All geschickt. Inzwischen ist der elfte "Meteosat" im Orbit.

1989: Erste Wandlitz-Reportage ausgestrahlt

Am 23. November 1989 steht der Reporter Jan Carpentier mit einem Kamerateam vor der streng abgeschotteten und geheimnisumwitterten Waldsiedlung der SED-Politbüromitglieder in Wandlitz und möchte filmen. Er wolle, so sagt er, vor der Kamera, zeigen, wie hier gelebt wird, damit sich die Zuschauer selbst ein Bild machen können.

Seit 1960 lebten Mitglieder des SED-Politbüros streng abgeschottet von der Bevölkerung in der Waldsiedlung Wandlitz. In der sich verschärfenden Krisensituation ab dem Sommer 1989 offenbart sich diese Realitätsferne: Die Mehrzahl der Genossen des Politbüros sind nicht gewillt, den gravierenden Problemen in der DDR auf den Grund zu gehen.

Journalisten in der Waldsiedlung Wandlitz 3 min
Journalisten in der Waldsiedlung Wandlitz Bildrechte: Elf 99 spezial vom 15.12.1990