Cover für Lesung: Matthias Jügler "Maifliegenzeit"
Bildrechte: MDR/Robert von Massow

Lesezeit | 13.03. bis 22.03. 2024 Matthias Jügler: Maifliegenzeit | Lesung mit Jörg Schüttauf

13. März 2024, 04:00 Uhr

Berührender Familienroman über ein dunkles Kapitel ostdeutscher Geschichte

Für Katrin und Hans wird der Albtraum aller Eltern wahr: Nach der Geburt verlieren sie noch im Krankenhaus unweit von Halle ihr erstes Kind – und kurz darauf auch sich als Paar. Denn Katrin quälen Zweifel an der Darstellung der Ärzte: Sie hatte das Baby doch noch schreien gehört. Doch Hans will von ihren Zweifeln nichts wissen. Als Katrin Jahre später stirbt, wird klar, dass sie mit ihren Befürchtungen womöglich recht hatte.

Bei seinen Nachforschungen, die ihn tief in die Geschichte der DDR führen, stößt Hans auf Ungereimtheiten und Schweigen. Klären kann er all seine Fragen in Zusammenhang mit dem vermeintlichen Tod des Säuglings nicht, doch der Gedanke daran, in einem entscheidenden Moment seines Lebens versagt, etwas versäumt, einen Fehler begangen zu haben, lässt ihn künftig nicht mehr los. Trost findet Hans beim Angeln. Stundenlang ins Unergründliche schauen: Manche Fische halten sich ein Leben lang versteckt und sind dann plötzlich da ... Da klingelt eines Tages das Telefon, und sein Sohn ist am Apparat.

Zeitgleich mit der Buchveröffentlichung präsentiert MDR KULTUR eine Lesung des Romans:

Hans über das Angeln, Zitat aus "Maifliegenzeit" Sitze ich in völliger Reglosigkeit zwischen den zwei schiefen Feldulmen, deren Äste fast bis ins Wasser reichen, und beobachte, was es nur zwei, drei Meter vor mir zu beobachten gibt, dann kommt es vor, dass ich an Katrin und meinen Sohn denke. Manchmal habe ich den Verdacht, dass ich ausschließlich deshalb diesen Ort aufsuche, im Mai eines jeden Jahres, dem Monat, in dem Daniel geboren wurde und starb. Manchmal denke ich aber auch, dass ich mich einfach für Fische interessiere, für das Leben im Verborgenen. Vermutlich trifft beides zu.

Die gestohlenen Kinder der DDR

Dieser Roman basiert auf historischen Begebenheiten. Seit einigen Jahren ist nachgewiesen, dass es in der DDR Fälle von vorgetäuschtem Säuglingstod gab. Säuglinge wurden den leiblichen Eltern gegenüber für tot erklärt und zur Adoption an fremde Eltern gegeben. Wie viele Kinder davon betroffen waren, ist bislang unklar. Aufgeklärt sind zum heutigen Zeitpunkt drei solcher Verbrechen, die Zahl der Verdachtsfälle liegt jedoch bei 2.000. So viele Menschen haben gute Gründe zur Annahme, dass ihre Kinder noch leben – an unbekannten Orten, bei anderen Familien. Die Mütter und Väter wenden sich zumeist an die "Interessengemeinschaft gestohlene Kinder der DDR". Karin S. aus Sachsen-Anhalt, deren Geschichte Grundlage für dieses Buch ist, sucht noch immer.

Debatte über Kindsraub in der DDR

Matthias Jüglers Roman "Maifliegenzeit" zum Thema Kindsraub in der DDR sorgt für Diskussionen über das wahre Ausmaß solcher Fälle. Was Wissenschaft und mutmaßlich Betroffene über Fakten und Vermutungen zum Thema sagen:

Der Schriftsteller Matthias Jügler

Matthias Jügler, geboren 1984 in Halle/Saale, studierte Skandinavistik und Kunstgeschichte in Greifswald und Oslo sowie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig.  

Er war Stadtschreiber in Pfaffenhofen und erhielt ein Aufenthaltsstipendium am Literarischen Colloquium Berlin für seinen Debütroman "Raubfischen" (2015). 2016 war Jügler Writer in Residence am Goethe-Institut in Taschkent/Usbekistan. 2021 erschien der Roman "Die Verlassenen". 2022 erhielt er den Klopstock-Preis für Literatur des Landes Sachsen-Anhalt. 2023 war Jügler Stadtschreiber von Halle. Er ist Herausgeber der Anthologie "Wie wir leben wollen. Texte für Solidarität und Freiheit". Matthias Jügler lebt als Lektor und Autor in Leipzig.

Für den MDR entstand mit Matthias Jügler außerdem die Angelserie "Zwei am Fluss"

Ein Mann und eine frau an einem Flußufer 53 min
Bildrechte: MDR/Katrin Schumacher

Lesungen mit Matthias Jügler (zum Aufklappen)

16. März, 20 Uhr | Literaturhaus Halle, Buchpremiere

20. März, 19:00 Uhr | Veranstaltung zsm. mit dem niederländischen Schriftsteller Jaap Robben (Galerie KUB Forum)

21. März, 13:30 Uhr | | #buchbar, Leipziger Buchmesse

21. März, 19:00 Uhr | Lesung i.R. der Langen Leipziger Lesenacht (Moritzbastei)

22.03., 19:00 Uhr | Lesung am Deutschen Literaturinstitut

23.03., 15:00 Uhr | Deutschlandfunk Kultur "Bücherfrühling", Messestand DLF

24.03., 14:30 Uhr | ARD/ZDF Lesebühne, MDR Kultur "Unter Büchern" mit Jörg Schüttauf & Matthias Jügler

28. März | Gera: Gedenkstätte Amthordurchgang, in Koop. mit der Landeszentrale für politische Bildung

09. April | Berlin: Literarisches Colloquium Berlin

11. April, 19:30 Uhr | Literaturhaus Leipzig

Der Sprecher Jörg Schüttauf

Einem breiten Publikum ist Jörg Schüttauf als Hauptkommissar Fritz Dellwo aus dem Frankfurter "Tatort" (2001-2010) bekannt. 1961 in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, geboren, besuchte er die Theaterhochschule "Hans Otto" in Leipzig, die er 1986 abschloss. Anschließen spielte er am Hans Otto Theater in Potsdam und am Maxim-Gorki-Theater in Berlin.

Noch während des Studiums gab er sein Kinodebüt in Peter Kahanes Komödie "Ete und Ali“ (1985). Mit der Hauptrolle in der TV-Produktion "Lenz", für die er den Adolf-Grimme-Preis erhielt, gelang ihm 1992 der gesamtdeutsche Durchbruch. In den Folgejahren spielte er in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen, zum Beispiel in der Vorabendserie "Der Fahnder" (1992-1996), Jo Baiers "Der Laden" (1998) und im Kinofilm "Berlin is in Germany" (2001). Für seine Hauptrolle in der Kinokomödie "Vorwärts immer!" wurde er 2017 mit dem Bayrischen Filmpreis ausgezeichnet.

Beim MDR hat Jörg Schüttauf als Sprecher in zahlreichen Hörspielproduktionen mitgewirkt, darunter "Alter Ford Escort dunkelblau" von Dirk Lauke, "Der kleine Fallschirmspringer" von Albert Wendt, "Bleib kurz dran" von Thilo Reffert sowie in "Der Kormoran" und in "Steffi & Isa", eine mehrteilige Radiokomödie von Holger Böhme.

Der Schauspieler  Jörg Schüttauf
Jörg Schüttauf liest "Maifliegenzeit" von Matthias Jügler Bildrechte: MDR/Olaf Parusel

Angaben zur Sendung

MDR KULTUR Lesezeit
13.03. - 22.03. 2024
Maifliegenzeit
Von Matthias Jügler
Gelesen von Jörg Schüttauf
(8 Folgen)
Produktion: MDR 2024

Sendung im Radio: 13.03. - 22.03. 2024 | Montag bis Freitag 9:05 Uhr
Wiederholung: 13.03. - 22.03. 2024 | Montag bis Freitag 19:05 Uhr

Die Lesung steht hier bis zum 20. April 2024 online.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR Lesezeit | 13. März 2024 | 09:05 Uhr