Manipulation im Internet Wie erkenne ich Populismus?
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25. August 2022, 10:57 Uhr
Das Netz ist voller populistischer Botschaften. Nicht nur radikale Parteien, auch andere Interessengruppen nutzen unsere Wut und Empörung, um uns von ihren Anliegen zu überzeugen. "Erst mal durchatmen", empfiehlt die Medienpsychologin Lena Frischlich – und dann überlegen, welche Inhalte wir wirklich teilen wollen.
"Vier Iraker der Brandstiftung verdächtig: Es ist nicht das 'Klima', das unsere Wälder anzündet", steht auf der Kachel bei Instagram. Die Botschaft, die hier vermittelt werden soll, ist klar: Der Klimawandel sei keine ernsthafte Bedrohung. Schuld daran, dass die Wälder brennen, seien vielmehr Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland gekommen sind – ein völlig falscher Zusammenhang, für den es keine Belege gibt.
Der Instagram-Post bezieht sich auf einen Einzelfall, bei dem Männer in einem Wald Wasserpfeife geraucht haben sollen. Mit der Tatsache, dass der Klimawandel für trockene Wälder und extreme Hitze sorgt, hat das nichts zu tun. Ein klassisches Beispiel für Rechtspopulismus, dessen Absender schnell zu erkennen ist – unter dem Schriftzug prangt das AfD-Logo.
Likes, Unterschriften, Wählerstimmen: Was Populisten wollen
Nicht immer lassen sich populistische Botschaften so leicht entlarven. Zwar können viele Aussagen der AfD als Musterbeispiel für Populismus herhalten. Aber auch Politiker aus anderen Parteien, Journalistinnen, Aktivisten und Initiativen nutzen den populistischen Werkzeugkasten: Sie stricken simple Botschaften, die an unsere Gefühle oder unseren Gerechtigkeitssinn appellieren und wollen uns so von ihren Anliegen überzeugen.
Was ist Populismus?
Populismus ist wissenschaftlich nicht einheitlich definiert. Oft wird es als "dünne Ideologie" beschrieben, weil Populismus sich mit rechten genauso wie mit linken Inhalten verbinden lässt.
Populistisch sein können:
- einzelne Akteurinnen und Akteure, zum Beispiel Politikerinnen, Aktivisten oder Parteien
- Inhalte, die diese "dünne Ideologie" verbreiten, zum Beispiel mit der Unterscheidung zwischen "dem guten Volk" und "der bösen Elite"
- ein bestimmter Kommunikationsstil, zum Beispiel sehr emotionale, vereinfachte Botschaften
- strategische Ziele, bei denen es zum Beispiel darum geht, Wählerstimmen zu gewinnen oder Menschen für Proteste zu mobilisieren.
Es ist ein bisschen wie bei Fernsehwerbung: Nur, weil dort niedliche Kinder beim Naschen gezeigt werden, ist der Schokoriegel noch lange kein gesundes Milchprodukt – wer das durchschaut, kann selbst überlegen, ob die Packung trotzdem im Einkaufskorb landen soll oder nicht. Ähnlich wie ein Werbespot versucht Populismus, bei uns Gefühle auszulösen, zum Beispiel Sehnsucht oder Wut. Wir sehen auf Facebook einen schockierenden Beitrag oder auf YouTube ein Video, das uns aufregt, und wollen das vielleicht sofort an andere weiterleiten.
"Wir gegen die": Populismus erkennen
Einige Motive finden sich in populistischen Inhalten immer wieder und lassen sich mit ein bisschen Übung leicht erkennen. Die Botschaften richten sich oft an die "einfachen Leute", die alle gut und einander ähnlich sind. "Ich bin wie ihr", versprechen populistische Politiker wie Donald Trump – auch wenn sich das angesichts von Trumps Reichtum leicht als Lüge entlarven lässt. Den einfachen Leuten gegenüber steht im populistischen Weltbild eine durchgängig korrupte und böswillige Elite, die verhindert, dass der Willen des Volkes umgesetzt wird. Gemeint sind damit Persönlichkeiten aus der Politik, aus der Wissenschaft und aus den Medien.
Populismus verbreitet bestimmte Ideen, die am Ende dazu führen, dass gesellschaftliche Vielfalt abnimmt – dass es also schwieriger wird, unterschiedlich zu sein.
"Die Wahrheit ist natürlich viel komplizierter", sagt Lena Frischlich. "Wenn wir überlegen, dann kennen wir wahrscheinlich alle auch Leute, die zum 'einfachen Volk' gehören, aber furchtbare Menschen sind. Und wir kennen genauso Politikerinnen und Politiker, die wir gut finden." Populistischen Akteuren geht es aber nicht um konkrete Kritik an einer bestimmten Partei, einzelnen Personen oder einem neuen Gesetzesvorhaben, sondern darum, stark zu vereinfachen – als wären auf der einen Seite alle gut und auf der anderen Seite alle böse.
Dabei schüren die Botschaften oft Ängste oder nutzen Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern. Manchmal wecken sie die Hoffnung, alles werde besser, wenn man nur zu einer "guten alten Zeit" zurückkehren könne. Gerne argumentieren Populistinnen und Populisten auch mit dem "Willen des Volks", eigentlich einem Kerngedanken der Demokratie. In der Demokratie sollen die Wünsche und Bedürfnisse von vielen verschiedenen Menschen und Gruppen ausgehandelt werden. Populistische Botschaften suggerieren hingegen, alle im Volk wollten und bräuchten das Gleiche – und wer anders ist, gehört nicht dazu.
"Populismus verbreitet bestimmte Ideen, die am Ende dazu führen, dass gesellschaftliche Vielfalt abnimmt – dass es also schwieriger wird, unterschiedlich zu sein", sagt Lena Frischlich. Demokratie bedeute aber, dass Menschen sich entfalten können, unterschiedliche Wege und Ziele verfolgen dürfen und dabei respektvoll miteinander umgehen. Mit dem Hass, den populistische Botschaften oft verbreiten, hat das nichts zu tun. "Die Frage, die ich mir stellen sollte, lautet nicht: Ist das Populismus?", sagt die Medienpsychologin. "Sondern eher: Ist das eine Welt, in der ich leben will?"
Tief durchatmen: Mit Populismus umgehen
Sie empfiehlt deswegen beim Lesen von aufwühlenden Social-Media-Beiträgen immer erst einmal durchzuatmen und sich zu fragen: Ist das wirklich mein Gefühl? Will ich mich für das Thema tatsächlich einsetzen? Oder soll ich nur als Megafon dienen und die Botschaften von anderen verstärken, indem ich sie teile und kommentiere? Was hat das, was da behauptet wird, mit meiner Lebensrealität zu tun?
Hilfreich sei es auch, Behauptungen zu durchdenken: "Wenn jemand fordert, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk abgeschafft werden soll, was heißt das denn konkret? Ich würde dann vielleicht nicht mehr erfahren, welche neuen Gesetze es gibt, dass das Neun-Euro-Ticket beschlossen worden ist oder dass ich meine Sonnencreme nach einem Jahr wegwerfen muss."
Auch ein schneller Faktencheck könne helfen. "Bei Journalistinnen und Journalisten gilt das Prinzip, dass sie immer eine zweite Quelle brauchen, um eine Tatsache zu bestätigen. Ich finde, das dürfen wir uns auch gönnen", sagt die Medienpsychologin. Man könne nach einer unabhängigen Bestätigung suchen, zum Beispiel auf einer seriösen Nachrichtenseite, und überlegen, ob die andere Seite das genauso darstellen würde. Mehr Tipps, wie Sie Informationen überprüfen können, finden Sie hier.