Schild Herbst Sommer
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Corona-Newsletter | Mittwoch, 14. September 2022 Gute Nachricht und brauchbare Zahlen

14. September 2022, 20:20 Uhr

Der Chef der WHO sagt, das Ende der Pandemie sei in Sicht. Und ein Krankenkassen-Chef sagt, für Patienten war es gut, dass während Corona Rücken-OPs ausgefallen sind. Gute Nachrichten also und ein Blick auf die Zahlen.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

Einen schönen guten Abend!

Vielen Dank für Ihre zahlreichen E-Mails in den vergangenen Tagen!

Ein Leser schreibt zum Beispiel: "Früher konnte man aus den ‘aktuellen Zahlen’ tatsächlich eine weitgehend realitätsnahe Einschätzung der Lage und Situation erkennen und es ließen sich daraus Argumente ableiten." Seit einigen Monaten würden sich weder Lage noch Tendenz ablesen und schon gar nicht Argumente für oder gegen Maßnahmen ableiten lassen.

Ich habe mitunter ein ähnliches Gefühl und deshalb unseren Daten-Experten um seine Meinung gebeten. Darauf schauen wir gleich. 

Es soll heute um eine gute Nachricht gehen und um neue Zahlen gehen, die zurückschauen. Die hat heute das Wissenschaftliche Institut der AOK veröffentlicht: Wie lange Menschen mit Long- oder Post-COVID-Symptomen auf der Arbeit ausfallen. Bei den deutschen AOKs sind mehr als 25 Millionen Menschen in Deutschland versichert – eine enorm große Datenbasis. Dabei sollte doch etwas Aussagekräftiges herauskommen.

Infektionszahlen, Impfquote, Hospitalisierungsrate – all das sammeln wir für Sie im Newsletter. Ein Leser schreibt, daraus ließe sich nicht mehr viel ableiten. Deshalb würde das "offizielle politische Gerede von einer erneut 'drohenden Corona-Gefahr' im Herbst kaum noch auf positive Resonanz in der Bevölkerung" treffen.

Was die Corona-Zahlen gerade aussagen

Ich merke an mir selbst auch, dass ich kaum noch gebannt auf diese Zahlen warte oder schaue. Mein Kollege, Datenjournalist Manuel Mohr, ist da nicht ganz so dogmatisch wie unser Leser: "Früher waren die Daten schon geeignet, um Lage und Situation zeitnah zu erkennen. Vor allem durch die mehrfach geänderte Teststrategie und letztendlich weniger PCR-Tests, die in die Statistik eingehen, ist das Bild derzeit natürlich nicht so aktuell. Generelle Tendenzen sieht man aber dennoch."

Für Manuel ist derzeit die Zahl der Infektionen weniger entscheidend – wichtiger findet er Angaben zur Belastung des Gesundheitssystems, konkret also die Hospitalisierungsrate und die Belegung der Intensivbetten.

Und Manuel hat uns eine Übersicht der Kollegen vom Science Media Center (PDF) empfohlen, die sich auch gefragt haben, ob Deutschland im Datenblindflug ist. Sie haben zusammengetragen, wer bei uns welche Daten sammelt: Von der Viruslast im Abwasser, Impfquote, Impfnebenwirkungen und eben auch der Auslastung des Gesundheitssystems.

Ein paar Schlussfolgerungen, die das Science Media Center veröffentlicht hat:

  • In Deutschland fehlen Studien zur Erhebung von Maßzahlen wie Immunflucht, Anteil Hospitalisierte oder Tote. "Hier wären Studien wie REACT in Großbritannien wünschenswert."
  • Trotzdem geben die aufgezählten Datensammlungen einen ausreichenden Überblick über die epidemiologische Lage in Deutschland.
  • Maßzahlen für die Belastung der Krankenhäuser gibt es auf Bundeslandebene, sodass auch regionale Probleme erkannt werden können.
  • Ein Datensatz zum krankheitsbedingten Personalausfall im Gesundheitssystem fehlt.

Bei der Bettenbelegung auf der Normalstation gibt es keine bundesweit einheitliche Datenerhebung

Oktoberfest kein Muss

Der Oktoberfestchef hat Menschen aus vulnerablen Gruppen vom Wiesnbesuch abgeraten. Gleiches gelte auch für andere öffentliche Veranstaltungen. "Es ist kein Muss."

Andrang in einem Festzelt auf dem Münchner Oktoberfest
Oktoberfest 2022: Menschen aus vulnerablen Gruppen sollen lieber zu Hause bleiben, sagt der Wiesnchef. Bildrechte: imago/Michael Westermann

Ihre E-Mails

Ich möchte Ihnen noch drei weitere Meinungen aus E-Mails weitergeben. Ich finde, sie geben die Bandbreite der Meinungen derzeit gut wieder:

  • Eine Leserin schreibt: "Am besten gefällt mir Ihr Resümee: Niemand weiß, was auf uns zukommt. Ich bin vierfach geimpft und hatte dennoch Corona, war völlig verblüfft, weil ich keine Erklärung hatte. Nun bin ich mir sicher: Niemand weiß, was auf uns zukommt, und nun bin ich trotz der allgegenwärtigen Unsicherheit beruhigt, so merkwürdig das auch klingt."
  • Ein Leser meint: "Sehr gut auch, dass Sie diese persönliche Aussage des 'Maskentragens beim Bäcker', wenn eine ältere Dame dort ähnlich maskiert ist, erwähnen. Weil’s in dieser Hinsicht vielleicht jetzt Standard werden sollte, aufeinander Acht zu haben."

Wenn Sie Fragen oder Anmerkungen haben - ich habe dafür die richtige E-Mail-Adresse: corona-newsletter@mdr.de.

Auf einen Blick: die aktuellen Zahlen

Das Robert Koch-Institut meldete am Mittwoch, den 14. September 2022, eine bundesweite 7-Tage-Inzidenz von 263,2. Die höchsten Inzidenzwerte haben demnach Mecklenburg-Vorpommern (321,5), Bremen (306,6) und Brandenburg (299,0).

Thüringen hat laut RKI mit 211,4 die drittniedrigste 7-Tage-Inzidenz in Deutschland. In Sachsen und Sachsen-Anhalt beträgt der Wert 228,0. 

Sachsen

  • Hospitalisierungsrate*: 3,2 (+0,67 im Vergleich zur Vorwoche)
  • COVID-19-Intensivpatienten: 48 (-1 zum Montag), davon 11 beatmet, 67 freie COVID-19-Intensivbetten
  • Impfquote: 64,7 Prozent (vollständig geimpft)
  • 12-17 Jahre: 44,9 Prozent
  • 18-59 Jahre: 66,6 Prozent
  • 60+ Jahre: 84,3 Prozent
  • Erste Auffrischungsimpfung: 49,9 Prozent
  • Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19: 15.948 (+/-O  zu gestern)

Thüringen

  • COVID-19-Intensivpatienten: 23 (+1 zum Montag), davon 8 beatmet, 51 freie COVID-19-Intensivbetten
  • Impfquote: 69,8 Prozent (vollständig geimpft)
  • 12-17 Jahre: 52,7 Prozent
  • 18-59 Jahre: 71,6 Prozent
  • 60+ Jahre: 88,3 Prozent
  • Erste Auffrischungsimpfung: 53,5 Prozent
  • Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19: 7.595 (+3 zu gestern)

Sachsen-Anhalt

  • Hospitalisierungsrate*: 4,59 (+1,28 im Vergleich zur Vorwoche)
  • COVID-19-Intensivpatienten: 16 (-6 zum Montag), davon 8 beatmet, 50 freie COVID-19-Intensivbetten
  • Impfquote: 73,6 Prozent (vollständig geimpft)
  • 12-17 Jahre: 53,9 Prozent
  • 18-59 Jahre: 76,7 Prozent
  • 60+ Jahre: 91,3 Prozent
  • Erste Auffrischungsimpfung: 57,5 Prozent
  • Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19: 5.684 (+3 zu gestern)

* Die Hospitalisierungsrate beschreibt die 7-Tage-Inzidenz der hospitalisierten COVID-19-Fälle. Durch Übermittlungsverzug wird die Rate in gewissem Maß unterschätzt, schreibt das RKI. Ein deutschlandweit gültiger Grenzwert dafür, welche Maßnahmen eine bestimmte Hospitalisierungsrate nach sich ziehen, wurde nicht festgelegt. Warum die Hospitalisierungsrate in der jetzigen Form als neue Corona-Kennzahl untauglich ist, erklärt MDR-Datenjournalist Manuel Mohr in diesem Artikel.

(Quellen: Hospitalisierungsrate, aktive Fälle: RKI | Intensivpatienten: Divi | Impfquote: RKI | Todesfälle: RKI)

Alle Grafiken und weiteren Zahlen finden Sie hier in den Übersichten der Kolleginnen und Kollegen.

Am Montag hatte ich Ihnen geschrieben, dass wir aus dem Interview mit Christian Drosten das Positive (Drosten: "Pandemische Gefahr, dass man stirbt, für die meisten vorbei") zitiert, viele andere Medien auf das Negative (Drosten: "Starke Inzidenzwelle noch vor Dezember") betont haben.

Mein Kollege Martin Paul hatte vorgestern den Eindruck, dass wir seit Jahren bei Corona nur das Negative sehen. Und das stimmt zum großen Teil sicher auch. Zwischenzeitlich haben wir Sie im Newsletter auch gefragt, was positiv an Corona ist, einfach um die Situation ganz bewusst einmal im Kopf zu drehen. (Aber etwas Positives gab es immer mal wieder: Grippewelle 2020 und 2021 ausgefallen, einige Grippe-Varianten wohl sogar verschwunden.)

Eine tatsächlich positive Meldung von heute:

Ende der Pandemie in Sicht

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht eine Chance auf ein Ende der Corona-Pandemie. "Wir sind noch nicht so weit, aber das Ende ist in Sicht. Eine Marathonläuferin stoppt nicht, wenn die Ziellinie in Sicht ist. Sie rennt noch entschlossener, mit aller Energie, die sie noch in sich hat. Da müssen wir auch tun", sagte er.

Die WHO fordert, dass Älteren und Gesundheitspersonal zu 100 Prozent geimpft sein sollten und jedes Land insgesamt anstreben sollte, 70 Prozent seiner Bevölkerung geimpft zu haben.

Und ich bin heute noch auf ein anderes Beispiel gestoßen, was positiv an Corona war. Zumindest nach Meinung des Chefs der Techniker Krankenkasse, Jens Baas.

Positives an Corona: Weniger überflüssige OPs

Er hat der Augsburger Allgemeinen im Interview gesagt, dass während der Corona-Krise viele Operationen ausgefallen sind. Das hätte sich aber nicht nur negativ ausgewirkt.

"Es gab aber auch viele Fälle, in denen es wohl gut für die Menschen war, nicht unter das Messer zu kommen. Wir haben zum Beispiel gesehen, dass die Zahl der Rücken-Operationen deutlich zurückgegangen ist." Sie seien später nicht alle nachgeholt worden und diesen Menschen sei wirklich etwas erspart geblieben.

"Ein Großteil der Rückenoperationen ist nicht notwendig." Häufig würden sich Rückenschmerzen besser konservativ - zum Beispiel mit Physiotherapie – behandeln, sagt der Chef der Techniker Krankenkasse. Patienten, die vor einer Rücken-OP eine zweite Arztmeinung einholen würden, wurde zu 85 Prozent davon abgeraten. "Sie sind auch dauerhaft ohne OP ausgekommen", so Baas.

Zahlen zu Long- und Post-COVID

Aus einer riesigen Datenbasis kann das Wissenschaftliche Institut der AOK (WidO) schöpfen. Heute hat es Zahlen zu Long-COVID und Corona-Krankschreibungen veröffentlicht (PDF). Hier sind einige:

  • Insgesamt war seit März 2020 jeder fünfte erwerbstätige AOK-Versicherte wegen Corona krankgeschrieben. Die meisten waren es im März 2022.
  • 3,8 Prozent davon waren anschließend wegen Long- oder Post-COVID-Symptomen arbeitsunfähig. (Das entspricht etwa 0,9 Prozent aller erwerbstätigen AOK-Versicherten.)

Zur Info: Von Long-COVID spricht man bei Symptomen, die bis zu zwölf Wochen nach der Infektion auftreten, Post-COVID meint, dass sie auch nach zwölf Wochen auftreten. Es ist allerdings derzeit kein einheitliches Krankenbild definiert.

Wer war wie lange wegen Corona oder Long-COVID krankgeschrieben?

Menschen mit einer Corona-Infektion waren durchschnittlich etwa 9,5 Tage krankgeschrieben. 

Menschen mit anschließenden Long- oder Post-COVID-Symptomen waren durchschnittlich fast sieben Wochen nicht auf Arbeit.

Frauen waren häufiger von Long-COVID oder Post-COVID betroffen als Männer (1,0 Prozent versus 0,7 Prozent). Dieser Unterschied zeigte sich trotz des geringeren Altersdurchschnitts bei den weiblichen Erkrankten (49,1 Jahre versus 50,5 Jahre).

Welche Berufsgruppen waren am häufigsten krank?

Die meisten Long-COVID oder Post-COVID Erkrankten arbeiten in der Gesundheits- und Krankenpflege, in der Kinderbetreuung und Kindererziehung, als pharmazeutisch-technischen Assistenten oder in der der Ergotherapie. Die niedrigsten COVID-19-bedingten Krankschreibungen gab es bei Menschen, die in der Landwirtschaft und im Hochbau arbeiten.

Der stellvertretende Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, Helmut Schröder, befürchtet, dass bei einer weiteren Welle wieder viele Berufsgruppen betroffen sein können. "Dies könnte erneut Auswirkungen auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten bei Beschäftigten in der kritischen Infrastruktur haben", sagt Schröder.

Welche Virusvariante sorgt für wie viel Long-COVID-Fälle?

Die Delta-Variante war für 6,3 Prozent der Long- und Post-COVID-Krankschreibungen verantwortlich.

Die seit Frühjahr 2022 verbreitete Omikron-Variante für 2,1 Prozent.

Aktuell gebe es ein geringeres Risiko für Long- oder Post-COVID, sagt Schröder: "Die erkrankten Beschäftigten waren aber auch in der Omikron-Welle noch schwer beeinträchtigt und fehlten durchschnittlich mehr als fünf Wochen am Arbeitsplatz." Aktuell sei nur wenig über die COVID-bedingten Langzeitfolgen bekannt, deshalb sollte man sich und andere weiterhin vor einer Corona-Infektion schützen.

Was heute außerdem los war

Die Bundesregierung hat das Kurzarbeitergeld für weitere drei Monate bis 31. Dezember verlängert. Die Entwicklung des Infektionsgeschehens sei "ebenso unsicher wie die weiteren wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine", erklärte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). 

Die Bundesregierung hat auch das Bürgergeld als Ersatz für Hartz IV zum Jahreswechsel beschlossen. Im Kern sollen Leistungsbezieher künftig milder behandelt werden und der Satz auf 502 Euro steigen.

Die Deutsche Bahn hat einen neuen ICE vorgestellt, er ist stufenlos und wird in Spanien gebaut. Bis er in Deutschland auf der Schiene ist, dauert es noch. Eine Preiserhöhung hat die Bahn heute auch angekündigt.

In Thüringen erhöhen viele Stadtwerke ihre Gaspreise im Oktober erneut. Einige schon das zweite Mal in diesem Jahr. Die Zahl der Kunden, die nicht mehr zahlen können, ist noch nicht gestiegen.

Zum Schluss wünsche ich Ihnen einen schönen Abend und alles Gute

Marcel Roth

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 09. Mai 2022 | 11:00 Uhr

8 Kommentare

DermbacherIn am 15.09.2022

Karl Lauterbach und das RKI rechnen mit einen schweren Corona-Herbst, da rechne ich allerdings auch mit, vor allem wenn Karl Lauterbach weiter unser Gesundheitsminister bleibt. Dann kann er endlich wieder durch die Talkshows tingeln und seinen Unsinn unter das Volk bringen. Denn außer seiner Coronapolitik, die der Gesellschaft und der Wirtschaft schwere Schäden zugefügt hat, gibt es nichts, was dieser Mann bisher Sinnvolles für unser Land geleistet hat.

DermbacherIn am 15.09.2022

In anderen Ländern haben Genesene hinsichtlich ihrer Immunität auch die Bedeutung, die ihnen zusteht. Karl Lauterbach versucht immer wieder die Immunität nach Genesung herunterzuspielen, was die Stärke und die Dauer anbelangt. Eine festgestellte breit wirkende, gute Immunität nach Genesung würde unnötige Impfungen verhindern, aber somit auch Karl Lauterbachs Problem mit dem Überhang an aktuellen und zukünftigen Impfdosen vergrößern.

DermbacherIn am 15.09.2022

Nur in Deutschland sind wir so weit vom Pandemieende entfernt, dass wir die Maßnahmen mit der FFP2-Pflicht im öffentlichen bodennahen Verkehr sogar noch einmal pauschal und grenzwertfrei kräftig anziehen und den Ministerpräsidenten sogar noch grenzwertfreie Möglichkeiten für weitere Maßnahmen in die Hand geben.
Müsste man einen Gesundheitsminister, der so einen extremen Sonderkurs ohne handfeste Begründungen fährt, nicht endlich mal absägen, zumal Grundrechte massiv unter diesem Kurs leiden, nicht nur "etwas" Geld?