Graffiti gegen den NATO Doppelbeschluss an einer Mauer, 1985.
Graffiti gegen den NATO Doppelbeschluss, 1985. Bildrechte: IMAGO / Frank Sorge

Kommt es zum nuklearen Krieg? NATO-Doppelbeschluss: "Make Love, Not War"

03. April 2024, 09:30 Uhr

Das Wettrüsten zwischen Ost und West war in den 1970er-Jahren in vollem Gange. Mit dem NATO-Doppelbeschluss vom 12. Dezember 1979 wurde die Gefahr eines nuklearen Krieges in Europa real. Darauf folgten Proteste der Friedensbewegung in Ost und West.

Nach dem Ende der "Tauwetter-Periode" unter Chruschtschow war die Sowjetunion unter Breschnjew zu einer Politik der Stärke zurückgekehrt. In den 1970er-Jahren versuchte sie, ihre militärische Position auszubauen und modernisierte die Rote Armee. Es begann eine neue Phase der Aufrüstung.

Vor allem die Stationierung von russischen Mittelstreckenraketen in Osteuropa, auch in der DDR, stieß auf großem Unmut bei der NATO. Die russischen SS-20 waren treffgenauer als die bisherigen Fernwaffen, hatten eine größere Reichweite und konnten vor allem mit Atomsprengköpfen bestückt werden.

NATO-Doppelbeschluss

Plakat gegen den NATO Doppelbeschluss vor einem zerstörtem Haus an der Fehrbelliner Straße - Ecke Schoenhauser Allee, 1985.
Plakat gegen den NATO Doppelbeschluss, Berlin, Ecke Schoenhauser Allee, 1985. Bildrechte: IMAGO / Frank Sorge

Als westliche Reaktion auf die Aufrüstung folgte am 12. Dezember 1979 der NATO-Doppelbeschluss: Er beinhaltete die Drohung, auch auf westlicher Seite atomare Mittelstreckenraketen zu stationieren. Zwar war im Beschluss auch das Angebot enthalten, über Rüstungsbegrenzung zu verhandeln, allerdings wurde er von der sowjetischen Führung als "Ultimatum" wahrgenommen – und als endgültige Absage an die Entspannungspolitik interpretiert. Als dann sowjetische Truppen 1979 in Afghanistan einmarschierten, um dort die kommunistische Partei zu unterstützen, begann sich das Verhältnis zwischen Ost und West erheblich zu verschlechtern. Mit der Wahl von Ronald Reagan 1980 zum neuen US-Präsident, stiegen auch die Rüstungsausgaben massiv an.

Friedensschützer gegen das Wettrüsten

Gert Bastian und Petra Kelly, 1981
Gert Bastian und Petra Kelly, 1981 Bildrechte: IMAGO / Klaus Rose

Friedensschützer in Ost und West waren in Aufruhr. Unter ihnen auch Petra Kelly und Gert Bastian. Sie war Feministin, Mitbegründerin der Grünen und Symbolfigur der Friedensbewegung. Er war Russlandkämpfer im Zweiten Weltkrieg, Bundeswehrgeneral und dann Gegner der Mittelstreckenraketen. Im Herbst 1980 begegneten sie sich zum ersten Mal. Sie wurden ein Paar und traten fortan gemeinsam gegen die Aufrüstung an – "Make Love, Not War".

1983 zogen Kelly und Bastian mit den Grünen zum ersten Mal in den Bundestag ein. Die etablierten Parteien betrachteten den Neuzugang argwöhnisch.

Tod Petra Kelly Gert Bastian 1 min
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Di 19.10.2021 11:11Uhr 00:44 min

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Frieden schaffen ohne Waffen

Auch im Osten wurde die Friedensbewegung mit den Grünen an der Spitze aufmerksam beobachtet. Die SED sah hier mögliche Verbündete gegen den Nato-Doppelbeschluss. Ende Oktober 1983, nur wenige Monate nach einer Aktion auf dem Alexanderplatz gegen NATO-Mittelstreckenraketen, empfing SED-Chefs Honecker zum ersten Mal eine Delegation hochrangiger Grünen-Politiker, unter ihnen auch Petra Kelly. Sie forderte von Honecker die Freilassung der "Verhafteten der DDR-Friedensbewegung" und sprach ihn forsch auf DDR-Oppositionelle an: "Ich würde Sie bitten zu erklären, Herr Honecker, warum Sie hier verbieten, was Sie bei uns bejubeln?"

Friedensbewegung in der DDR

Auch in der DDR formierten sich in Friedensdekaden und kirchlichen Seminaren seit etwa 1980 staatskritische und unabhängige Friedensinitiativen. Deren Symbol wurde ein Stoff-Aufnäher, der als "Textiloberflächenveredlung" galt und keine staatliche Druckgenehmigung erforderte. Er zeigte das Bild einer von der Sowjetunion 1959 an die Vereinten Nationen gestifteten Skulptur: Ein Mann schmiedet aus einem Schwert einen Pflug.

Ende des atomaren Wettrüstens

Die Fronten zwischen dem Westen und der Sowjetunion verhärteten sich zunehmend – spätestens mit der Zustimmung des Bundestag zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Westdeutschland am 22. November 1983. Die Sowjetunion brach daraufhin die laufenden Abrüstungsverhandlungen ab. Doch nicht zuletzt die hohen Kosten für Rüstung und Militär brachten den neuen sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow zum Umdenken.

Ende der 1980er-Jahre konnten die Aktivisten der Friedensbewegungen endlich aufatmen. Mit dem Abrüstungsvertrag von 1987 (INF-Vertrag) zwischen Reagan und Gorbatschow wich auch die Angst vor der atomaren Katastrophe. Der INF-Vertrag sah die Abschaffung aller nuklear bestückbaren Mittelstreckenraketen vor und war schließlich ein Meilenstein auf dem Weg zur Beendigung des Kalten Krieges.

(me)

Dieser Artikel erschien erstmals im Dezember 2018.

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