"Auftakt des Terrors" Ausstellung: Wie Schloss Colditz zum KZ wurde
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13. Juni 2023, 09:27 Uhr
Buchenwald und Auschwitz – das sind die bekannten Namen, die synonym stehen für das Grauen in den großen Konzentrationslagern der Nazis. Hunderttausende Menschen wurden dorthin deportiert, gequält und bald systematisch ermordet. Kaum bekannt ist bis heute jedoch, wie die Nationalsozialisten bereits ab 1933 ein weiträumiges Netz an so genannten Schutzhaftlagern aufbauten. Deutschlandweit gab es über 90 solcher frühen KZ, allein in Sachsen mehr als 20 – auch im Schloss Colditz. Darüber klärt dort bis 6. August die Wanderausstellung "Auftakt des Terrors" auf, die anschließend in Pirna, Hainewalde und Plauen zu sehen ist.
Die Geschichte von Schloss Colditz hat viele Facetten. Es war Jagdschloss und Witwensitz der Wettiner, später Arbeitshaus für Bettler und Landstreicher. Dann wurde darin eine sogenannte Landesanstalt für unheilbar Geisteskranke eingerichtet und im Zweiten Weltkrieg nutzte die Wehrmacht das Renaissance-Schloss als Kriegsgefangenenlager für Offiziere.
1933/34: Auch Bruno Apitz im Schutzhaftlager auf Schloss Colditz
Was jedoch kaum bekannt ist: Von März 1933 bis August 1934 hatten die Nationalsozialisten dort ein sogenanntes Schutzhaftlager untergebracht. Etwa 2.300 Inhaftierte wurden registriert: Antifaschisten, Kommunisten, Sozialdemokraten, unter ihnen beispielsweise Bruno Apitz, der Autor von "Nackt unter Wölfen". Die Häftlinge wurden geprügelt und gefoltert, Gewalt war an der Tagesordnung – im Grunde eine Art Blaupause für die späteren Konzentrations- und Vernichtungslager.
Schloss Colditz ist nur eines von mehr als 20 frühen, provisorischen Haftanstalten in Sachsen. Die Burg Hohnstein, Sachsenburg, Schloss Osterstein in Zwickau sowie Schloss Hainewalde bei Zittau erlangten eine ähnlich traurige Berühmtheit.
sLAG-Wanderausstellung zeigt Anfänge des KZ-Systems
Eine Wanderausstellung widmet sich derzeit, auch im Schloss Colditz, den frühen Konzentrationslagern der Nationalsozialisten, die fast zeitgleich mit der sogenannten "Machtergreifung" im Januar 1933 installiert wurden. Willkommener Anlass für die Massenverhaftungen war der Reichstagsbrand am 27. Februar 1933, die gesetzliche Grundlage dafür die tags darauf erlassene Reichstagsbrandschutzverordnung.
Jane Wegewitz, Referentin bei der sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (sLAG), sieht darin einen entscheidenden Hebel, "um alle mundtot zu machen, die gegen dieses NS-System opponiert haben, auf die Straße gegangen sind und sich organisieren hätten können, wenn sie nicht dann in diesem Lagern gelandet wären."
Das Wegsperren der politischen Gegner ab März 1933 war ein Mittel, um die NS-Herrschaft zu etablieren.
Die sLAG organisiert die Wanderausstellung in Sachsen. Thematisch passt die Schau zu ihrem Jahresthema "1933 – Wege in die Diktatur", mit dem an die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten vor 90 Jahren erinnert werden soll.
11 Themenstationen: Bilder und Zeitzeugen-Berichte
An elf Themenstationen wird dieser Auftakt des Terrors geschildert – Aufsteller mit Bildern, Zeitzeugen-Berichten und erklärenden Texten. Es geht um die provisorischen Haftorte, darum, wer das Kommando dort hatte bzw. wer die Häftlinge bewachte, und wie sie zum Teil brutal misshandelt wurden in diesem faktisch rechtsfreien Raum. Aber auch die Rolle der Nachbarn, der Anwohnerinnen und Anwohner wird thematisiert.
Bei einem KZ, das der örtliche Bäcker beliefert und für das die Wäscherei aus dem Nachbarort die Wäsche wäscht, kann keiner behaupten, er habe nichts davon gewusst.
Die Museologin Regina Thiede von Schloss Colditz hat anhand von Quellen versucht zu rekonstruieren, was in der KZ-Zeit passiert ist. Dabei ist sie auch auf eine von Handwerkern hinterlassene Baunachricht gestoßen: eine Schieferplatte, in die ein Dachdecker folgende Nachricht geritzt hat: "Am 4. Juli 1933 waren sehr viele Kummunisten im Schloß eingesperrt im Fürstenhaus & Kirchenhaus Heil Hitler". Diese Schiefertafel hat Regina Thiede für die Schau in Colditz beigesteuert.
Erinnerung an die NS-Diktatur wachhalten
Derzeit tourt die Ausstellung, die von der Arbeitsgemeinschaft "Gedenkstätten an Orten früher Konzentrationslager" entwickelt wurde, durch ganz Deutschland. In Sachsen geht es von Colditz aus weiter nach Pirna, Hainewalde und Plauen – nicht immer Orte, in denen ein KZ existiert hat, sondern, wie das Beispiel Plauen zeigt, die sich schnell zu einer Hochburg der Nationalsozialisten entwickelten.
Es gibt viele Gründe, dort mal auf die NS-Geschichte zu schauen, und zwar nicht zum Zwecke von Schuldzuweisungen, sondern um Verantwortung zu übernehmen für unsere Gesellschaft heute.
Damit bietet die Ausstellung auch eine Unterstützung derjenigen vor Ort, die – in Zeiten und Regionen, wo die Zustimmung für die AfD ungebrochen ist, wo rechtsextreme Netzwerke offen agieren – sich heute für eine demokratische Gesellschaft engagieren.
Angaben zur Ausstellung:
Schloss Colditz
Schloßgasse 1
04680 Colditz
Auftakt des Terrors – Frühe Konzentrationslager im Nationalsozialismus"
Wanderausstellung der Arbeitsgemeinschaft "Gedenkstätten an Orten früher Konzentrationslager"
Bis 6. August 2023
Die Ausstellung befindet sich im Fürstenhaus.
Öffnungszeiten:
Täglich 10 – 17 Uhr
Eintritt: frei
Weitere Stationen der Wanderausstellung in Sachsen und Sachsen-Anhalt
Gedenkstätte KZ Sachsenburg
2. Mai bis 26. November 2023
Schloss Colditz
10. Juni bis 6. August 2023
Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin
12. Juni bis 26. Oktober 2023
K²-Kulturkiste, Pirna
11. August bis 13. September 2023
Schloss Hainewalde
15. September bis 15. Oktober 2023
coloridoTREF, Plauen
28. Oktober bis 30. November 2023
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 13. Juni 2023 | 12:10 Uhr