Ein rotes Plakat mit der Aufschrift: Die Welt im Alarmzustand.
"Overkill – Militär.Technik.Kultur im Kalten Krieg" heißt die neue Sonderausstellung im Militärhistorischen Museum in Dresden. Bildrechte: MHM/Andrea Ulke

Militärhistorisches Museum "Overkill": Dresdner Ausstellung zum Kalten Krieg von der Geschichte eingeholt

16. Juni 2023, 12:12 Uhr

Smartphones, GPS oder Internet sind heute aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Die Technologien wurden im Kalten Krieg für militärische Zwecke rasant weiterentwickelt. Durch das atomare Wettrüsten der Supermächte drohte die Vernichtung der gesamten Menschheit. Der "Overkill" blieb zwar aus, doch spätestens mit Beginn des Ukraine-Kriegs ist Aufrüstung auch in Europa wieder gegenwärtig. Das Militärhistorische Museum in Dresden widmet sich in einer Sonderausstellung dem Erbe des Kalten Krieges - dabei offenbaren sich erschreckend aktuelle Bezüge.

Vor einem neuerlichen atomaren Wettrüsten warnte das Friedensforschungsinstitut SIPRI in seinem jüngsten Bericht. Die Forscher zeigten sich besorgt über die weltweit, mit Beginn des Ukraine-Kriegs 2022, wachsende Zahl einsatzfähiger Nuklearwaffen. Dabei glaubte man doch, dass dieser Rüstungswettlauf mit dem Ende des Kalten Krieges überwunden worden sei. Welche Bedrohung von dieser militärischen Aufrüstung damals ausging, führt eindrücklich, wenn nicht gar erschreckend, die Sonderausstellung im Militärhistorischen Museum in Dresden vor Augen.

Atomares Wettrüsten zwischen Ost und West

"Schon in den Fünfzigern wären allein auf das Territorium Ostdeutschlands über 1.000 Atombomben vonseiten der Amerikaner zum Einsatz gekommen, von sowjetischer Seite wären es nicht ganz so viele gewesen", erläutert Kurator Jens Wehner die damalige Situation.

In der Ausstellung begegnet man ihnen immer wieder – verschiedensten Raketen, Sprenggranaten, aber auch Kampfflugzeugen und Panzermodellen. In Ost und West war man getrieben von einem technikgläubigen Höher-Schneller-Stärker, wollte man das Kopf-an-Kopf-Rennen speziell in der Atomtechnologie, aber auch in der Luft- und Raumfahrttechnik jeweils für sich entscheiden. Insofern ist die erste von drei Ausstellungsabteilungen auch mit "Das Rennen" überschrieben.

Billd einer Artillerieaufklärungsdrohne CL-89.
Die Artillerieaufklärungsdrohne CL-89, wurde ab 1969 in Kanada, Großbritannien und der BRD eingeführt. Bildrechte: Bundeswehr/Pilz

"Wir haben nicht nur die Frage gestellt, was die Ausstellung für die militärischen Konflikte heute bedeutet, sondern auch, nach der Bedeutung für unsere heutigen gesellschaftlichen und kulturellen und Bedingungen gefragt", so Kurator Jens Wehner.

Ausstellung in Dresden zeigt Entwicklung des Kalten Krieges

Anfangs reagierte die Gesellschaft durchaus positiv auf die militärischen Technologien. Ausgerechnet der neueste Modetrend, der Bikini, wurde nach dem Südsee-Atoll benannt, wo die USA damals ihre Kernwaffen testeten. Aber nicht alle waren fasziniert. Die Angst in der Bevölkerung wuchs und es kam weltweit zu Protesten, aus denen sich unter anderem ab 1958 die Ostermärsche formierten. Ein besonderes Exponat ist in diesem Zusammenhang ein Originalbrief von Bertolt Brecht, in dem er das bekannte Gleichnis über das antike Karthago formuliert, das nach seinem dritten Krieg gegen Rom nicht mehr auffindbar gewesen sei.

Plakat - Verhalten des Soldaten bei Atomdetonation // BR Deutschland, Mai 1960
Atomare Bedrohung: EIn Plakat zeigt das richtige Verhalten bei einer Atomdetonation. Bildrechte: MHM/Andrea Ulke

"Anfang der Sechziger geriet das Ganze an einen Höhepunkt. Wenn Sie ein klassisches Drama nehmen, dann baut sich eine Entwicklung auf –das Rennen, man rennt auf ein Ziel zu und es geht darum, wer die stärkste Atombombe, wer das höchste Flugzeug hat. Dann zeigt sich in den Sechzigern: Eigentlich ist es problematisch, weil wir uns mit den Waffen selber vernichten."

Kritik an Krieg, Atomkraft und Umweltzerstörung

Womit wir beim Overkill wären. Der blieb im Kalten Krieg aus. Doch es wurde weiter aufgerüstet, und zunehmend in die Weiterentwicklung der Informationstechnik investiert: in Computer und das Internet. Gleichzeitig aber führten die mit dieser Technik verbundenen Risiken, auch oder gerade als sie längst im Alltag der Menschen angekommen war, zu einer zunehmend kritischen Haltung in der Bevölkerung: gegen Atomkraft, gegen Umweltzerstörung und auch gegen Kriege, wie den in Vietnam, der in der Schau umfassend thematisiert wird. Diese Kritik, das zeigen etwa die aktuell geführten Debatten um den Ukraine-Krieg, hält bis heute an.

Ein Ölgemälde in dunklen Farben, zeigt eine Großstadt und leblose Körper.
Das Gemälde von Heinz Wagner (DDR, 1982) zeigt eine sterbende Großstadt nach dem nuklearen Inferno. Bildrechte: MHM/Andrea Ulke

Sowohl in der Geschichtswissenschaft als auch in der Politik gibt es immer wieder die Deutung, dass seit 2014 mit der Annexion der Krim der zweite Kalte Krieg begonnen hätte.

Jens Wehner, Kurator der Ausstellung "Overkill"

Ukraine-Krieg zeigt Aktualität der Dresdner Ausstellung

Oberstleutnant Rudolf Schaller, Direktor des Militärhistorischen Museums, verweist darauf, dass das Konzept der Sonderausstellung aus dem Jahr 2019 stammt, und sie nicht ahnen konnten, dass die Geschichte sie einholen würde.

"Unsere Panzer und unsere Waffen sind Exponate. Doch sie sind jetzt hochmodern und auf den Schlachtfeldern wieder verfügbar. Sie schießen noch, sie töten und auch die atomare Dimension ist jetzt wieder gegenwärtig", erklärt der Direktor. Damit sei das Musuem das erste Mal mit einer historischen Ausstellung in der Gegenwart gelandet.

BMP-1 – Schützenpanzer// Sowjetunion, ab 1966/1968
Im Außenbereich des Museums stehen sich sich Panzer der einstigen Ost- und Westblockmächte gegenüber. Bildrechte: MHM/Andrea Ulke

Und auch davon können sich die Besucherinnen und Besucher im Außenbereich des Museums einen Eindruck verschaffen. Dort stehen sich Panzer des einstigen Ostblocks und der Westmächte beklemmend dicht gegenüber – versehen mit Hinweisen, ob sie aktuell auf ukrainischer oder russischer Seite im Einsatz sind. 

Angaben zur Ausstellung:

"Overkill – Militär.Technik.Kultur im Kalten Krieg"
Sonderausstellung 16. Juni 2023 bis 30. Juni 2024

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr
Olbrichtplatz 20
1099 Dresden

Öffnungszeiten:
Montag 10 bis 21 Uhr
Dienstag, Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch geschlossen

Redaktionelle Bearbeitung: Lilly Günthner

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. Juni 2023 | 07:40 Uhr