Filmtheater Wolfen, ein älteres besprühtes Gebäude
Das Filmtheater Wolfen versprüht den Charme des Verfalls – nun wird es aber mit neuem Leben beseelt, beim Kulturfestival "Wiedersehen in Wolfen". Bildrechte: MDR/Sandra Meyer

30. Juni bis 2. Juli 2023 Von Verfall zu neuem Leben: Kulturfestival "Wiedersehen in Wolfen" im Kino Wolfen

30. Juni 2023, 04:00 Uhr

Nachdem das Osten-Festival im vergangenen Jahr erfolgreich lief, folgt mit "Wiedersehen in Wolfen" nun ein Nachfolger, der zugleich Vorgeschmack auf das Osten-Festival 2024 ist. Vom 30. Juni bis 2. Juli 2023 gibt es Musik, Filme und Workshops. Zentraler Ort ist das alte Kino, das nun wiederbelebt wird, – auch dank des Einsatzes vieler Begeisterter vor Ort. Überhaupt lebt das Treffen durch viel Engagement und schafft so durch Kultur ein neues Bewusstsein für die Heimat.

Im vergangenen Jahr gab es das große Osten-Festival im Kulturpalast Bitterfeld. Nun heißt es "Wiedersehen in Wolfen", unter diesem Motto soll an drei Tagen um den ersten Juli das neue Domizil für das nächste Osten-Festival 2024 vorbereitet werden. Es ist das denkmalgeschützte, aber seit 2009 leerstehende Kino in Wolfen. Beim Wiedersehen-Festival ist ein vielseitiges Kultur-Programm geplant, mit Musik, Film, Workshops, Buchvorstellungen und einer Nachtwanderung.

Bei der Vorstellung seines Buches "Wolfen" beleuchtet der Fotograf und Filmemacher Tobias Zielony die spannende Geschichte der Filmfabrik in Wolfen. Eine Soundperformance unter dem Titel "To Those Who Never Hear Us Again, Who Listen All the Time" führt als Klangreise durch die größte Filmfabrik der Sowjetunion. Es gibt eine Werkstatt für Licht- & Schattenspiele und es findet eine Diskussion über den Strukturwandel im Osten statt.

Kino Wolfen: zwischen Verfall und neuem Leben

Der große Kinosaal sei in vielen Teilen noch im originalgetreuen Zustand, sagt Projektleiterin Anne Diestelkamp. Trotz zwischenzeitlichem Vandalismus habe der 1950 erbaute Raum noch immer seinen Charme.

Was toll für uns ist, dass der Kinosaal auch eine Bühne hat, was sich natürlich anbietet für verschiedene Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte etc., die hier stattfinden werden.

Anne Diestelkamp, Festivalkuratorin

Tatsächlich sieht das Kino von außen eher verwahrlost aus, mit Graffiti und teils eingeschmissenen Fenstern. Auch im Innern hängen Tapeten von den Decken, bröckelt der Putz – aber auch das hat Charakter, wenn nicht gar Symbolkraft – schließlich war das Lichtspielhaus einst das modernste seiner Zeit. Das Kino Wolfen stünde für die ganzen Umbruchserfahrungen, die sich hier abgespielt haben, sagt Diestelkamp, deswegen sei es auch als Veranstaltungsort ein symbolischer Ort.

Filmtheater Wolfen, Innenraum mit Tresen und Säulen
Das Innere des Kinos wird für das Festival fleißig hergerichtet und wird den hier zusehenden Stillstand vergessen lassen. Bildrechte: MDR/Sandra Meyer

Viel Engagement in Wolfen

Dieses Kino wollen die Bitterfeld-Wolfener gerne wieder für sich entdecken. Was ein Verein bereits in den vergangenen Jahren versucht hat, gehen die Künstler nun mit geballter Kraft an. Denn es sei noch richtig viel zu tun, sagt Kurator Martin Naundorf: "Wir müssen jetzt Strom wiederherstellen, Wasseranschluss verlegen lassen. Das Kino muss irgendwie sauber sein, dass man nicht in Scherben tritt."

Es gibt aber auch viel Bürgerhilfe. So bürstet Jutta Zacharias Lange, ehrenamtliche Helferin aus Wolfen, die originalen Kinosessel im kleinen Saal, wo am Wochenende wieder Filme gezeigt werden. Das im vergangenen Jahr stattgefundene Osten-Festival habe dazu beigetragen, erst mal wieder die Geschichte in das Bewusstsein zu rücken, sagt sie, "dass wir uns wieder damit beschäftigen und auch sagen können: Ja, wir sind stolz auf unsere Geschichte."

Die Idee der Macher scheint also schon zu fruchten – denn sie sie wollen die Menschen motivieren, bei Projekten mitzumachen, tanzend oder schreibend Gedanken auszutauschen und Visionen zu entwickeln.

Innere Verbindung zur Stadt stärken

Schon im Vorfeld haben im Frauenzentrum Wolfen Kunstinteressierte beim Workshop "Mapping Wolfen" ihre Sichtweise auf die Stadt aufbereitet und dabei eine Pappe mit Fotos und Malereien gestaltet.

Daran teilgenommen hat auch Christel Bär, die ihre Motivation so beschreibt: "Für mich war das Frauenzentrum immer der Anlaufpunkt, um aufgefangen zu werden. Ich wurde arbeitslos, und dann wurde ich aufgefangen hier im Zentrum." Es sind teils sehr persönliche Geschichten, über den Wandel der Stadt und die Region, die man bei diesem Kunstprojekt erfährt.

Christel Bär, eine Frau vor grünen Pflanzen
Christel Bär arbeitet an dem Kunstprojekt im Frauenzentrum Wolfen mit. Bildrechte: MDR/Daniel Salpius

Sandy Bieneck, die Leiterin des Frauenzentrums, sieht in "Mapping Wolfen" auch einen künstlerischen Anstoß zum Gedankenaustausch, zwischen Menschen, die sich sonst vielleicht nie kennengelernt hätten, auch zwischen unterschiedlichen Nationalitäten. Diese Verbindung schaffe wirklich Kunst und Kultur, betont sie. Die Ergebnisse dieser Workshop-Reihe werden am Wochenende im ehemaligen Lichtspielhaus Wolfen ausgestellt.

Kinder mit Rädern, dahinter Eltern in einem Plattenbaugebiet in Wolfen zu DDR-Zeiten.
Ein Bild belegt den Umruch: Während zu DDR-Zeiten junge Familien gerne in den Plattenbauten Wolfens lebten, stellt sich die Situation heute ganz anders dar. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Das Festival "Wiedersehen in Wolfen"

30. Juni bis 2. Juli 2023

Kino Wolfen
Freiherr-vom-Stein-Straße 1
06766 Bitterfeld-Wolfen

Redaktionelle Bearbeitung: op

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Juni 2023 | 16:30 Uhr